Kurz & Klein


Schweine am Samstag. Wie? Ach, ich hab nur laut gedacht. Kommen wir zur Sache. Singende Schlagzeuger haben immer etwas Würdiges. Vielleicht kann sich ja noch jemand daran erinnern, wie Phil Collins damals bei Genesis kurz nach dem Ausstieg von Peter Gabriel eine Zeitlang gesungen und Schlagzeug gespielt hat. Gleichzeitig. Ira Elliot jedenfalls ist der Schlagzeuger der fabelhaft beleumundeten Nada Surf, deren Fabelhaftigkeit zu dekodieren, dem Schreiber dieser Zeilen bislang noch nicht gelungen ist. Und Maplewood ist Elliots Band, bei derer singt und Schlagzeug spielt, vermutlich gleichzeitig. Maplewood (Rauhfaser/Tapete/Edel) hat überhaupt nichts mit Nada Surf zu tun. Das ist sonnenscheiniger 70er Jahre Westcoast-Pop-Folk-Rock mit Harmoniegesängen. Tut nicht weh.

Mei, Die Springer aus Traunstein. Nacktsaison (Südpolmusik/Alive) heißt ihr neues Album und irgendwie hat sich da nicht viel geändert, trotz Produzenten wie Ralf Goldkind (Die Fantastischen Vier) und John Caffery (Sex Pistols). Das Trio klingt immer noch wie Die Flippers mit Post-Grunge-Gitarren.

Teil 2 der Industrial-Bands-aus-Slowenien-covern-Kraftwerk-Songs: Trans Slovenia Express Vol. 2 (Mute/ Labels/EM I/Capitol) mit Laibach als prominenteste Landesvertreter und Anne Clark als Gast der Band Silence. Gell, so was wollen wir nicht hören?

Vielleicht kommt ja bald ein Revival der richtigen, der dilettantischen Neuen Deutschen Welle. Doc Schoko wären da sicherganz weit vorn. Große Strasse (Louisville/Universal) hat Post-Post-Punk-Schrammelgitarren, ultracoolen Gesang und Textzeilen wie diese hier:

„Hunde machen Haufen, Arbeit macht viel Lärm. Alle wollen kämpfen, nurfriedlich wärst du gern.“ Verstanden? Nee, ne?

Was dieser * im Bandnamen soll? Keine Ahnung, ist auch wurscht, weil es das einzige Rätsel einer ansonsten rätselfreien Band ist. El’ke wurden schon von sich weit aus dem Fenster gelehnt habenden Kollegen als die „Zukunft des deutschen Rock n Roll“ bezeichnet. Wir wissen zwar nicht genau, was mit „deutscher Rock’n’Roll“ gemeint ist, schauen aber w i lder w Esten (it-sovmds/Sony BMG) wie folgt ein: so Emo-Gerocke mit noch schlimmeren Texten als bei Doc Schoko.

Schlimm, schlimmer, am schlimmsten. Die Erfahrung lehrt uns: Es kann immer noch schlimmer kommen als am schlimmsten, so rein „Kurz & Klein“-CD-Stapelabtragungstechnisch gesprochen. Jetzt liegt nämlich gerade action (Island/Universal) von Jansen & Kowalski ganz oben auf dem „Kurz &. Klein“-CD-Stapel. Eine Platte, die – wie uns das beiliegende Hochglanzinfoblatt verrät – gemacht wurde von „zwei jungen Freaks aus Hamburg, die mit saftig frischen Beats und deutscher Sangeskunst die Republik auf den Kopf stellen werden“. Natürlich paßt die Musik in keine Schublade, denn sie liegt „irgendwo zwischen HipHop, Soul, NDW und Rock“. Machen wir also eine neue Schublade auf, schreiben „Mist“ vorne drauf, legen die CD rein, machen sie ganz schnell wieder zu, die Schublade, und weigern uns, Textstellen wie „Hey, hübsche Lady, wo kommst du her? Wie ist dein Name? Komm setz dich zu mir. Ich bestell uns was zu trinken und was zu Knabbern dazu. Ich kümmer mich um dich, Babee, du bist ganz schön roof“als Ironie zu verstehen. Ein musikalisch voll spannendstes Deutsch-HipHop-Album kommt vom Frankfurter Rapper Tone, der früher Mitglied bei Konkret Finn war. Auf Zukunftsmusik (Beats Around The Busch/Sony BMG) schieben sich Streichersamples in düstere Klanglandschaften, und ansonsten herrscht eine herrlich kühle Elekiro-Atmosphäre vor. Die Rhymes sind halt schon krass und phatt, was man auch mit „zweifelhaft“ übersetzen darf. Und „Reimroboter“ ist um ein Sample aus Kraftwerks „Heimcomputer“ aufgebaut.

Legionen von seriösen Musikkritikern haben sich schon die Köpfe über der Frage zerbrochen, ob denn die ironische Übersetzung von an sichuniTonisch gemeinten Musikenin ein anderes Genre nun gut ist oder doch eher Ha-Ha-lustig. Hayseed Dixie machen das schon seit ein paar Jährchen. Zum Beispiel Kiss- und AC/DC-Songs in Bluegrass. Auf A Hotpiece Of Grass (Cooking Vinyl/Indigo) kommen Hayseed Dixie jetzt mit der Verbluegrassierung älterer („Whole Lotta Love“, „Rockin‘ In The Free World“,) und neuerer („This Fire“, „Holidav“‚) „Rock-Klassiker“. Bei der Anhörung des Albums wechseln sich kurze Momente des Glücks ab mit längeren Momenten des Total-auf-den-Sack-Gehens.

Der kanadische Singer/Songwriter Chad VanGaalen ist „real“. Ihm und seinem Album Infiniheart (Sub Pop/ Cargo) kann man sich deshalb nähern, ohne geistige Klimmzüge zu veranstalten und sich am Ende dann doch sagen lassen zu müssen, daß man zu doof ist, die feine Ironie, die sich um drei Ecken zieht, zu verstehen. Hieß hat es ein paar hübsche Songs über Verlust und Liebe, die man früher wohl „LoFi“ genannt hätte. Freunde von Jason Molina dürften dazu nicht nein sagen, und „After The Afterlife“ ist der beste Song, den Bonnie „Prince“ Billy nicht geschrieben hat, um diese alte Musikjournalistenphrase noch einmal zu verwenden, bevor sie am Ende noch in Vergessenheit gerät.