Lee Aaron


Da wäre selbst Münchens Schickeria vor Neid erblaßt: Im Publikum ein Edel-Headbanger in gefühlsechtem Knautsch-Leder-Outfit, dazu mit einer Porsche Nobelkarosse vor der Tür – und das ausgerechnet bei einem Heavy Metal Konzert!

Doch weder er noch die anderen 1100 Zuschauer, darunter erstaunlich viele Frauen, dürften den Besuch dieses Double-Features bereut haben. Zumindest nicht den Auftritt der kanadischen Metal Queen Lee Aaron, geborene Karen Greening, die sich erstmals in germanischen Breiten blicken ließ.

Geschmeidig wie eine Katze schleicht sie über die kleine Bühne, die zierliche Figur in knallengen, roten Bodystockings versteckt. Obwohl gerade erst 23 Lenze jung, beherrscht sie die hohe Kunst des Lockens (vielsagende Blicke hier, anmachende Gesten dort) bereits so perfekt und ausgekocht, daß man sich ihr kaum entziehen kann. Sie schnurrt und faucht, mimt die stolze Grazie und dann wieder den verwegenen Vamp, und singt von „Rock Me All Over“ und anderen (zweideutigen) Themen. Das allerdings mit einer glänzenden Stimme, die vor Sex nur so knistert.

Ganze 14 Tage hatten die vier Kater in ihrer Band Zeit, um sich für den Europa-Trip warmzuspielen. Dennoch meistert man die Aufgabe mit Bravour. Die Band hinterläßt jedenfalls einen bleibenden Eindruck.

Was man von Amerikas Hardrock-Senkrechtstarter Bon Jovi, dem eigentlichen Headliner des Abends, kaum behaupten konnte. Auch hier steht eine Person im Zentrum, Sänger Jon Bon Jovi – ein Mann, wie ihn sich Hollywood wünscht. Er ist ein geborener Schauspieler, der sich mit der gebotenen Melodramatik in Balladen wälzt, auf die Knie fällt, jeden Tropfen Gefühl auskostet, um im nächsten Moment wieder – wie Phönix aus der Asche – als Vorturner zu agieren. Seine Sprünge, seine Mikrofon-Akrobatik, aber auch seine ständigen Verkleidungen, nasses T-Shirt aus- und frisches angezogen, sind durchaus sehenswert.

Nur die musikalische Kompetenz bleibt man über weite Strecken schuldig. Da kann sich Jon Bon Jovi noch so sehr ins Zeug legen und zur Freude aller einen Hit wie „Runaway“ oder „In And Out Love“ anstimmen; die Band jedenfalls, allen voran Bassist Alec John Such, der vor Eitelkeit kaum aufrecht gehen kann, klingt müde und ausgelaugt, spult ihr Mainstream-Repertoire einfalls- und lustlos herunter. Etwa so, als wolle man auch dem letzten Besucher deutlich machen, daß Musik wirklich die bequemste Nebensache der Welt ist. Mit Betonung auf Bequemlichkeit!