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Janet Jackson brachte sie Platin. Jetzt starten die Producer Jam & Lewis eine eigene Plattenfirma.

Sauwetter in Minneapolis: Der Regen an diesem kalten Sommertag läßt den langgestreckten Flachbau in diesem tristen Industriegebiet noch anonymer als sonst erscheinen. Von außen deutet nichts darauf hin, was sich hinter den braungrauen Mauern verbirgt — erst das Neon-Logo in der Rezeption verrät, daß dies kein normales Bürogebäude ist: Es beherbergt die legendären Flyte-Tyme-Studios, in denen mit Jimmy Jam und Terry Lewis eines der erfolgreichsten Produzenten-Duos des vergangenen Jahrzehnts residiert. Tagsüber mimen die beiden dort den Manager, danach wird bis morgens um fünf oder sechs im Studio gearbeitet.

Die Erfolge dieser Nachtschichten sind im Flyte-Tyme-Headquarter unübersehbar dokumentiert: An der Wand des Konferenzzimmers prangen über 30 Gold- und Platin-LPs, ein geräumiges Eckregal ist vollgestellt mit funkelnden Pokalen, Ehrenplaketten und einer Unmenge weiterer Auszeichnungen, darunter der US-Schallplatten-Oscar Grammy.

Wenn sie Besuch erwarten, treten die beiden Bosse an ihrem Flyte-Tyme-Arbeitsplatz prinzipiell nie ohne Anzug, Schlips und Hut auf. Doch hinter dem geschäftlich/mafiosen Auftreten verbergen sich keine zynischen Busineß-Manager. — Jam/Lewis sind immer noch voller Enthusiasmus, wenn es um ihre wahre Leidenschaft, die Musik, geht. Konsequenterweise gingen sie beim ersten Act, den sie für ihr neugegründetes eigenes Platten-Label „Perspective Records“ (Vertieb: A&M) auswählten, bewußt nicht auf Nummer verkaufs-sicher. Anstatt sich mit ihrer geballten Qualifikation im Flyte-Tyme-Studio einen garantierten Kommerz-Knaller zurechtzubasteln, gaben sie beim Perspective-Debüt einem Chor aus ihrer Heimatstadt eine Chance. Und die wurde genutzt:

Sounds Of Blackness, 30 Sänger und ein zehnköpfiges Orchester, präsentieren auf ihrem mittlerweile auch in Deutschland veröffentlichten Album THE EVOLUTION OF GOSPEL einen brillanten Querschnitt der afroamerikanischen Musikszene, von Gospel über Rhythm & Blues bis Hip Hop.

„Die ‚Sounds‘ verkörpern genau die Bandbreite, die wir mit unserem Label anbieten wollen — uns geht es einfach nur um gute Musik, ohne zu sehr auf Kategorien zu achten“.

Jimmy Jam ist der gesprächigere der beiden, während Terry Lewis zumeist mit einem amüsierten Lächeln auf den Lippen wie ein unbeteiligter Beobachter danebensitzt. „Als Produzenten bekommen wir unsere Acts meist von anderen angeboten. Mit Perspective haben wir endlich die Chance, selbst Künstler auszuwählen. “ Wobei die frischgebackenen Label-Chefs nicht an willfährigen Marionetten interessiert sind, denen sie als Produzenten ihren Markenzeichen-Sound aufdrücken können:

„Wir suchen vor allem Acts, die ihre Songs selbst schreiben und sich auch allein produzieren können.“

Bei den Sounds Of Blackness — bei denen einst auch Alexander O’Neil mitsang – überließen Jam/Lewis die Regie größtenteils dem Bandleader Gary Hines, den sie schon lange kannten. „Wir sind mit den ,Sounds‘ aufgewachsen“, berichtet Jimmy Jam. „Als wir vor ein paar Jahren zusammen mit Janet Jackson eins ihrer Konzerte besuchten, gefiel es auch Janet so gut, daß wir uns die Frage stellte, yvarum die Sounds Of Blackness noch keinen Deal hatten.“ Sounds-Chef Gary Hines erwidert das Kompliment: „Die Arbeit mit Jimmy und Terry war für uns wie ein wahrgewordener Traum — auf vier Stücken haben sie selbst mitgespielt. Alle Well redet von ihren Fähigkeiten ab Prodiaenten. Dabei sind sie auch erstklassige Musiker.“

Als nächste Band aus dem Jam/Lewis-Künstlerstall soll Mind Condition vorgestellt werden — eine junge Formation aus Minneapolis‘ Zwillingsstadt St. Paul, die laut Jimmy Jam live „gnadenlos gut‘ ‚ist: „Mitten in den härtesten Funk-Jams bringen sie plötzlich ein Piano-Solo im Stil von Thelonious Monk!“

Nachwuchsförderung schon und gut, aber was machen Jam/Lewis denn nun mit all den Millionen, die sie mit ihren Platm-Produktionen verdient haben? „Du brauchst Dich nur hier im Studio umzusehen“, antwortet Jimmy Jam mit einer ausladenden Geste, „wir investieren unser Geld wieder zunick in die Arbeit. Wir sehen sie nämlich nicht als Job, sondern als Privileg. Wir wollen unser Studio dazu nutzen, die nächste Musikergeneration mit heranzuziehen. Wobei ich nicht sagen will, daß wir nicht komfortabel leben …“ fügt der Ferrari-Fan (und -Sammler) hinzu.