Karl Hyde (Underworld)


1 OLYMPIA 2012

Underworld waren von der Stadt London mit der musikalischen Leitung der Eröff nungsfeier betraut worden.

Für einen Moment hatten die Spiele das Land tatsächlich verändert. Wir Briten sind ja weltberühmt für unseren Zynismus. Plötzlich waren alle guter Dinge. Es gab einen Gemeinschaftsgeist! Briten halfen einander! Briten hegten Hoffnungen! Es war so wundervoll wie bizarr. Viele meiner zynischen Freunde hatten gehofft, die Olympiafeier würde im Desaster enden. Aber selbst die freuten sich, als alles gelang. Für zwei Wochen mochten sie sogar die Queen. Als der Zauber wieder vorbei war, war schlagartig auch die Stimmung so schlecht wie vorher.

2 MARGARET THATCHER

1979 kam Thatcher an die Regierung, und Karl Hyde begann, Musik zu machen.

Die Achtziger waren eine schlimme und vulgäre Zeit. Die Jugend war sich selbst überlassen. Der Rest versuchte, reich zu werden. Maggie Thatcher hat die Gewerkschaften zerschlagen und die Arbeiterklasse zerstört. Eigentlich hat sie alles kaputt gemacht, was mir damals wichtig war. Sie hat sogar Freunde von mir im Krieg um die Falkland-Inseln verheizt, um wiedergewählt zu werden. Andererseits hat sie uns als Musiker auch angeregt. Ohne sie und ihre Politik hätte es viele großartige Bands nie gegeben. Als sie starb, wusste ich gar nicht, was ich fühlen sollte. Ich meine: Sie hatte eine Familie. Sie war die Mutter eines Sohnes. Auch Politiker sind am Ende Menschen.

3 TRAINSPOTTING

Underworld steuerten zum Film „Trainspotting“ über die Jugend der Achtziger die Hymne „Born Slippy“ bei.

„Trainspotting“ hat für uns alles verändert. Wir wurden zum Synonym eines ikonografischen Films. Underworld traten aus dem Underground ans Licht, wir zogen in die Welt hinaus und wurden zur Festival-Band. Viele denken heute, die Droge unserer Musik sei gar nicht das Lager-Bier gewesen, sondern Ecstasy. Lager war immer groß bei uns. Wobei ich das nie getrunken habe. Lager führt zu häuslicher Gewalt. Für mich war „Lager! Lager! Lager! Lager!“ eigentlich ein Hilferuf. Aber als Botschaft war das ja auch sehr abstrakt.

4 FREUR

Bekannt wurde Karl Hyde als Sänger der Band Freur mit dem Song „Doot Doot“.

Viele halten Freur heute für einen Irrtum. Aber das Konzept war: weiße deutsche Elektronik mit schwarzem jamaikanischen Dub-Reggae. Das war eine Vision. John Peel hat uns gespielt. Brian Eno mochte uns. Aber wir hatten kein Geld. Wir haben uns für Pharmatests hergegeben, als menschliche Meerschweinchen. Dann kam Columbia und bot uns einen Haufen Geld. Wir waren jung, wir hatten Hunger. Freur war aber auch ein großer Spaß damals. Alle anderen Bands trugen schlichte, schwarze Outfits. Schau dir unsere Klamotten an. Wir waren flamboyant!

5 TOMATO

Neben Underworld unterhalten Hyde und Smith die Design-Agentur Tomato.

Wie gesagt: Die Achtziger waren hart für uns, als Musiker und Künstler. Also taten wir uns zusammen. Schon Freur waren ja sehr visuell gedacht, wie wir gerade gesehen haben. Für mich war das wie eine Heimkehr, zurück an die Kunsthochschule. Du glaubst gar nicht, was Grafiker für einen exzellenten Musikgeschmack haben: Alle mochten LOW von Bowie und COMPUTER WORLD von Kraftwerk. Wir haben Werbespots gedreht für große Firmen und waren so unabhängig vom Musikgeschäft. Ohne Tomato hätte es Underworld nie gegeben. Wir brauchten keinen Plattenvertrag. Viele haben nicht verstanden, dass Linke wie wir Werbung für Adidas und Levi’s machen. Ich bin in Adidas und Levi’s aufgewachsen. Gibt es sauberes Geld?

6 WIPEOUT

1995 erschien das Computerspiel „Wipeout“ mit Musik von Underworld.

Was ist das? Sieht aus wie ein Spiel. Könnte sein, dass wir dafür Musik gemacht haben. Computerspiele haben mich nie interessiert. Ich habe genug mit der echten Welt zu tun, so wie sie ist. Ich konnte mich nie mit dem Gedanken anfreunden, jetzt auch noch in einer virtuellen Welt unterwegs sein zu müssen. Was soll ich da?

7 MALEREI

Karl Hyde stellt auch regelmäßig eigene Kunstwerke aus.

Ich bin Synästhetiker. Ich bin beeinflusst von japanischer Zen-Kalligrafie. Für mich sind das Tanzbewegungen. Ich sehe ständig Formen. Der Raum hier ist voller Formen. Die Formen generieren Sounds, und die Sounds generieren wieder Farben. Alles, was ich tun kann, ist das zu Papier zu bringen. Ich muss das tun für meine Psyche. Auch wenn du Karl von Underworld tanzen siehst, dann tanzt er die Formen in seinem Kopf.

8 BRIAN ENO

Brian Eno hat Karl Hyde bei seinem Album geholfen.

Ohne ihn gäbe es nicht mal den Musiker Karl Hyde. Roxy Music waren das Erste, was ich als Kind bewusst gehört habe. Enos Art, sich zu kleiden, hat Freur maßgeblich beeinflusst. Später wurden Brian und ich Freunde. Wir begannen, uns über Lyrik und Musik zu unterhalten. Ich wurde Mitglied im von ihm initiierten Pure-Scenius-Ensemble, und bei einem Auftritt im Opernhaus von Sydney hatte ich plötzlich die Eingebung zu EDGELAND. Aus meinem Helden wurde mein Helfer. Neulich, als ich Brian besuchte, saß da James Blake am Klavier. Und weißt du, was er mir verraten hat: Sein wichtigster Einfluss sei gar nicht Eno, sondern D’Angelo.

Karl Hyde kam 1957 in Worcester zur Welt. Er zog nach London und studierte Kunst. Mit seiner ersten Band Screen Gemz veröffentlichte er 1979 die Single „Teenage Teenage“. Anschließend gründete Hyde mit Karl Smith die New-WaveBand Freur. 1988 riefen sie Underworld ins Leben. Seit den Neunzigern bereichern sie die globale Rave-Kultur.