Fotogalerie und Konzertbericht

Hozier live in Berlin: Sympathischer Typ mit Drang zum Oversharing


Im Rahmen seiner „Unreal, Unearth“-Tour trat Hozier im Berliner Velodrom auf. Fotos und Bericht hier.

Erst im August veröffentlichte Andrew Hozier-Byrne sein drittes Album UNREAL UNEARTH, das er nun im Rahmen einer ausgedehnten Europa-Tour den alten und neuen Fans vorstellt. Das an ein Raumschiff erinnernde Velodrom scheint dafür rein optisch nicht die richtige Wahl zu sein. Zu groß, zu anonym. Doch Hozier und seine achtköpfige Band sollen im Laufe des Abends (02. Dezember) beweisen, dass sie auch jede noch so große Halle zum Wohnzimmerkonzert machen können.

Voll ist es im Velodrom, der futuristisch anmutenden Mehrzweckhalle im Prenzlauer Berg, wo am Vorabend noch Moderat spielten. Das Publikum besteht wenig überraschend größtenteils aus jungen Frauen, die sich dem Charme des Musikers aus Irland für die nächsten zwei Stunden hingeben wollen.

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Das Licht im Saal erlischt und nur ein einzelner, irisierender Spot verharrt auf der ansonsten blau eingefärbten Bühne. Unter tosendem Applaus betreten Hozier und seine, noch im Dunkeln versteckte, achtköpfige Entourage aus Musiker:innen die Bühne. Hozier beginnt das Konzert unaufgeregt mit den ersten beiden Titeln der aktuellen Platte, „De Selby (Part 1 and 2)“ und zeigt hier direkt sein grandioses Talent für die ruhigen Töne, die er wie kein zweiter in der Indie-Folk-Szene beherrscht. Augenblicklich weicht das aufgeregte Getuschel im Publikum andächtiger Stille und gebannt hängt das Publikum an den Lippen des 33-Jährigen. Bescheiden, fast schon verletzlich steht er am Mikrofon, gekleidet in einen grauen Dreiteiler, den er ebenso gut aus der Mottenkiste seines Großvaters hervorgezogen haben könnte. Seine langen, braunen Locken wackeln im Takt, wenn er voller Hingabe in die Saiten seiner Gitarre schlägt und, versunken in seine Musik, mit geschlossenen Augen skandiert. „If I was any closer // I would only lose me // If I fade away, let me fade away“.

Auffallen durch Umfallen

Das nehmen einige Zuschauerinnen im Saal allzu wörtlich, denn das Konzert muss an diesem Abend gleich viermal wegen mutmaßlicher Synkopen von Fans unterbrochen werden. Am Pogo liegt es natürlich nicht, denn es gibt keinen, eher an Dehydration und den wirklich gesalzenen Preisen für Getränke in der Venue. Großes Tennis, dass der Künstler trotz seiner Versunkenheit in die Musik immer ein wachsames Auge auf seine Fans hat und so jedes Mal blitzschnell reagieren kann. Brav bedankt er sich auch für die Umsichtigkeit der Zuschauer:innen miteinander und für die Geduld beim Rest des Publikums.

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Die Setlist ist ein Hit-Potpourri aus Hoziers mittlerweile eine Dekade umfassender Karriere und umfasst nicht nur Klassiker des ersten Albums wie „Jackie And Wilson“, „Like Real People Do“ oder auch „To Be Alone“, sondern auch neue Songs wie „Francesa“ oder „Damage Gets Done“. Hozier spricht gerne und ausführlich zu seinem Publikum und so erfährt das Berliner Velodrom alles über die Kälte, die explizit und ausschließlich von gefrorenem Wasser kommen darf und im Gälischen „Uiscefhuaraithe“ heißt, ebenso wie ein Lied der neuen Platte. Außerdem wurde „Cherry Wine“, eine von Hoziers anmutigsten Balladen, in einem verlassenen Hotel nahe seinem Wohnort aufgenommen. Auch der Weihnachtsmarktbesuch in der Hauptstadt am Day off findet wohlwollende Erwähnung. Solche kleinen Anekdoten lassen Hozier direkt noch sympathischer und nahbarer wirken und Fan-Herzen höher schlagen.

Harmonische Band – im doppelten Sinne

Das allein reicht aber noch lange nicht, um ein wirklich gutes Konzert zu spielen. Dafür sorgen auch die bereits erwähnten Mitmusiker:innen, zu gleichen Teilen bestehend aus Männern und Frauen, allesamt Multiinstrumentalist:innen und international aufgestellt. Ausnehmend harmonisch im doppelten Sinne präsentiert sich diese Band um das Mastermind Hozier, baut Klangteppiche auf, um sie bombastisch zu entladen und durch den neunstimmigen Gesang schon fast orchestral zu
beleuchten.

Guter Typ

Die Highlights des Konzerts sind und bleiben aber die Hits wie „Take Me To Church“, letzter Song des regulären Sets und „Work Song“, der endgültige Rausschmeißer. In faszinierter Einheit durchfährt es auch den oder die Letzte:n im Publikum, was für ein grandioser Künstler Hozier ist. Und was für ein integrer. Bei besagtem „Take Me To Church“ lässt er sich eine LGBTQ+-Flagge aus dem Publikum reichen und performt fortan mit derselben, zuerst um seine Schultern, dann über dem Mikrofonständer.

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Es sind die kleinen Gesten, die den Unterschied machen. Auch, dass er sich fast vollumfänglich namentlich bei seiner Produktion bedankt, vom Tourmanager über den Guitar Tech bis hin zur Fotografin zeigt nur, was für ein feiner Kerl Hozier ist. So eine Kombo ist schwer zu finden und verdient nochmal einen Extra-Applaus. Der will auch nach knapp zwei Stunden Spielzeit kaum abreißen. Umd womit? Mit Recht.