John Cale


Wenn das neue Album CARIBBEAN SUNSET besser verkauft als der bisherige Spitzenreiter SLOW DAZZLE, wird das mein Favorit sein“, schnoddert Cale desillusioniert. Der Bergmanns-Sohn aus Wales -Jahrgang ’42 – hat die Höhen und Tiefen des Rock-Geschäfts aus nächster Nähe kennengelernt. Als Jung-Genie an englischen Akademien, als Bernstein-Stipendiat in Amerika avancierte Cale nach Erfahrungen in dortigen Avantgarde-Zirkeln zürn Kanalarbeiter in Andy Warhols Velvet Underground. Zwar prägte seine sägende Viola den morbiden Charme der Velvets, doch aus dem Kampf Reed/Cale ging der Brite angeschlagen hervor. Mit angeknackstem Selbstbewußtsein macht er sich an seine Solokarriere. Cale wurde Antistar, Kultfigur, schwarzer Priester eines Anti-Rocks. Die Formel seines (Miß-)Erfolgs hieß „fettes Kritikerlob, magere Verkäute“. Seine 12 Alben – darunter so Prachtstücke wie PARIS 1919 – schwankten zwischen Minimalismus und Melancholie, Song-Avantgarde und Heavy-Rock.

Dennoch wirkt das Rock-Fossil im Gespräch „normaler“ als es manchem Kritiker lieb sein dürfte. Laut denkt der als schwierig verschriene Cale nach über die Zugkraft von Videos, über die Wichtigkeit von Marketing und Promotion. Ganz allergisch reagiert er auf den Versuch, ihn zum musizierenden Intellektuellen abstempeln zu wollen: „So ein Blödsinn. Ich bin zwar an klassischer wie an populärer Musik interessiert, aber es ist doch wohl ein saudummes Vorurteil, Rock n‘ Roll für das Medium von jugendlichen Delinquenten und Heißsporn zu halten. ich bin bestimmt kein junges Hühnchen mehr.“

Wohl auch darum will Cale jetzt genau wissen. Sollte CARIBBEAN SUNSET nicht, wie von ihm erwartet, zu dem kommerziellen Sonnenaufgang werden, dann muß man in nächster Zukunft doch wieder mit einem orchestrierten Dylan Thomas-Songzyklus rechnen.