Mark Ronson – ihr Mann für gewisse Stunden


Der Produzent hob Amy Winehouse mit seiner Arbeit auf eine Weltbühne. Doch für eine stabile Allianz reichte es nicht. Sie taumelte – er zog weiter.

Mark Ronson hat Amy Winehouse nicht erschaffen, aber er prägte ihre Musik bis zuletzt. Gemeinsam mit Frank-Produzent Salaam Remi (der sich später weitgehend im Hintergrund hielt) nutzte Ronson bei den elf Songs von Back To Black das gleiche Prinzip, mit dem das Motown-Label in den Sechzigern aus Blues, Soul und Pop den „Sound of Young America“ erfand. Fast 50 Jahre später sorgt eine perfekt modernisierte Fusion auch im R’n’B-Stammland USA für Millionen schwere Verkaufszahlen. Ein „Seelenschmerz nach Memphis tragen“, das in Zeiten schwerster Absatzkrisen zum immensen Erfolg wird. Rhythm & Blues trifft nun auf Breakbeats. Bläsersätze und Backgroundchöre schweben über fein gearbeitete Arrangements. Ganz im Sinne der weitgehend im Underground wirkenden Modern-Soul-Szenerie, interpretieren Ronson und Co. ihr Songmaterial für die Jetzt-Zeit. Die Stimme von Amy Winehouse ist – im Sinne der großen Diven – für die kongeniale Aura zuständig. Emotion und Drama treffen auf filigranes Handwerk. Auch Robbie Williams hat mit seinem Songschreiber und Co-Produzenten Guy Chambers auf diese Weise die Welt erobert.

Mitte der Neunziger war Mark Ronson mit seiner Mutter nach New York gezogen. Der Stiefsohn des Foreigner-Gitarristen Mick Jones spielte bereits als Teenager Gitarre und plünderte die Plattensammlung des Vaters, um später als weißer DJ in die HipHop-Welt einzutauchen. Ohne direkten Bezug zu derben Machern des tiefer gelegten Gangsta-Rap gelang es dem Engländer, HipHop wieder zurück auf die Agenda der Partyszene von Manhattan zu bringen. Mit besten Kontakten zur Model- und Fashion-Prominenz bereitete er den heißen Scheiß für die VIP-Community auf. DJ-Skills gepaart mit der Fähigkeit, sich mit Kompetenz und Einfühlungsvermögen über Stilgrenzen hinweg zu bewegen, führten zu seinem Debüt-Projekt Here Comes The Fuzz. Mit Gästen wie Sean Paul, Mos Def und M.O.P. packte er 2003 letztlich seine Vorstellung einer unterhaltsamen Jam auf ein Album. Die Blockparty war zurück in den Nullerjahren. Guude Laune für It-Girls und Tommy Hilfiger.

Wenn Mark Ronson in seiner getwitterten Kondolenz nun eine „musikalische Seelenverwandte“ verabschiedet, die „wie eine Schwester“ für ihn war, dann mag das Ausdruck aufrechter Trauer sein. Eine dauerhafte Allianz zwischen den Beiden hat sich nach der Zusammenarbeit für Back To Black dagegen nicht ergeben. Bei der Verleihung der „Brit Awards“ im Februar 2008 standen sie gemeinsam auf einer Bühne. Es gab für Amy Winehouse damals keine Trophäen, aber das musikalische Dreamteam wurde zu Recht begeistert gefeiert. Während es Winehouse immer schwieriger fiel, das erreichte Level zu halten oder gar auszubauen, zog Ronson unbeirrt weiter. Für Amys Unpässlichkeiten und Abstürze fühlte sich der viel Beschäftigte jedenfalls nicht zuständig. Ronson ist ein smarter Funktionierer. Ein Mann für gewisse Stunden im Studio, der für Amy Winehouse zur rechten Zeit am rechten Ort – und dann auch wieder weg war. Nach ähnlichem Rezept hat er später auch Lily Allen und Adele in die Neo-Soul-Erfolgsspur gebracht.

Im Frühjahr 2008 war Mark Ronson mit Gretsch-Gitarre und Profiband auf Deutschland-Tour, um sein Cover-Album Version zu präsentieren. Ein bunter Potpourri mit Coverversionen aus verschiedenen Epochen. Beim Auftritt in Hamburg übernahm Gastsängerin Candi Payne „Valerie“ von der Britrock-Band The Zutons, der für Amy Winehouse zum Megahit wurde. Man hörte eine glatt-gefällige Variante, der genau jenes gesangliche Gegenhalten von Amy Winehouse abging, die längst von Abstürzen und Entzugskuren gezeichnet war. Ronson berichtete damals mit einer aufgeweckten Distanz von den Aufnahmen zu Back To Black. Kein Wort gegen Amy, aber auch keine küchenpsychologischen Gutachten über die geschätzte Kollegin. Statt über ihre Schwierigkeiten erzählte er lieber aus dem musikalischen Nähkästchen: „Amys Album haben wir in der Wohnung der Dap Kings auf deren alter Achtspur-Maschine aufgenommen. Über diese Tapes bekommt man einfach wärmere Aufnahmen; die dann natürlich zum Editieren für die üblichen Computer-Tools übertragen wurden.“

Ronson wollte lieber der Studiofrickler, Radio- und Club-DJ bleiben, mit dem man sich länglich über die Historie der Soulmusik unterhalten kann. Vom Gefühl und Timing her hat Amy Winehouse genau sein Verständnis getroffen, wie man ergreifende Sounds kontert, damit sie nicht zu Breitwand-Kitsch zerfließen. Doch das, was man anderswo ein kongeniales Team nennen darf, hat nicht ausgereicht. Ronson hat für sich (und andere) das perfekte Rezept gefunden, auch 2011 kommerziell funktionierende und dabei gehaltvoll-interessante Popmusik zu machen. Eine Ebene, die schon bald nicht mehr genügte, um an den taumelden Charakter der Winehouse heranzukommen. Ronson blieb offenbar nichts anderes übrig, als vor den Emotionen seines talentiertesten Stars zurückzuweichen.