Konzertbericht & Fotogalerie

Die Ärzte live in Berlin: Hits, astreine Attitüde & „Büro!“-Laolawellen


Wir waren beim ersten der zwei Gigs in Berlin dabei. Hier geht's zu Bericht und Fotos.

Die Ärzte spielen dieser Tage eine Clubtour durch Deutschland und machen dabei am 13. und 14. September Halt in der Berliner Columbiahalle. ME-Autorin und Fotografin Désirée Pezzetta war am ersten Abend für euch dabei.

Am 20. August kündigten Die Ärzte überraschend eine Clubtour namens „Herbst des Lebens“ an. Der Vorverkauf startete einen Tag später und war ebenso schnell beendet, wie er begonnen hatte, denn nach nur wenigen Minuten waren alle Karten weg. Lange Gesichter bei den Fans, die leer ausgingen, unbändige Freude bei denen, die ein Ticket für eines der Konzerte ergattern konnten. Freuen darf man sich nach eigener Aussage der besten Band der Welt auf eine Show, die „besser als wie auf Platte“ und „diesmal ohne Hunde und Pferde“ ist.

Nach den ersten Konzerten, unter anderem in Potsdam und Offenbach, überschlagen sich die Lobhudeleien für die Live-Performances und Setlist. „Die haben richtig Bock!“ raunzt man sich in den Sozialen Medien zu. Das Berliner Publikum ist am ersten Abend der Doppelsause in der Hauptstadt daher gespannt wie ein Flitzebogen, was sich das Trio diesmal einfallen lassen wird.

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Start mit Hindernissen

Pünktlich um 20 Uhr fällt der Vorhang – oder doch nicht? Das schwere Stück Stoff will den Blick auf die Stars nicht freigeben und gemäß dem Motto „Auffallen durch Nichtfallen“ muss manuell mit einem beherzten Ruck nachgeholfen werden. Aber dann erscheint der einzig wahre Gott – BelaFarinRod. Rodrigo González wie immer im feinen Zwirn, Farin Urlaub leger mit schwarzer Jeans und ebenso farbenfrohem Shirt und Bela B in einem schwarz-weißen Anzug mit aufgenähten Botschaften. Jeder der Musiker wird zu Beginn von nur einer Bürolampe von oben angestrahlt, bevor das Bühnenlicht wechselt und der Lichtmann ein wahres Feuerwerk – immer passend zur Stimmung – entfacht.

Gewohnt publikumsnah plaudern die Drei mit den Gäst:innen in der Columbiahalle, amüsieren sich herzlich über die Spleens ihrer Fans und beziehen diese direkt in ihre Performance mit ein. Natürlich dürfen direkte Vergleiche mit dem Publikum aus der Nachbarstadt Potsdam nicht fehlen, die von den Anwesenden mit lauten Buh-Rufen kommentiert werden. Neben einigen bandinternen Kabbeleien bleibt auch der Crowd die Willkür der Musiker nicht erspart. Farin Urlaub amüsiert sich königlich, wenn er der Columbiahalle aufträgt, kaum imitierbare Tonfolgen zu skandieren und Laolawellen auf „Büro!“ zu starten.

Auch mit Anekdoten, wie die Geschichte hinter dem Tinder-Song „Anastasia“, wird nicht gespart. Ob Wahrheit oder Fiktion – ganz egal, denn man könnte den Herren stundenlang zuhören. Das muss man auch, denn erfahrungsgemäß dauert ein Die-Ärzte-Konzert mindestens drei Stunden.

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Drei Stunden Live-Feuerwerk

Viel Zeit also für eine Menge Songs! Und die Setlist hat es in sich. Neben Live-Klassikern wie „Unrockbar“ und „Ist das Noch Punkrock“ bekommen die Fans heute auch Raritäten wie „Achtung Bielefeld“, „El Cattivo“ oder „Trick 17 m.s.“ zu hören. Die 90er-lastige Live-Rakete startet und fliegt mit Überschallgeschwindigkeit an die Decke, die mittlerweile wegen der tropischen Temperaturen mächtig auf die schwitzende Menge tropft. Das ist aber nur ein Tropfen auf dem heißen Publikum, das nicht müde wird, sich noch zusätzlich bei immerwährenden Moshpits zu verausgaben. Um die Feierei perfekt zu machen, hat die erste Reihe auch noch Konfetti dabei, das sie bei dem 2000er Hit „Herrliche Jahre“ ausgelassen in die Luft wirft.

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Zugaben von heiter bis wolkig

Etwas Ruhe kehrt bei der ersten Zugabe ein. Farin Urlaub performt alleine und akustisch „Leben nach dem Tod“ und während sich so manche Person im Publikum ein Tränchen verdrücken muss, kämpft Urlaub mit dem Geruch der Wunderkerzen, die von Fans entzündet wurden. Nach erfolgreicher Brandlöschung kann Farin im Schein von zig Handytaschenlampen den tiefgründigen Song beenden.

Im zweiten Zugabenblock betritt zunächst Bela B. alleine die Bühne, aber mit bunten Paillettenhut, Silberbecher und einer Gitarre, die eigentlich für Michael Schenker gebaut wurde. Kurz geht sein popkultureller Bildungsauftrag mit ihm durch, als er dem recht desinteressierten Publikum die Wirkungskreise der Schenker Brüder erläutern will. Schnell wieder zurück zur Kernkompetenz „Musik“ mit dem Titel „Der Graf“, Publikumsliebling „Himmelblau“ und „Hurra“.

Dass die Band nach ca. 1000 Shows noch immer selbst über ihre instrumentalen und vokalen Unzulänglichkeiten spottet, macht sie grundsympathisch, aber verstecken muss sich die Band aus Berlin (auuus Berlin!) wahrlich nicht. Aber auch der kurzweiligste Abend hat irgendwann ein Ende und fulminant schließt die Gruppe das Konzert mit ihrem wohl wichtigsten Song „Schrei nach Liebe“ aus dem 90er Album „Die Bestie in Menschengestalt“.

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Kein Stück langweilig

Die Ärzte sind auch nach über 30 Jahren kein Stück langweilig und haben es noch immer faustdick hinter den Ohren. Ihre beispielhafte Karriere verdanken sie nicht nur ihrem Gespür für große Hits, sondern auch ihrer astreinen Attitüde und ihrem schelmischen Humor. Danke an die beste Band der Welt für einen seligen Abend in familiärer Atmosphäre.

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