Reportage

Mach doch mal den Kopp aus!


Zum 20. Geburtstag ziehen wir mit den Punkrockern durch ihr Berlin. Unsere Titelgeschichte aus der November-Ausgabe des Musikexpress, jetzt in voller Länge online.

Als wir später mit Peter und Bernd zusammensitzen, gehen wir noch einmal auf das Thema ein: Konflikt-Management in einer Band. Bei anderen Gruppen erfährt man ja zumeist erst Details, wenn sie ihre Auflösung bekannt gegeben haben und die Ex-Mitglieder übereinander herziehen. Vielleicht könnten die Beatsteaks eines Tages Seminare hierzu geben …

Da ihr ja mit diesen unterschiedlichen Zuständigkeiten in der Band arbeitet: Kann es sein, dass du als eine Art „Mutter der Kompanie“ den Laden zusammenhältst, Peter?

PETER: Wenn du das jetzt so sagst, würde ich das strikt von mir weisen, klar …

BERND: Und ich würde das direkt so unterschreiben. (Gelächter)

PETER: Das ist wahrscheinlich ein sehr individuelles Gefühl. Ich halte mich so lange wie möglich zurück, denke mir: „Ich bin ein Fünftel, ordne dich ein, dann ist alles gut.“ Aber es wirkt vielleicht manchmal ganz anders nach außen. Mir ist es auf jeden Fall auch wichtig, irgendwann meine Meinung zu sagen. Und wir hören eben auch dolle aufeinander. Der liebe Frieden ist uns wichtig, aber er steht nicht über allem. Wir kotzen uns heute aber auch nicht mehr grundlos einfach so aus.

Mach doch mal den Kopp aus!
Es gab da diesen Unfall, der die Beatsteaks zu dieser „überlegteren“ Band, ja man darf schon sagen erwachsener gemacht hat. Thomas war im August 2012 eine Wendeltreppe hinuntergestürzt, brach sich alle möglichen Knochen, auch Schädel und Schulter. Es war völlig unklar, was wird – mit Thomas. Aber auch mit der Band. „Für mich war das gar nicht so krass“, sagt er: „Aber ich war ja auch beschäftigt, ich musste wieder gesund werden.“ Jedoch hat sich laut Arnim durch dieses Erlebnis der Blick der Band auf so manches verändert: „Wir erkennen schneller, wenn wir uns was vormachen oder uns einer Scheiße erzählt.“

Irgendwann im Gespräch mit ihnen kommt man zu dem verblüffenden Schluss, dass es sich bei den Beatsteaks um eine ziemlich nachdenkliche Band handelt. Allerdings weiß diese nachdenkliche Band sehr genau, dass sie mit dieser Nachdenklichkeit nicht hausieren gehen braucht. Das steht ihr nicht, da kommt sie nicht her, da will sie nicht hin – und außerdem gibt’s davon schon genug da draußen.

„Zu der Flüchtlingsdebatte sagen gerade viele Leute viel Mist. Wir versuchen vor Ort zu helfen.“ (Bernd Kurtzke)

Also Schluss mit der Grübelei. Gehen wir zum Lollapalooza-Festival in Berlin, uns die Beatsteaks live anschauen, drei Tage nach unserem Kreuzberg-Termin. Sie spielen dort als Co-Headliner und haben nur eine Stunde Zeit, um der ziemlich internationalen Menschenmenge zu zeigen, wie viele Ohrwürmer sie über die Jahre angehäuft haben, wie toll sie Krach schlagen können – für Bounce-Spaß, Circle Pits und das rituelle kollektive Ausflippen beim Finale von „Let Me In“. „Berlin, für immer Berlin!“, ruft der große Lokalpatriot Arnim noch, dann ist es schon vorbei. Wo man hinschaut, glückliche, verschwitzte Menschen.

Fünf Tage später in einem Backstage-Keller in Dresden erzählt uns Arnim, dass er tatsächlich eine halbe Stunde gebraucht habe, um in den Lollapalooza-Auftritt überhaupt reinzukommen. Und dass er bei Konzerten vor solchen Massen oft immer noch sehr nervös sei, „dann schreie ich nur noch und singe nicht mehr“. Und dann steht der große Animateur mit den fliegenden Hüten auf dieser Riesenbühne und wird plötzlich von abstrusen Gedanken wie diesen eingefangen: „Warum spielen wir hier in Berlin eigentlich auf einem Festival – wir waren doch gerade erst hier (zweimal im Juli in der „Wuhlheide“ – Anm. d. Red.)?“ So was geht einem dann plötzlich durch den Kopf.