Der Aufsteiger


Mi« Iren* D'Arby als Forderer und Prince als Vorbild greift der schwarze Brite Andrew Roach- ford (23) nach den Sternen. Sylwie SlMmons traf in London den coo- len Selbstbewußten, der sich als musikalischen Brückenkopf »Mi- schen Schwarz und Wein sieht.

Andrew Roachford ist ein junger, schwarzer Soul/Pop-Musiker aus England, der auf dem schlicht ROACHFORD genannten Debüt-Album allerdings eher nach einem alten, schwarzen Soul/ Pop-Musiker aus Amerika klingt. Gleichzeitig ist sein Sound so heavy und R&B-geladen, daß das Metal-Magazin „Kerrang“ die Live-Auftritte seiner Gruppe mit überschwenglichen Kritiken feierte (Andrew: „Live klingen wir auch besser als auf Platte, weiFs direkter kommt, da ist nichts mehr dazwischen.“) Er ist ein Fan der beiden Stevies (Wonder und Winwood), bewundert Prince für sein Auftreten, Ray Charles wegen seiner Stimme, außerdem Hendrix, Little Richard, James Brown und Terence Trent D’Arby, der auch für sich in Anspruch nimmt, Roachford entdeckt zu haben: Er hörte eine Demo-Cassette, sagte zu seiner Plattenfirma „Nehmt den unter Vertrag“ und engagierte ihn als Vorprogramm für seine erste Tour. So weit war Onkel Bill Roachford allerdings schon vor acht Jahren. „Onkel Bill“ tritt nicht nur als Saxophonist in britischen Werbespots auf, hauptberuflich ist er Jazzmusiker und -lehrer und hat Andrew alles über Musik beigebracht: „Sachen, für die er selbst ein Leben lang gebraucht hat. um sie zu lernen. Er hat sie für mich aufgeschlüsselt und vereinjacht, so daß ich nicht alles durchnehmen mußte, was er sich reingeschafft hat“ —eine Abkürzung zur musikalischen Frühreife also.

„Er brachte mir bei, daß sich eine schwarze Musik aus der anderen ergibt; daß sie nicht Welten trennen, wie viele Leute gern denken, sondern daß sie sich alle — Funk, Rock’n’Roll, alle—letztlich vom Blues herleiten. Ich habe mal ein Interview mit David Lee Roth gelesen, in dem er sagt, daß er viel Muddy Waters hört“, fügt Andrew noch zum Beweis hinzu.

Die Ausbildung gab’s freilich nicht umsonst: „Das meiste Zeug, was mir mein Onkel beigebracht hat. waren Sachen, die ich spielen mußte, um ihn bei seinen Konzerten begleiten zu können. Seit ich 14 war, habe ich mit ihm in Nachtclubs gespielt, in heruntergekommenen Nepp-Schuppen in Soho: Ob ich vielleicht zu jung war, um in solche Läden überhaupt reinzugehen, war das Letzte, worüber sich die Leute da den Kopf zerbrochen haben.“

Nach fünf Nachtclub-Jahren machte ihn ein Freund mit Beraie Rhodes, dem damaligen Manager der Clash, bekannt, Rhodes hatte sich bereits mit einem anderen schwarzen Musiker zusammengetan, von dem er auch die Idee hatte, eine britische Version von Motown aufzumachen, mit Andrew als einem seiner Musiker und Talent-Scouts.“£r wollte der Berry Gordy von Camden Town werden“, lacht Andrew. „Sonderlich realistisch war das allerdings nicht. Weil er uns so schnell gefunden hatte, dachte er: ,Da draußen müssen ja noch hunderte von der Sorte rumlaufen, an denen verdiene ich mich dumm und dusselig!‘ Bloß daß wir nicht in Detroit waren. Das Unternehmen verlief dann irgendwie im Sand. Aber so lernte ich das Studio kennen: eine Welt, in der ich mich noch gar nicht auskannte. Mit meinem Onkel brauchte ich bloß ein Klavier, ein Mikrofon und das war’s. Aber dann sah ich zum ersten Mal ein Studio und — noch entscheidender — einen Synthesizer.“

Noch ein paar totgeborene Bands später verfugte Andrew über die nötigen Koniakte und kannte genug Musiker, um seine eigene Band Roachford zu gründen. Bis jetzt hat ihm seine Plattenfirma die seltene Freiheit gelassen, selbst über Band und Karriere zu bestimmen. „Pures Glück“, zuckt er die Achseln, „und weil bei der CBS keiner weiß, was er mit uns machen soll, hallen sich alle irgendwie zurück und schauen erstmal, was wir so machen. Das ist zum einen gut, zum anderen schlecht“ — Schlecht, weil eine Firma das, was sie nicht einordnen kann, auch nicht sp leicht verpacken und verkaufen kann — „aber ich will eh nicht kategorisiert werden, also habe mich schon darauf eingestellt, daß es am Anfang etwas schwieriger werden wird, wenn wir am Ende unsere eigene Sache machen wollen.“

Und die wäre?

„Roachford als eigener Musikstil. Wie bei Prince: Da denkt man auch nicht an eine Kategorie, sondern an einen Stil. Was wir machen, ist zeitlos: wir versuchen die ausgelatschten Vorstellungen von .in‘ und,out‘ zu vermeiden und Roachford zu etablieren.“

Für schwarze Musiker ist es schon eine ganze Weile „out“, traditionell schwarze Musik zu spielen. Das haben die weißen Londoner Soul-Boys übernommen, während die Schwarzen süßen Pop oder aber Rap machen.

Roachford nickt. „Alles, was Schwarze spielen, ist schwarze Musik. Ich nenne auch Rockmusik schwarze Musik. Ich glaube, schwarze und weiße Musik lassen sich heute immer schwieriger trennen. Wir schlagen Brücken, darum geht’s mir. Ich bemühe mich zumindest.“