Heart – Detroit, Joe Louis Arena


Heart hatte in der Hardrock-Hierarchie schon immer einen besonderen Platz. Zunächst einmal deshalb, weil die Band von zwei Frauen dirigiert wird – und das schon zu einer Zeit, als die Aufgabe einer Frau in der Rockwelt noch vorwiegend darin bestand, bei Konzerten von der ersten Reihe aus den männlichen Unterleib zu bestaunen. Die beiden haben bis heute unbeirrt weitergemacht, obwohl die weiblichen Rocker Mitte/Ende 30 normalerweise längst in Pension sind. Darüberhinaus ist ihre Musik partout nicht einzuordnen: einmal sott mit einem Hauch Folklore und Alt-Hippietum. ein anderes Mal ist sie so metallisch schwer wie Mötley Crue. Die Band hat weit über zehn Jahre auf dem Buckel und diverse Umbesetzungen 4 und Trends gut überlebt; die Gold- und g Platin-Scheiben füllen inzwischen einen s Einkaufswagen. Nach einer kurzen Phag se der Irritation bei Plattenfirma, Mana-I aement und Publikum zu Beginn der 80er haben sie mit zwei ihrer erfolgreichsten Alben, HEART und BAD ANIMALS. ein klassisches Comeback geschafft.

In ihren jüngsten Videos sehen die Wilson-Schwestern zwar glamouröser aus als früher, passen aber auch besser zueinander: Ann ist nicht mehr der Vamp. Nancy nicht mehr die Märchenprinzessin. Auf der Bühne hingegen geben sie sich völlig schlicht. Im Vergleich zu Heart tragen die meisten männlichen Heavy-Rocker höhere Absätze und verrücktere Kostüme. Die Band ist ganz in schwarz, die Bühnenkulisse wirkt eher karg, hier und da ein paar Podeste und Rampen mit rotem Geländer. Der Sound ist voluminös und gleichzeitig transparent, genau das richtige für diese Flugzeughallen, die die Amerikaner so gern als Konzerthallen bezeichnen.

Die beiden ersten Stücke sind „Bad Animals“ und „Barracuda“; dem Gitarren-Altprofi Howard Leese gelingt es. ein Mini-Solo unterzubringen. Nancv Wilson schüttelt derweil am Bühnenrand einige Hände. Anns Gesang steht noch immer im Mittelpunkt. Nicht umsonst, denn er gibt den Songs die sexuelle Spannung, die offensichtlich besonders die 13jährigen Jungs in den vorderen Reihen fasziniert: der Speichel scheint ihnen fast schon aus den Mundwinkeln zu tropfen. Diesem Teil des Publikums ist auch das folgende Stück „Nothing At All“ gewidmet, das Ann mit einem dreckigen Lachen intoniert.

Den ebenso hingebungsvollen Mädchen ist dann „I Want You So Bad“ zugedacht: Die Keyboards, von Nancy und Howard bedient, stehen auf Plattformen; kitschiges weißes Licht mit Gewitter-Effekten regnet auf sie herunter. Die Harmonien lassen an eine Metal-Version der Mamas und Papas denken. Wir hören langsamere Titel wie „These Dreams“. eher an der Grenze zum Mainstream einzuordnen, dann ihre majestätisch klingenden Balladen wie „What About Love“ und „Never“ sowie härtere Stücke wie „Who Will You Run To“, bei dem sich Howard und Nancy ein nicht besonders dynamisches Gitarrenduell liefern. Nur eine akustische Gitarre begleitet Ann und Nancy, als sie „Dreamboat Annie“ singen – der erste Song, den sie überhaupt geschrieben haben; zum Schluß glänzt Ann mit einem Flöten-Solo. Das junge Publikum, das bei Veröffentlichung noch nicht mal schulpflichtig war. ist begeistert.

Die erste Zugabe, „Bebe Le Strange“, ist den Frauen des Rock gewidmet und wird von einem Led Zeppelin-Medley gefolgt: Ann ist derzeit wirklich der beste Robert Plant-Imitator! Zum krönenden Abschluß dann ihr Mega-Hit „Alone“. Alles in allem nichts Unerwartetes, aber doch unerwartet perfekt und in sich stimmig. Heart sind zurück, in alter Form und Frische.