„Es Gibt Schlimmeres Als Blur“


Beim entspannten Plauderstündchen mit Musik gewinnen Pavement sensationelle Erkenntnisse.

Beinahe zwei Jahre sind vergangen, seitdem Pavement die Welt mit ihrer letzten Platte beehrten. In der Tat haben sich die fünf Mitglieder nach der Veröffentlichung ihres ’95er Albums ‚Wowee Zowee‘ und dazugehöriger Tour erstmal in ihre Privatsphäre zurückgezogen. Doch nun ist es aus mit der verdienten Ruhe. „The Steve Malkmus Group“ hat ihr fünftes Album ‚Brighten The Corners‘ veröffentlicht. Während drei Fünftel der Band für Interviews durch Europa reisen, nutze ich die Gelegenheit, die inoffiziell anerkannten Pop-Experten Steve Matkmus, Mark Ibold und Bob Nastanovich mit einigen bunt gemischten Songs zu konfrontieren und nebenbei zu erfahren, was sie so in den letzten zwei Jahren getrieben haben.

Szene: Eine Hotelbar irgendwo in Berlin. Aus den Lautsprechern eines Ghettoblasters bollert ‚Born Slippy‘ von Underworld. „Ist das nicht aus diesem ‚Trainspotting‘-Film?“, vermutet Steve Malkmus. Mark Ibold: „Ja klar, jetzt, wo der Beat einsetzt – den Rumms kenn ich. Die Typen in der Wohnung unter mir gehören zu den Leuten, die nur zwei oder drei CDs pro Jahr kaufen. Eine davon war der ‚Trainspotting‘-Soundtrack. Den muß ich mir jetzt rund um die Uhr mitanhören.“ Als nächstes ‚Tattva‘ von Kula Shaker. Während Steve gleich vom ersten Takt an groovt, warten Mark und Bob erstmal ab. „Das ist wirklich ziemlich cool“, meint Malkmus. „Hört sich so an, als wäre es ziemlich hip in England“, mutmaßt Bob und Malkmus bestätigt: „Oh ja. Dämon (Albarn; Anm. d. Verf.) kann es allerdings nicht ausstehen.“ Dazu sollte man wissen, daß Malkmus kürzlich ein paar Tage im Hause Albarn nächtigte und der Blur-Frontmann dieses Ereignis auch gleich der englischen Musik-Postille NME mitteilte, samt der Behauptung, Steve Malkmus fände das neue Blur-Album prima. „Nun ja“, druckst Malkmus herum, „sagen wir es so: es gibt schlimmere Bands als Blur.“

Während Gelegenheitsschlagzeuger und Mädchen für alles Bob Nastanovich zu Schwärmereien über seine Leidenschaft für Wetten und Pferderennen im Speziellen anhebt, dreht Malkmus plötzlich Pirouetten durch die Hotelbar. Motiviert dazu hat ihn ‚Die Welt kann mich nicht mehr verstehen‘ von Tocotronic. „Das klingt doch sehr nach Green Day“, verkennt Mark Ibold die Lage. Sehr zur Entrüstung von Malkmus: „Mensch, das sind Tocotronic. Die waren doch auch auf diesem Big Cat-Sampler, oder? Ich hab gehört, daß sie einen Preis von dem Musiksender ‚Viva‘, verweigert haben. Das ist doch cool.“ Bei Ibold fällt der Groschen: „Ich glaube, von denen habe ich auch schon mal was gehört, als ich letztes Jahr mit Blumfeld auf Tour war.“ Zum Zeitvertreib folgte Pavements Bassist den Hamburgern nämlich auf ihrer letzten Tournee – als T-Shirt-Verkäufer. Dabei machte er sich in Dresden unter anderem auf die Suche nach dem Geburtshaus seiner Mutter. „Ich war mir eigentlich sicher, daß es schon längst nicht mehr steht und im Krieg zerbombt wurde, aber es war noch da und selbst die Schule, in der meine Mutter unterrichtete, gibt es heute noch. Das hat mich ziemlich beeindruckt“, sagt Mark. Ob er deutsch sprechen kann? „Als Kind konnte ich nur deutsch sprechen, aber mittlerweile habe ich fast alles verlernt, vermutlich kann Bob besser deutsch als ich.“ „Das glaube ich zwar kaum“, grinst Bob, „aber immerhin gibt’s bei uns in der Nähe ein Dorf, das Schnitzelburg heißt.“ Auch Sänger, Gitarrist und Songwriter Steve Malkmus trieb es in der Bandpause durch die Gegend. Die meiste Zeit verbrachte er mit dem Umzug aus New York zurück in seine Heimat Kalifornien. „Ich mußte einfach aus dieser Stadt raus“, kommentiert der Mann mit dem Faible für Strickpullis knapp.

Musikalisch ist man mittlerweile bei ‚Kids Are United‘ in der Version von Atari Teenage Riot angelangt. „Hört sich an wie etwas, das Kinder mögen oder Frauen im Fitneßstudio oder Männer in englischen Pubs.“ Und wieder ist es Steve, der den richtigen Riecher hat: „Das ist doch etwas von diesem Berliner Hardcore-Techno Label DHR, nicht wahr? Die sind in Amerika gerade total angesagt, aber mir persönlich gefällt Shizuo besser als Atari Teenage Riot.“ Zu guter letzt noch ein Versuch mit Mouse On Mars und dem Song ‚Bib‘. Jetzt ist sogar die wandelnde Musik-Enzyklopädie Malkmus ratlos: „Goldie? Prodigy?? LTJ Bukem???“ Nach der Auflösung des Klangrätsels glänzt er aber doch noch: „Die sind auf dem Too Pure-Label. Ich mag sie, aber sie sind nicht so gut wie Kula Shaker.“ Und Bob und Mark seufzen unisono: „Es ist frustrierend. Immer weiß er alles.“