Die Musikindustrie in der Offensive.


Kommt er oder kommt er nicht? Seit Jahren schon hatten Gerätehersteller aus Fernost ihn immer wieder hinter verschlossenen Türen einem ausgewählten Kreis von Fachbesuchern vorgeführt: den Digital-Cassettenrecorder, der perfekte Musik-Mitschnitte ohne Qualitätseinbuße für jedermann ermöglichen sollte. Im Herbst 1986 sollte er endgültig in die Läden kommen — vorerst in Japan im Anschluß an die „Audio Fair“ in Tokio, dann aber auch zügig in Nordamerika und Europa. Jetzt wurde das Thema Digital Audio Tape (DAT) erst einmal wieder vertagt. Die westliche Musikindustrie meldete harschen Protest an.

Denn welche Zukunft ihr da am Horizont dämmerte, war klar: Der DAT-Recorder macht endgültig den perfekten Musik-Klau möglich. Während man bei jeglichem Kopieren auf

herkömmliche Analog-Cassetten mit einer gewissen Verschlechterung der Tonqualität rechnen muli erlauben die Digitalmaschinen beliebige Duplizierung ohne die geringste technische Einbuße: Original und Kopie sind bestenfalls meßtechnisch voneinander zu unterscheiden, gehörmäßig aber praktisch nicht mehr.

Von einer „potentiell vernichtenden Wirkung für die Musikindustrie“ sprach denn auch Bhaskar Menon, Präsident des Plattenkonzerns EMI Music, in einem Artikel in der „Financial Times“. Und Stanley Gortikov, Präsident der Record Industrie Association of America (RIAA), warnte die Gerätehersteller in Fernost in einem Offenen Brief, den das Branchenblatt „Billboard“ im September publizierte: Man sei keinesfalls bereit, das Opferlamm auf dem Altar der japanischen Profil-Interessen zu spielen.

Auf einen Punkt scheinen sich die westlichen Plattenmacher vorerst geeinigt zu haben: Sie wollen keinerlei von ihnen finanzierte Aufnahmen für vorbespielte Digital-Cassetten zur Verfügung stellen. Außerdem drohten sie unmißverständlich, in Brüssel und Washington vorstellig zu werden, damit per Verordnung jeglicher Import von DAT-Recordern nach Europa und Nordamerika untersagt wird.

Der Hintergrund dieser brüsk geführten Diskussion: Man will zunächst die weitere Akzeptanz von Compact-Disc nicht durch ein digitales Bandaufzeichnungsgerät gefährdet sehen. Und das Argument, mit dem man notfalls den Import von Geräten und DAT-Cassetten verhindern will, lautet: Weil hier ohne jeglichen Qualitätsverlust kopiert werden kann, werde der sensible Bereich des Urheberrechts entscheidend tangiert. Mit anderen Worten: Wenn jetzt jedermann mit solch einem Gerät zum perfekten Musik-Diebstahl animiert werde, sei das der Todesstoß für den Urheberrechtsschutz bei Musikaufzeichnungen. Denn eines ist ganz klar: Ein Kombinationsgerät aus CD-Player und Digital-Audio-Recorder -— Horrorvision der Musikbranche —- würde sich so ideal wie selbstverständlich anbieten. Auf der DAT-Cassette von zwei Stunden Spieldauer ließen sich zwei bis drei CDs kopieren!

Die Drohung der Plattenindustrie, keine Aufnahmen für digitale Musi-Cassetten zur Verfügung zu stellen, scheint vorerst gewirkt zu haben. Führende Elektronik-Konzerne in Japan werden DAT-Recorder fürs erste nicht auf den Markt bringen. Was aber geschieht, wenn Branchenriesen wie Hitachi oder Sharp —- die keinerlei Aktien im Musik-Business haben! -— doch mit solchen Geräten herauskommen, kann niemand voraussagen. „Dann werden wir“, meint der Pressesprecher eines japanischen Konzerns auf unsere Anfrage, „womöglich doch nachziehen müssen.“ Denn in Japan will es sich niemand nehmen lassen, mit an vorderster technischer Front zu stehen, weil man sonst womöglich Image einbüßt.

Das aber mag sich dort niemand leisten. Bleibt abzuwarten, wie und wann die Interessen der westlichen Musikbranche und der Geräteproduzenten in Fernost doch noch auf einen Nenner gebracht werden können.

WENN DER CD-PLAYER STREIKT

Jetzt sind sie also endlich da: die „Volks“-CD-Player zum Super-Discount-Preis von unter 300 Mark. Eingebaut findet man sie auch in HiFi-Türmen, die dann komplett — einschließlich Verstärker, Tuner. Lautsprecher und Doppel-Cassettenrecorder -— für weniger als 1000 Mark verramscht werden. Einwcg-Produkle. bei denen man dem Kaufer eines schamhaft verschweigt: Die Reparatur eines solchen CD-Spielers kommt im Zweifelsfall teurer als das komplette Gerät in der Neuanschaffung!

Immer winziger in den Abmessungen, immer windiger in der Verarbeitung wurden sie auch. Miniaturisierung und immer höhere Integration der Chips machten es möglich. Was aber tun, wenn der Player erste Macken zeigt und schließlich gar nicht mehr spielen mag‘. Tatsache ist: Auch beim Digitalphlattenspieler hat man es noch mit so viel Mechanik zu tun, daß der Qualität von Bauteilen und Verarbeitung in diesem Punkle entscheidende Bedeutung zukommt. Geringfügige Dejustage bei der Laseroptik-Einheit, wackliger Schubladen-Mechanismus usw. führen zu Abtastproblemen. bis der Player dann womöglich vollkommen funktionsuntüchtig dasteht. Zwar hat die Laseroptik eine „Lebenserwartung“ von mehreren tausend Spielstunden. Aber Staub und Schmutz können auch hier den „Lesevorgang“ empfindlich beeinträchtigen.

Das äußert sich zunächst in zeitweisem Ausfall des Geräts, in klemmenden Schubladen, „springendem“ Laser und ähnlichem. Hohe Laufgeräusche bei einer Vielzahl von abgespielten CDs können außerdem darauf hindeuten, daß die Servo-Elektronik wegen mechanischer Dejustage ständig nachregeln muß. Bei solchem Ärger hilft nur eines: Der Player muß umgehend in einer autorisierten Service-Werkstatt überprüft und notfalls repariert werden.

Wer klug ist, kauft mit dem Gerät auch mindestens eine Service-Garantie von einem Jahr mit. Wenn in dieser Zeit Funktionsmängel auftreten, muß kostenlos repariert werden. Falls trotz Nachbesserung immer noch nichts einwandfrei funktionieren will, erhält man ein anderes Gerät — oder sein Geld zurück.

Nur eines sollte man vor dem Reklamieren sicherstellen, nämlich daß der Fehler nicht bei den „eingefütterten“ CDs liegt. Kratzer und Schmutz auf der silbrig glänzenden Spiel-Seite wirken sich fast so verheerend aus wie Beschädigungen der dünn lackierten Label-Seite!

Dem Vernehmen nach tüfteln die Chemiker schon seit geraumer Zeit an einem härteren Lack für die Beschichtung dieser Label-Seite. Solange der aber noch nicht in sämtlichen CD-Fabriken benutzt wird, lautet die Devise: Vorsicht im Umgang mit CDs!

DIE TOP 30 AUF CD

Bedauerlich, aber wahr —- und erst recht nicht mehr nachträglich zu ändern: Viele musikalische Meilensteine der letzten 30 Jahre Pop- und Rockmusik sind eher mittelmäßig bis schlecht aufgenommen und abgemischt worden.

Das hat(te) mit dem Unvermögen von Tonmeistern und Produzenten mindestens soviel zu tun, wie mit dem technischen Standard der benützten Apparaturen, in erster Linie aber wohl doch damit, was die Gruppen und Solo-Stars für sich selber je nach wechselnden Klang-Moden als „ihren“ optimalen „Sound“ betrachteten.

Den hatte der Mann am Mischpult bittesehr möglichst getreu aufs Magnetband zu bringen, selbst wenn die meisten Newcomer-Bands von den Bedingungen und Möglichkeiten eines Tonstudios etwa soviel Ahnung mitbrachten wie ein Almbauer von den komplizierten hochtechnischen Geräten im NASA-Kontrollzentrum in Houston.

Im übrigen bedeutete die Weiterentwicklung der Produktionsmittel und der Aufnahmeapparaturen durchaus nicht automatischen Fortschritt in Sachen Klangästhetik. Oder um’s konkret zu sagen: Obwohl es in den frühen siebziger Jahren weder Synclavier noch Fairlight gab. mutet der Computer-Pop der achtziger Jahre fast ausnahmslos rückschrittlicher und eindimensionaler an als etwa der frühe High Tech-Pop von Steely Dan.

Um der Wahrheit die Ehre zu geben: So manche frühe Rock ’n‘ Roll-Aufnahme der Mono-Ära klingt auch heute noch einfach besser als vieles, was in den sechziger Jahren trotz besserer Voraussetzungen oft an dilettantischem Pfusch abgeliefert wurde. Die Beatles hatten das Glück, von einem Veteranen und Könner seines Metiers produziert zu werden. Viele andere Möchtegern-Produzenten wie Stones-Manager Andrew Loog Oldham waren dagegen nur blutige Anfänger, die nicht mal ein Minimum an technischem Wissen mitbrachten. Wenn da wider alle Wahrscheinlichkeit passable Resultate herauskamen, war das das Verdienst vorerst namenloser Techniker a la Glyn Johns oder Alan Parsons, die rasch lernten, wie man am Mischpult zaubern konnte.

Konsequenz: Unter den nachfolgenden Empfehlungen findet sich ein halbes Dutzend CDs mit exemplarisch aufgenommenen und optimal „restaurierten“ Rock-Oldies der Gründerjahre.

Bei den „Top Thirty“ habe ich mich bewußt auf exzellente Aufnahmen der siebziger und achtziger Jahre beschränkt, nachdem die meisten Top-Aufnahmen der sechziger Jahre —- egal ob Van Morrisons ASTRAL WEEKS und frühe Joni Mitchell,Beatles oder Fairport Convention usw. usw. -— noch immer nicht auf der Silberscheihe ihrem tatsächlichen Rang entsprechend vorgelegt wurden.

Damit der Händler nicht Wünsche abwimmeln kann mit der Behauptung, die betreffende Aufnahme gebe es nicht, sind jeweils die Bestellnummern angeführt. Bei den mit * gekennzeichneten Importen aus England und Japan, USA oder Frankreich gibt es zeitweise Lieferschwierigkeiten. Wer sich die für seinen weihnachtlichen Geschenktisch vormerkt, sieht sich besser frühzeitig um und fragt bei gut sortierten größeren Fachgeschäften nach.

Dali die CD-Regale zur Jahreswende hin wieder ausgeräubert sein und größere Lücken aufweisen dürften, ist angesichts der vorerst noch begrenzten Fertigungskapazitäten der CD-Hersteller mit ziemlicher Sicherheit zu erwarten.

„DYNAMISCHE“ TONABNEHMER AUF DEM VORMARSCH

Diese Statistik hat vermutlich seihst Fachleute überrascht: Während man bei Klassik-LPs beachtliche prozentuale Einbußen hinnehmen mußte und die Zahl der 1986 verkauften Pop-CDs gegenüber dem Vorjahr praktisch verdoppelte, sank der Anteil hochpreisiger Pop-LPs nicht mal um drei Prozent! In absoluten Zahlen werden immer noch knapp siebenmal mehr Pop-LPs als -CDs verkauft. Die Kapazitäten der bundesdeutschen Plattenpresser waren schon seit August restlos ausgebucht — auch ein Indiz dafür, daß der deutsche Käufer mit der technischen Qualität der hierzulande gefertigten Vinylscheiben durchaus zufrieden ist. Der herkömmliche Analogplattenspieler dürfte so schnell nicht aus der Mode kommen …

Nur die Gerätehersteller wollten das offenbar nicht so recht glauben; Selbst bei Plattenspielern der Klasse zwischen 400 bis 900 Mark liefern die meisten inzwischen Tonabnehmer mit, die in der Herstellung so etwa zwischen 3,50 und 5 Mark kosten! Überwiegend also „Fräsen“ von miserabler Qualität, die man seinen Platten und dem größeren Hörgenuß zuliebe am besten sofort gegen einen höherwertigen Tonabnehmer auswechselt. Abtastsysteme besserer Qualität gibt es mittlerweile — wohl dank des schärfer werdenden Wettbewerbs zu CD — zu erstaunlich günstigen Preisen.

Ganz im Trend liegen dabei sogenannte „dynamische“ Tonabnehmer, die man problemlos an jedem normalen Phono-Eingang betreiben kann, weil sie wegen der hohen Ausgangsspannung keine zusätzliche Verstärkung benötigen. Diese MC-Systeme, die nach dem Prinzip der „bewegten Spule“ funktionieren, bieten bei Preisen zwischen 120 und 200 Mark in ihrer Technik und der letztlich zählenden Wiedergabequalität einen entschieden besseren Gegenwert fürs Geld als vergleichbare Magnetabtaster, die Probleme mit vielen derzeit angebotenen Verstärkern haben.

Seit einiger Zeit gelten nämliche postalische Vorschriften bezüglich der Störstrahlfestigkeit von Verstärkern, die herkömmlichen Magnetsystemen das Leben schwer und guten Klang fast unmöglich machen. Die Hersteller sehen sich gezwungen, hohe Kapazitäten in die Phono-Eingänge der Verstärker einzubauen. Solche Kapazitäten aber führen bei den sogenannten MM-Systemen zu beträchtlichen Frequenzgang-Beeinflussungen und letztlich zu Höhenabfall, dumpfem und verwaschenem Klang. Die MC-Abtaster dagegen lassen solche Kapazitäten kalt, sie funktionieren trotzdem in sehr guter Klangqualität.

Voraussetzung ist dafür allerdings nach wie vor, daß Montage und Fein-Justage des Tonabnehmers so penibel und fachmännisch wie möglich erfolgen. Auflagedruck. System-Überhang und Antiskating müssen korrekt eingestellt werden, um optimale Werte und verzerrungsfreie Wiedergabe auch bei hoch ausgesteuerten Plattenschnitten — nicht zuletzt bei sehr „laut“ überspielten Maxi-Singles! — zu gewährleisten. Dieser ganze Trend zu hohen Schneidpegeln bei schwarzen Scheiben ist zwar spinnig und technisch widersinnig, aber weil man weithin auch in deutschen Schneidstudios diesem Modetrend folgt, muß man als Plattenkäufer dem gerecht werden und beim Kauf eines Tonabnehmers größten Wert auf hohe Abtastfähigkeit legen.

Der immer härtere Konkurrenzdruck hat dazu geführt, daß Hersteller wie Denon und Elac, Ortofon und Yamaha hochwertige Tonabnehmer anbieten, die in dieser Qualität noch vor wenigen Jahren doppelt so. teuer waren! Bei optimaler Justage beträgt die zu erwartende „Lebensdauer“ solcher Systeme immerhin zwischen 800 und 2000 Spielstunden, vorausgesetzt natürlich, daß man nicht durch unvorsichtigen Umgang den Nadelträger beschädigt.