„Jetzt und Alles“ – Hier thrillt Meier


Die Einsamkeit der 80er Jahre verbunden mit einer "amoralischen Lust am Leben" gilt als Leitmotiv für den ersten Spielfilm des Schweizer Schreibers/Filmers/Musikers Dieter Meier "Jetzt und Alles". Auch er ist dem Reiz der Atmosphäre erlegen, wie sie sich im Spannungsfeld des heutigen Berlin zwischen der neuen Rockszene und romantisiertem Gangstermilieu ergibt.

Ein Versuch, diesen Film mit ähnlichem Abstand zu betrachten wie einen Gangsterfilm „der berühmten schwarzen Serie; sich einfach ein paar Jahre in die Zukunft zu denken, um mit geradezu kultischer Verklärung „Milieu“ zu genießen. New York oder Chicago in den Vierzigern, oder früher. Die Jazzclubs, die verruchten Frauen. Die exaltierten Kostüme, die gestylte Kulisse, die lässigen Typen. Die amoralischen Einzelgänger, die scheinbare Romantik ihres glamourösen Streunerlebens, die meist in irgendeinem kahlen kleinen Zimmer endet. Oder eben: Berlin in den 80ern. Die schillernden New-Wave-Typen, der eigenartige Reiz der .damals“ so revolutionären Musik, die modischen Lofts, die wagemutigen Klamotten. Und wieder dieses schicke Flair von kreativem Einzelgängertum vor einer elenden Kulisse wirtschaftlicher Flaute, gesellschaftlicher Desillusionierung. Der Abstand verklärt vieles.

Dieter Meier wollte einen „Thriller“. Natürlich ist das ein wenig hochgegrifien. Unbedingt spannend wird es eigentlich nicht, dafür gibt es aber ein paar gelungene Überraschungsmomente. Ein etwas gezwungen konstruierter Rocksänger (Richy Müller, bekannt aus „Die große Flatter“) läßt sich mit einem abgetakelten Gangster (Jean Pierre Kalion) in eine Entführungsgeschichte ein. Jeder der beiden produziert sich bis zum Overkill. Marcel spuckt abends als Sänger der Band White Heat (den Schweizern Yello, Dieter Meiers eigene Band) Feuer aus der Silberkulisse. Tagsüber reizt er die Szene der Spielhallen und Kneipen aus, provokativ, lässig, auf dem Gewinner-Typ. Die Fassade des Gangsters Rudy ist die einer degenerierten Bogart/Delors etc. Mutation. Das Trinkgeld für den Portier zur Wahrung der Anonymität, das trostlose Hotelzimmer, die Flasche Whisky auf dem Fensterbrett, die unnahbare Pose… Die Rolle der Frau, in dieser Story allerdings ziemlich unerheblich, wurde trendsicher der Amerikanerin Joy Ryder zugewiesen, relativ neuer Farbklecks der Berliner Szene. Sie präsentiert tolle Kostüme, ist die Club/Barsängerin, die in keinem Gangsterfilm fehlen darf, hat aber leider überhaupt keine konspirativen Aufgaben. Ihr ist es vorbehalten, besorgt dreinzublicken und zu warten …

„Marcel kämpft nicht mehr gegen den höllischen Irrsinn dieser Welt. Er versucht, in der Hölle zu tanzen, aber dieser Tanz will gelernt sein“, formuliert Dieter Meier seine Idee. Lustgewinn am selbstzerstörerischen Trip, danach Totentanz. Marcel, der sich bei seinem zögernden Einstieg in die Kriminalität einen Flash zuviel zumutet, kann sich am Ende nur noch als lebender Flammenwerfer seiner Haut retten.

Im Vergleich mit dem unharmonischen als „New-Wave-Thriller“ vermarkteten Streifen „Kalt wie Eis“ kann Jetzt und Alles“ eigentlich nur positiv abschneiden.Zum kommerziellen Actionfilm hat es zwar noch nicht ganz gereicht, als Spielfilmdebüt ist er jedoch akzeptabel. Außerdem muß er sich nicht auf einen modischen Soundtrack stützen (die Musik von Yello und Anthony Moore spielt nicht die Hauptrolle), sondern kann sich auf zwei Typen verlassen.