Huey Lewis – Breifrei


Daß er kein Mann für Experimente ist, weiß er inzwischen auch. Warum Huey den stilistischen Brei früherer Jahre wieder von seinem Menü strich, erklärte er in Miami ME/Sounds-Mitarbeiter Martin Scholz.

Die Video-Clips würde ich mir gerne schenken, den Interview-Marathon, ehrlich gesagt, auch“, grinst Huey Lewis und beobachtet interessiert den Monsun-Schauer, der gerade auf Miami herniederprasselt. In zwei Tagen sollen die Dreharbeiten für das Video zur neuen Single „A Couple Of Days Off“ beginnen — die April-Launen im sonst so sonnigen Florida hatte man nicht einkalkuliert.

„Es gibt nun mal nicht viel über mich zu erzählen“, greift er das Thema wieder auf.

„Folglich wird oft mir lächerliches Zeug über mich geschrieben, Schlagzeilen wie Jede Nacht auf der Bühne ist wie die letzte meines Lebens‘ — so ein Scheiß. “ Früher, da habe er sich Kritiken noch zu Herzen genommen, heute sei ihm das schnurz, denn: „Die einen loben dich grundlos über den grünen Klee, die anderen rammen dich permanent in den Boden. Mal hast du ’nen Schwellkopf, mal nen Minderwertigkeitskomplex. Aber ich hob das alles hinter mir. „

An Kritiker-Lob hatte es beim letzten Album nicht gefehlt, trotzdem wurde die Scheibe ein Flop. Eingefleischte Huey-Fans konnten mit den ungewohnten Jazz- und Ska-Anleihen wenig anfangen. Das muß dem 40jährigen Wahl-Kalifonier auch aufgefallen sein. Mit HARD AT PLAY schwimmt er deshalb wieder im alten Fahrwasser, serviert knackigen Geradeaus-Rock und fingerschnippende Balladen. So kennt man ihn. Also in Zukunft keine Experimente mehr?

„Wir sind und waren hauptamtlich immer eine Rock ’n Roll-Band. SMALL WORLD hat mir viel Spaß gemacht, aber ich wußte von Anfang an, daß ich damit keinen Hit landen würde“, meint Huey. „Das Material war auch nicht so live-tauglich wie unsere alten Songs. Die Band ist jedenfalls happy, daß es wieder richtig abgeht.“

Völlig hat sich der hemdsärmelige Naturbursche neuen Strömungen aber nicht verschlossen; bei Songs wie „Attitüde“ und „Do You Love Me Or What?“ verbindet er kratzbürstigen Charme mit Dancefloor-Grooves. Huey goes Hip Hop?

„Ich glaube nicht, daß es unsere Musik direkt beeinflußt hat, aber nichtsdestotrotz: Ich steh auf Hip Hop. Rap ist auch nicht übel, aber Hip Hop ist besser. Da steckt mehr musikalische Essenz drin. Es gibt für mich ohnehin nur zwei Arten von Musik — gute und schlechte. Das gilt für Rock ebenso wie für Hip Hop.“

Seine beiden Kinder, Austin (5) und Kellv (7). stehen auch auf Hip Hop, Madonna und — natürlich — ihren Dad. Huey setzt ein breites Grinsen auf, seine Kids sind für ihn das Größte. „In zwei Monaten ziehen wir von San Francisco nach Montana in die Berge. Dort gehen sie dann zur Schule. Das wird großartig, ein kleines Städtchen, ringsherum die Natur“— Huev gerät ins Schwärmen.

In vielen der neuen Songs klingt er allerdings weil weniger romantisch. Er habe über die Stränge geschlagen, röhrt er. sich dumm und dämlich gesoffen, jetzt müsse er „bad family stuft“ durchmachen — „looks like I’m outa luck“. Das hört sich doch eher nach dem üblichen Beziehungsfrust allzu geschäftiger Rock-Stars an …

„Well“, holt Huey aus und schnieft sich erstmal den Rotz hoch, „nach der letzten Tour habe ich privat ’ne harte Zeit durchgemacht, aber jetzt ist alles wieder im Lot. Mein Privatleben könnte nicht besser sein. Einige der Songs haben diese Phase reflektiert. „

Er mag es gern harmonisch. Als Familienmensch, Kumpel von nebenan und ehrliche Haut in Jeans, Stiefeln und T-Shirt gefällt er sich am besten. An ähnlich hehre Ideale haben sich schon viele seiner Kollegen geklammert, bis sie von der Realität eingeholt wurden. Doch Huey will davon nichts wissen. „Den Höhepunkt meiner Popularität hatte ich 84/85, danach flachte die Hysterie immer mehr ab — und das war das Beste, was nur passieren konnte“, seufzt er zufrieden. „Ich kann immer noch meine Musik machen, Konzerte geben, ohne mich mit diesem Fanatismus rumschlagen zu müssen. Nein, die Star-Schiene war nie sehr spaßig.“

Trotzdem: Mit guten Songs allein, das weiß auch er. ist heute kein Blumentopf mehr zu gewinnen, geschweige denn mit dem Image vom treusorgenden Familienvater aus den Bergen. Und die Videos allein, die er nur widerwillig dreht, garantieren noch keine Präsenz im US-Markt-bestimmenden Musik-Kanal MTV. „Was sich da abspielt, ist eine Schande, aber der Rock V Roll wird trotzdem daran nicht zugrunde gehen. “ Und er glaubt auch zu wissen, warum. Die Zukunft des Rock ’n‘ Roll, so Huey. läge nämlich in Europa. „Amerika hat seine eigene Kultur nie sehr nett behandelt. Deshalb sind die alten Jazz-Größen auch alle nach Europa ausgewandert — dort fanden sie Anerkennung. Mit dem Rock V Roll ist es genauso.“

Als Beweis für seine Theorie kramt er ein paar Anekdoten hervor. 1984, als er mit „Sports“

Platz eins der US-Charts belegte, ging er nicht in den Staaten, sondern in Europa auf Tour, obwohl er dort zu dem Zeitpunkt ein unbeschriebenes Blatt war.

„Mein Manager ist fast zusammengebrochen. Aber es hat sich letztlich ausgezahlt. Die Europäer gehen da objektiver ran, wissen die Musik mehr zu schätzen. Und diese Rückkoppelung brauche ich als Musiker. „

Die Faszination für die Alte Welt kommt nicht von ungefähr: Als 16jähriger war Huey mit Rucksack und Mundharmonika kreuz und quer durch Europa getrampt:“.Eine wilde Zeit. In Marokko bin ich drei Monate hängengeblieben — weil ich so stoned war. Unterwegs habe ich ständig Mundharmonika gespielt, 12-14 Stunden am Tag. Ich sah mich schon als Linie Walter, dabei spielte ich anfangs ziemlich mies. Und als ich in die Staaten zurückkam, mußte ich erkennen, daß ich bestenfalls Durchschnitt war. Aber war macht das schon, wenn du vorher der beste Mundharmonikaspieler Spaniens warst“, grinst er und lächelt über die gute alte Zeit.

„In Deutschland habe ich’s allerdings nicht lange ausgehalten, da war mit Mundharmonika-Spielen kein Blumentopf zu gewinnen. Spanien war auch hart — schließlich war Franco zu der Zeit noch an der Macht. Und Paris, mein Gott, die Studentenunruhen, Vietnam, der rote Dani – und jeder war stoned. “ Huey. der Alt-68er.

Zum Polit-Rocker hat sich das Rauhbein dann trotzdem nicht entwickelt. Gut. er singt schon mal für „USA For Africa“ und streut hier und da Sozialkritisches ein — damit hat sich’s dann aber auch. Es sei ja nicht so. daß er keine politische Meinung habe, holt er aus. „nur gebrauche ich meine Musik nicht als Vehikel. Deshalb bin ich nicht weniger glaubwürdig. Rock V Roll muß in erster Linie ehrlich sein. * Tradition ist der Boden, auf dem er breitbeinig steht — und so hält er seinen getreuen“.News“ denn auch nach zwölf Jahren immer noch die Stange. Mit dem Schwur „Sechs Freunde woll’n wir sein „hatten sie angefangen — und das Fundament zeigt bis heute keine Risse. Daß er. wie Bruce Springsteen, seine langjährigen Gefährten eines Tages kurzerhand vor die Tür setzt, vermag sich Huey nicht vorzustellen. „Ich würde es nicht völlig ausschließen, vielleicht nehme ich mal ein pures Rhythm >;‘ Blues-Album auf, blickt er in die Zukunft, „aber ich glaube nicht, daß ich diese Band je wirklich verlassen kann. Wir haben zuviel Spaß zusammen. „

Von seiner einstigen Drohung, künftig weniger zu touren, weiß er nichts mehr. Was kümmert ihn das Geschwätz von gestern: Im Mai startet seine Welt-Tournee. Deutschland ist im Sommer dran.