Jochen Distelmeyer Im Cafe Glocksee, Hannover


Brandbomben und unbedingte harmony: Der Pop-Vordenker stellt sein Solo-Debüt live vor. Gegen Schluss wird’s am schönsten. Jochen Disteimcyer steht da und singt ein Lied. „Murmeln“ heißt das Stück, das den Sommerabend mit Geschichten über viele Freunde, vielleicht auch über Kinder, auf eden Fall mit tiefer, unbedingter harmony ausklingen lässt, „am Ende ist es nur ein Song, ich leb‘ dajiir und leb‘ davon“ sind seine letzten Zeilen. Nun ist diese Art persönliches Storvtellertum, diese Anlehnung an Blumfeld in ihrer 2.0-Phase, vermutlich das, was sich die Mehrzahl der Fans erhofft, die dem LivcDebüt der gespannt erwarteten ersten Soloplattc von Distelmeyer – Veröffentlichung am 25.9. – beiwohnen. Der macht aber früh klar, dass er nicht vorhat, nur Erwartungshaltungen gerecht zu werden. Zunächst gibt’s Lärm irgendwo zwischen Sonic Youth und Superchunk, der dem Albumtitel HEAVY mehr als gerecht wird. Die ersten drei Songs sind 90er-vcrortete Brandbomben, bei denen die neue Band – vera Blumfeld ist nur Bassist Lars Prechi geblieben – beherzt in die Saiten greift und dem Frontmann viel Raum gibt. Inhaltlich geht der in die Vollen: „Wohin mit dem Hass“ und „Einfach so“ kommen als potenzieller Grundstock für einen Themenabend „Wir vs. die da oben und drüben“ daher. Das steht ihm ausgesprochen gut. Dass die poplinke Sache mit den Hütten und Palästen und dem Kampf und dem Widerstand sein Ding ist, hatte Distelmever sehheßlich auch noch einmal aut dem – in der öffentlichen Wahrnehmung ja oft auf seine naturkundliche Seite reduzierten – letzten Blumfeld-Album EKBUTENE FRPCHTK unterstrichen. Von dieser Platte sind zwei Songs im Programm, dazu sieben, acht weitere Blumfeld-Stücke. Dieser M ix aus Alt und Neu ist reizvoll, aber ambivalent: So sind „Tics“, „Status Quo Vadis“ und „Die Diktatur der Angepasstcn“ im Zugabenblock zwar fraglos Crowdpleaser, aber auch zentnerschwere Steine, die den Abend gefährlich Richtung Nostalgie kippen lassen. Neun neue Lieder gibt es schließlich zu hören – darunter auch ein paar Stücke, in denen olfensiv das Zwischenmenschliche durchdekliniert wird mit Titeln wie „Bleiben oder gehen“, „Lass uns Liebe sein“ und „Nur mit dir“. Pop im Sinne eines Paddy McAloon of Prefab Sprout Farne. Simpel, aber nicht stumpf, klug getextet, aber nicht verkopft. Tiefe, unbedingte harnwny eben -und irgendwie beavy.