Foo Fighters: Crisis?


Was war nur mit den Foo Fighters los? Immer wieder verschobene Deadlines und die Konzentration der vier Bandmitglieder auf Nebenprojekte heizten die Gerüchteküche an. Nun reagieren Dave Grohl & Co mit ihrem vierten Album.

Man musste Schlimmstes befürchten, schließlich waren die Vorzeichen alles andere als gut: Als die Foo Fighters im Juli kurzfristig und überraschend Journalisten nach Dublin einladen, damit die sich dort ganze vier Tracks anhören dürfen, die dann vielleicht im Oktober, vielleicht irn November veröffentlicht werden sollen, riecht alles mehr als verdächtig. Die ganze Aktion wirkt überstürzt, übers Knie gebrochen. Sie scheint all das zu bestätigen, was über die Postgrunge-Megastars in den letzten Monaten spekuliert worden war. Und spekuliert wurde über nicht weniger als das Ende der Foo Fighters.

Es sieht nach außen so aus, als habe die Plattenfirma genug und deshalb die Band an die kurze Leine genommen. So nach dem Motto: „Jungs, was ist mit dem Album geht überhaupt was vorwärts? Wir müssen jetzt dringend ein Zeichen setzen, dass noch alles okay ist. Ihr gebt jetzt Interviews, Punkt. Und ihr zeigt irgendwas vor, egal was. Kommt zu Potte. Ausrufezeichen!“ Man kann sich die Angst in der Firma bildlich vorstellen. Hier droht ein Millionenseller gegen die Wand zu fahren, hätte doch der vierte Longplayer der Foos schon längst in den Läden stehen sollen, wenn alles nach Plan gelaufen wäre. Stattdessen: Immer neue Verschiebungen. Sogar Gerüchte, wonach sich Drummer Taylor Hawkins beim letztjährigen Reading-Festival eine Überdosis gesetzt habe, verdichteten sich. Böse Omen.

Im Frühjahr war Dave Grohl plötzlich wieder allgegenwärtig – außer bei seiner eigenen Band. Am meisten Aufsehen erregte sein Einstieg als Drummer bei den Queens Of The Stone Age, deren Zeitpläne er offensichtlich über die seines eigenen Quartetts stellte. Beim QOTSA-Nebenprojekt Mondo Generator durfte er natürlich auch nicht fehlen, im Tenacious D-Video „Tribute“ gab er einen überzeugenden Teufel… doch weit und breit nichts Neues von den Foo Fighters. Hatte Dave das Interesse verloren?

Wohl nicht: Schon die vier unfertigen Tracks, die der ME an jenem Julinachmittag auf dem Balkon eines Dubliner Hotels anhören kann, nehmen jedem Schwarzmaler die Argumente. Sie gehören zum Besten, was Dave Grohl je veröffentlicht hat (und, ja, das beinhaltet auch diese Band mit N, in der er einst war). Die Single „All My Life“ beispielsweise hat den gleichen Crunch wie die Queens Of The Stone Age, eine zackig-fetzige Stop-Start-Rhythmik, dazu einen Pop-Appeal wie Jimmy Eat World in ihren Träumen und Gitarren, die röhren wie Juan Pablo Montoya auf der Zielgeraden. Verdammt, es macht Spaß, das anzuhören, und man hört heraus, dass es ein verdammter Spaß gewesen sein muss, das einzuspielen. So klingt keine Band, die vor ihrem Ende steht.

Der Plan, die innere Zerrüttetheit der Foo Fighters aufzudecken und ihr neues Album als Pflichterfüllung der Plattenfirma gegenüber zu entlarven, ist also gescheitert, bevor das Interview begonnen hat. Sorry. Dementsprechend entspannt und zufrieden fläzen Dave Grohl und Taylor Hawkins mit den schweigsamen Nate Mendel (Bass) und Chris Shifflett (Gitarre) in den Sofas ihrer Suite und geben Auskunft über „One By One“.

„Es war so,“ hebt Dave an und erklärt die verzögerte Geburt des Werks. „Wir gingen letztes Jahr ins Studio in Virginia, wo wir auch ‚There Is Nothing Left To Lose‘ aufgenommen haben. Diesmal sollte alles perfekt werden – kurz gesagt, wir versuchten, Taylor wie eine Drummachine klingen zu lassen. Aber nach drei Monaten Herumdoktern an Details wurde es einfach langweilig, das Album verlor seinen Schwung und wir unseren Enthusiasmus. Wenn wir die Aufnahmen damals durchgezogen hätten, dann wäre es tatsächlich das obligatorische vierte Album für die Plattenfirma geworden. Also haben wir die Handbremse gezogen. Jeder von uns ist erstmal einzeln losgegangen und hat sein Ding gemacht, um den Kopf frei zu kriegen. Ein paar Monate später haben wir uns wieder im Studio getroffen und die Scheibe in zehn Tagen ohne Schnörkel eingespielt, so wie wir es von Anfang an hätten tun sollen.“

Drummer Taylor Hawkins meldet sich zu Wort: „Ich war damals einfach nicht so weit, weder körperlich noch geistig. Ich schätze mal, du hast von den Dingen gehört, die mir letztes Jahr so zugestoßen sind. Bei den zweiten Sessions war ich dann so weit… aber davor… wir haben uns nicht beinahe getrennt, aber wir waren wohl noch nie so nah dran auch die Sache mit Dave und den Queens, klar, dass ihn das mehr begeistert hat, wahrscheinlich aus gutem Grund …“

Hier sieht sich Dave gezwungen zu unterbrechen: „Es stört mich, dass sich alles so auf die Frage konzentriert, ob wir uns getrennt hoben. Wir haben uns einfach eine Pause gegönnt. Es ist völlig undramatisch. Es ist sogar langweilig. Und ich möchte, dass das so bleibt.“

Taylor rudert zurück: „Ich wollte damit nicht sagen, dass wir wirklich kurz vor der Trennung standen. Wir waren vielleicht nicht auf der gleichen Wellenlänge damals.“

Die Sache mit den Queens Of The Stone Age jedoch steht noch im Raum. Mit Dave an den Drums und Mark Lanegan an der Gitarre waren sie zweifelsfrei DIE Rockband der Sommerfestivals. Niemand würde sich wundern, wenn Dave hier die neue Priorität setzen würde. Aber er relativiert: „Die Queens waren immer die Band von Josh (Homme) und Nick (Olivieri). Alle anderen Mitglieder sind austauschbar, bei ihnen kann man ein- und wieder aussteigen, und es ist okay. Ich war nur einer von vielen Drummern in ihrer Geschichte“, spielt er sein Engagement herunter. „Aber ich hatte schon lange in keiner Band mehr Drums gespielt und wollte mir wohl auch beweisen, dass ich es noch draufhabe. Vor allem aber hat es irre Spaß gemacht und mir dermaßen die Liebe zur Musik wiedergegeben, dass ich es gar nicht erwarten konnte, unser Album aufzunehmen.“

Kurze Rückblende: Das Debütalbum „Foo Fighters“ (1995) hatte Dave noch während seiner Zeit als Drummer bei N***** begonnen und in Eigenarbeit aufgenommen. Die Reaktionen auf seine Fusion von Grunge und beatlesken Melodien waren dann so gut, dass eine Liveband aus Kumpels aus dem Seattle-Umfeld zusammengestellt wurde. Die folgenden Alben wurden – vom dem einen oder anderen Lineup-Wechsel abgesehen – von den Liveformationen eingespielt und mitgeschrieben. Aus dem Soloprojekt war eine Band geworden. Mehr noch – eine sehr erfolgreiche Band. Die Alben „The Color And The Shape“ (1997) und „There Is Nothing Left To Lose“ (1999) etablierten die Foo Fighters in den Charts und auf der MTV-Rotationsschleife. Dafür waren sie wie geschaffen – fetziger Rock, poppige Melodien, gut aussehende Typen, witzige Videos. Das wird sich wohl vorerst kaum ändern.

Dave: „Wir möchten so unbedingt eine fiese Rawk Band sein. Aber wir ziehen es nicht durch, wir bremsen uns immer selbst. Wenn ich ein Riff spiele und mir denke: ‚Mein Gott, was für ein Badass-kickass-Riff, er ist so heavy und so aggressiv und wuchtig‘ – dann fällt mir dazu unter Garantie als nächstes eine ganz süße, zarte Gesangsmelodie ein. ‚Halt, das hat gerade mein verdammtes Metallica-Riff ruiniert!‘ Genauso mit den Videos. Vor dem Dreh sagen wir: ‚Man, this is gonna kick ass!‘ Und dann verkleiden wir uns als Mädchen und schneiden Grimassen.“

„Aber genau darin liegt die Schönheit“, beschließt Taylor. Und noch etwas hat Taylor zu sagen: „Dave wird als Gitarrist total unterschätzt. Dass Shifflett ein Schredder ist, weiß jeder – doch weil Dave Ex-Drummer ist, traut man ihm nichts zu. Aber er hat die besten Rhythmen und erfindet immer neue Akkorde und Tunings.“

Immerhin einer hat’s gemerkt – David Bowie. Der bat Dave, für sein aktuelles Album einen Gitarrenpart einzuspielen. Dave: „Er schickte mir eine CD, aber die lief weder in meiner Boombox noch in meinem Stereo noch in meinem Auto. Ich war ganz konsterniert – im Studio stellte sich heraus, dass er mir eine ProTools-Session auf CD-Rom geschickt hatte. Ich habe also meinen Part eingespielt und die CD zurückgeschickt. Seitdem habe ich nichts von ihm gehört.“

Taylor: „Aber so ist er, was hast du erwartet? Er ist der Thin White Duke, Mann! Er benutzt dich, und dann spuckt er dich aus.“

Ein anderer Rockdinosaurier kommt besser weg: Brian May lässt auf dem Titel „Tired“ seine Gitarre jammern. Brian fucking May??? Taylor verteidigt: „Queen sind cool, Mann. Wir sind alte in den Eighties aufgewachsen, bei Live Aid waren sie die beste Band der Welt, sie killten alles! Und die Chicks stehen drauf, wenn sie an meinem Pool liegen.“

„Brian ist wie eines von diesen großen Plüsch-Muppets, die man in Disneyland trifft. Und er ist so nett und zuvorkommend, dass es schon fast zu viel ist, wie bei einer Großmutter,“ lautet Daves Beschreibung.

Taylor: „Er hat seine Unterwäsche im Studio liegen lassen. Ich hab sie noch.“

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