Hair: Musical“HAIR“ nun auch in Hollywood


Nach zahlreichen, hauptsächlich finanziellen, Schwierigkeiten ist es endlich soweit: Holland hat eine eigene Version des berühmten, um nicht zu sagen berüchtigten, Amerikanischen love-rock tribal musical „Hair“. Wir sagen absichtlich „Holländische Fassung“, weil die , hiesige Aufführung sehr stark von der anderer Länder abweicht. Dies besagt jedoch keineswegs, dass Holland im Hinblick auf diese anderen Länder im Nachteil ist. Keine andere Fassung von „Hair“ als gerade die Holländische, kommt der ursprünglichen Version so nah. Andererseits ist die Bezeichnung „Holländische Version“ ein wenig irreführend, weil man leicht annehmen könnte, dass es nur eine strikt holländische Angelegenheit betrifft, mit ausschließlich holländischen Mitarbeitern, die das Musical vollständig in holländischer Sprache aufführen. Das ist jedoch ganz und gar nicht der Fall. Im holländischen „Hair“ sind viele Nationalitäten vertreten, und zwar: Amerikaner, Engländer, Holländer, ein Afrikaner, ein Cubaner, eine Spanierin, eine Schweizerin, eine Österreicherin sowie eine Französin. Indessen die Texte hauptsächlich in Englisch abgefasst wurden. Ab und zu eine Zeile in Holländisch oder ein holländisches Lied, mehr aber auch nicht. Der englische Regisseur Victor Spinetti, selbst ein bekannter Akteur, der u.a. in dem Beatlesfilm „A Hard Day’s Night“, „Help“, und „Magical Mystery Tour“ mitgewirkt hat, hat absichtlich diesen internationalen Cast einem ausschließlich holländischen vorgezogen, weil dies mehr der ursprünglichen Idee von „Hair“ entsprach.

OPTIMALE IMPROVISATION

Dieses Musical verkündigt nämlich die Botschaft der Liebe, Freiheit, Aufrichtigkeit und des Glücks. Begriffe, die mit Nationalität oder Hautfarbe nichts zu tun haben. Diese Botschaft wirkt noch überzeugender, wird sie von einer internationalen Gesellschaft gebracht, die diese Begriffe in Bezug auf ihre eigene Persönlichkeit ohne die mindeste Zurückhaltung aufzubringen weiß. Damit die Botschaft ihre Wirkung auch nicht verfehlt, lässt Spinetti seinem Cast völlig freie Hand für eine optimale Improvisation und Ungebundenheit. Durch diese Freizügigkeit erhoffte er sich, dass seine Leute jeden Abend erneut mit frischen Enthusiasmus und stets neuer Aufrichtigkeit und Überzeugung ihre Rolle spielen würden, was ihm zweifelsohne auch gelungen ist. Oliver Tobias, einer der Hauptdarsteller, kam es vor, als ob er seine Rolle zum ersten Mal spielte, obwohl er dieselbe im „Englischen Hair“ schon 400 Mal interpretiert hatte. Er verließ das „Englische Hair“, weil die berufsmäßige Routine, mit der der Cast schließlich auf der Bühne ans Werk ging, die eigentliche Beredsamkeit des Musicals völlig zunichte machte.

Durch die Improvisationsfreiheit wollte Spinetti vermeiden, dass sich seine Leute zu Routinemenschen entwickelten. Sicherheitshalber hat er jedem Mitglied seiner Truppe alle Rollen einstudieren lassen, so dass sie im Falle eines nachlassenden Enthusiasmus ihre Rollen untereinander vertauschen können.

HAIR-THEATER

Dank der Improvisationsfreiheit gelang es der Gesellschaft, dieses Musical innerhalb eines Monats einzustudieren. Gewiss eine sehr kurze Zeit. Aber die Premiere am 2. Januar d. J. hat gezeigt, dass dieser ein Monat wirklich ausreichte, um eine fesselnde, vor allem jedoch ergreifende Vorstellung zu bringen. Dass die Premierenvorstellung doch noch Unvollkommenheiten aufwies, lag dann auch keineswegs an den Darstellern. Diese Unvollkommenheiten waren rein technischer Art. Die Vorstellungen fanden nämlich in dem ,Hair-Theater‘, einem großen Gebäude neben dem Olympischen Stadion in Amsterdam, statt. Dieses Gebäude, das in England bereits drei Jahre als Filmtheater gedient hat, eignete sich dank Sphäre ausgezeichnet für ein Musical wie „Hair“. Besonders nachteilig war jedoch die schlechte Akustik, wodurch unverstärkte Laute bereits verloren gingen, bevor sie überhaupt das Publikum erreichten. Natürlich kann ein solches Übel durch eine gute Lautsprecheranlage beseitigt werden. Bei der Premiere von Hair war die Lautsprecheranlage zwar potentiell hinreichend; durch die kurze Vorbereitungszeit hatte man jedoch keine Gelegenheit gehabt, alle Mikrophone gut auszubalancieren. Hierdurch waren die gesprochene Texte beinahe unverständlich. Trotzdem war diese Vorstellung großartig. Allein schon wegen ihrer phantastischen Musik, aus der bereits verschiedene Hits wie: „Ain’t Got No -I Got Life“, „Hare Krishna“, „Aquarius“, „Frank Mills“, „Let The Sunshine In“ und der Titelsong „Hair“ hervorgegangen sind.

FOCUS IN „HAIR“

Die Musik des „Holländischen Hair bringt uns gleichzeitig zur Einführung einer neuen niederländischen Popgruppe „FOCUS“, die für dieses Musical zusätzlich 3 Bläser, einen Schlaggitarristen und einen Bongo-Spezialisten erhielt. Focus ist für die Zukunft sehr vielversprechend. Bei den sich hinter diesem Decknamen verborgen haltenden Musikern handelt es sich nämlich um alte Fachleute, die sich ihre Sporen auf dem Popgebiet bereits verdient haben. Focus setzt sich zusammen aus dem früheren Thijs van Leer Trio: Thijs van Leer/Orgel, Martijn Dresden/Bassgitarre, Hans Cleuver/Schlagzeug, sowie einem der besten Sologitarristen, wenn nicht dem besten, den Holland kennt: Jan Akkerman. Speziell um gemeinsam mit dem Thijs van Leer Trio FOCUS gründen zu können, verliss Jan voriges Jahr die Brainbox. Er ist nämlich der Ansicht, dass er seine Ideen mit dieser neuen Gruppe besser entfalten und verwirklichen kann. Ende Januar hat die Gruppe ihre erste LP aufgenommen, die in Kürze erscheinen wird. Die Reputation der Focus-Mitglieder ist so groß, dass wir die Single, die von dieser LP gezogen wird, im voraus schon als eine shure shot für die Hitparaden zu tippen wagen. Wir werden daher in absehbarer Zeit ausführlicher auf die Gruppe FOCUS zurückkommen.

Was schließlich „Hair“ betrifft: Die holländische Ausführung dieser amerikanischen love-rock tribal musical ist sehr empfehlenswert. Die technischen Unvollkommenheiten des Premiereabends werden inzwischen der Vergangenheit angehören, so dass sich ein Weg zum „Hair-Theater“ gewiss lohnen wird.