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Das sind die 100 besten Debütalben aller Zeiten


MUSIKEXPRESS hat die besten 100 Erstlinge gewählt. Von Wanda bis The Velvet Underground, here we go.

40
Can
MONSTER MOVIE
1969

Konsequente Reduktion, raumfüllende tribal beats und ein vor akuter Dringlichkeit berstender Gesang: ein Postpunk-Werk von 1969. Oder anders gesagt: der Zeit um mindestens zehn Jahre voraus. Uneasy listening, voll übersprudelnder Improvisationsfreude und manischer Intensität. Die ehrfurchtgebietende Titelfigur geht auf den „Planetenfresser“ Galactus zurück, wie er in der 134. Ausgabe von „Marvel’s Thor“ (1966) abgebildet wurde. (Uwe Schleifenbaum)

Was danach geschah: Filmmusiken, die sogar Hits abwarfen. Kultstatus vor allem im befreundeten Ausland, wo man der Neutönerei grundsätzlich gewogener war.

39
Guns N’ Roses
APPETITE FOR DESTRUCTION
1987

Die Party auf dem Sunset Strip war in vollem Gang, als GN’R mit der Tür ins Haus fielen. Sänger Axl Rose brachte den Furor, Gitarrist Slash den Sex. Vielleicht war es auch umgekehrt. Mit „Sweet Child O’ Mine“ und „Paradise City“ ließen sie die Hair-Metal-Knalltüten alt aussehen. GN’R brannten, sie waren bestimmt zum frühen Verglühen. (Reiner Reitsamer)

Was danach geschah: CHINESE DEMOCRACY oder Warten auf Godot.

38
Grandmaster Flash And The Furious Five
THE MESSAGE
1982

 

Okay, neben dem Titelstück ist der Rest eher egal. Oder erinnert sich noch jemand an „You Are“? Aber eben an das Titelstück mit dem Großstadtdschungel, in dem man untergehen wird. Fand seltsamerweise auch in süddeutschen Kleinstädten einen gewaltigen Resonanzboden, der zu viel bemaltem Beton und Deutschrap führte. (Thomas Winkler)

Was danach geschah: Ungezählte Plattenspielernadeln fallen ahnungslosen Scratch-Versuchen zum Opfer.

37
M.I.A.
ARULAR
2005

Die Londonerin hat es geschafft, direkt mit ihrem Debüt einen völlig eigenen Sound zu kreieren. Ihr Mashup aus HipHop, Worldbeat und Electropomp ergibt einen überragenden Dringlichkeits-Rave. Eine Platte, die rundum Laune macht und dabei doch voller Wut und Anprangern von Missständen steckt. (Hella Wittenberg)

Was danach geschah: Das Album ist nach Maya Arulpragasams Vater, einem Rebellen in Sri Lanka, benannt. Diese Family Ties behielt sie auch bei den Titeln ihrer nächsten Veröffentlichungen bei.

Studie ergibt: Mercedes ist die beliebteste Automarke in Rap-Songs

36
Frank Ocean
CHANNEL ORANGE
2012

Eins der Alben übers Alleinsein, die einen doch nicht allein fühlen lassen. Davon gibt’s viele, klar, aber nicht viele sind so gut. Das einsam-schöne „Pyramids“ ist wie fünf Songs in einem, und wahrscheinlich jeder kennt das Gefühl aus „Bad Religion“. Ocean wurde mit Prince und Marvin Gaye verglichen, mit CHANNEL ORANGE hat er das nächste R’n’B-Level freigeschaltet. (David Numberger)

Was danach geschah: Eineinhalb Alben und gespanntes Warten.

35
The Stooges
THE STOOGES
1969

Es gibt ja durchaus einige historische Momente, in denen der Legende nach der Punkrock in die Welt kam. Dieser hier gehört zu den legendärsten und ist definitiv der rockigste. Der Blues, leicht beschleunigt, abgenagt bis auf sein dürres, welkes Skelett. „Last year I was 21, I didn’t have a lot of fun“. Schlagzeug, Bass, die Gitarre von Ron Asheton, Iggy Pop legt sich in den Schoß des Mädchens: „Now I wanna be your dog.“ Aber, vor allem, No Future ein knappes Jahrzehnt vorgezogen. „No fun, my babe, no fun“. (Thomas Winkler)

Was danach geschah: Iggy Pop zieht sein T-Shirt aus. Und nie wieder an.

34
Franz Ferdinand
FRANZ FERDINAND
2004

Dass dieses Debüt eine Riesenwelle lostreten würde, war bereits vor Veröffentlichung ausgemachte Sache. Spätestens mit der dem Album vorauseilenden Single „Darts Of Pleasure“ bündelte sich hier die Hoffnung, Gitarrenmusik möge endlich dem Tief der Jahrtausendwende entsteigen. Starthilfe leisteten Franz Ferdinand mit ihrem genauso rhythmischen wie coolen Artschool-Sound. Die deutschen Quatsch-Zeilen „Ich heiße Superfantastisch, ich trinke Schampus mit Lachsfisch“ gaben einem dann endgültig den Rest. (Linus Volkmann)

Was danach geschah: Franz Ferdinand lösten alle Hoffnungen ein, ihr eigener Zuweg wurde aber schnell spitzer, wirklich in die Breite gingen andere.

33
Daft Punk
HOMEWORK
1997

Als HOMEWORK erschien, stand French House dank Künstlern wie Mr. Oizo kurz vor dem Durchbruch. Die beiden Produzenten aber, damals noch ohne Roboter-Helme unterwegs, erlaubten ihm noch schmutziger und fiebriger zu sein und die Rock-Gesten in den Maschinen-Sound zu lassen. Die bratzigen Beats und wummernden Bässe des mit Funk angereicherten Filter-House waren plötzlich überall und versöhnten auch Gitarren-Kinder mit House. (Christopher Hunold)

Was danach geschah: Die rockenden Roboter entdeckten den Glam und spätestens nach „Get Lucky“ lag ihnen die Welt zu Füßen. Nach 20 Jahren haben sie Anfang 2021 ihr Ende bekannt gegeben.

32
Cyndi Lauper
SHE’S SO UNUSUAL
1983

Wahnsinn: Mit „Girls Just Want To Have Fun“, „Time After Time“, „She Bop“ und „All Through The Night“ wurde Cyndi Lauper, damals 30, die erste weibliche Künstlerin, die mit vier Singles von einem Album in den Top 5 der US-Charts landete. Dabei hatten die Radiosender den von weiblicher Masturbation schwärmenden New-Wave-Synthpop Laupers erst mal ignoriert. MTV spielte das „Girls“-Video indes rauf und runter – und bekam recht. (Stefan Hochgesand)

Was danach geschah: An den kommerziellen Erfolg ihres Debüts konnte Lauper nie wieder anknüpfen – wurde aber, auch durch ihr politisches Engagement, eine Gay-Ikone wie Cher, mit der sie oft auf Tour ging.

31
Wu-Tang Clan
ENTER THE WU-TANG (36 CHAMBERS)
1993

Das Irre ist, dass der Wu-Tang Clan damals Probleme hatte, ein Label zu finden. Der Vertrag sollte nämlich nur fürs Kollektiv gelten, ihren Solokram wollen die Leute auf eigene Rechnung machen. RZA sagt später, dass der Deal mit RCA wegweisend ist, weil er die Freiheit der Einzelnen wahrt. Über die Zweiteilung des Albums Shaolin- und Wu-Tang-Sword denkt man einen Joint zu lange nach, die wahre Währung des Debüts sind die Skills des Clans: Wer HipHop liebt, findet ihn hier komprimiert. (André Boße)

Was danach geschah: Das Album beschleunigt ein halbes Dutzend Karrieren, die Frage ist: Würden die besten Tracks der Solosachen diese Clan-Platte schlagen?

30
Elvis Presley
ELVIS PRESLEY
1956

Nein, er hat den Rock’n’Roll nicht erfunden – aber mit diesem Werk dafür gesorgt, dass aus den zuvor recht streng separierten Zutaten Rhythm & Blues, Country und Pop jenes Phänomen erwuchs, das zeitweise fast die globale Jugend an den Rand des Nervenzusammenbruchs bringen sollte. Ein amerikanischer Traum, aber universell interpretierbar, und Elvis setzte den Maßstab, an dem sich das Heer seiner weltweiten Jünger orientieren konnte. Ikonisches Artwork für ein ikonisches Album. (Uwe Schleifenbaum)

Was danach geschah: Eine atemberaubende Weltkarriere. Und die Karikatur einer atemberaubenden Weltkarriere.

29
Air
MOON SAFARI
1997

Sie flogen zum Mond und brachten den French Pop in all seinen Facetten zurück auf die Erde: Die Tonmeister Nicolas Godin und Jean-Benoît Dunckel schufen mit MOON SAFARI ein außerweltliches Epos zwischen Beat-Kleinodien, Electronica-Picknick und Easy-Listening-Etüde, in dessen Raketenstrahl alles erblühen konnte: Get Easy, Phoenix, Tahiti 80, Daft Punk. Kein Zufall, dass einer ihrer späteren Songs ausgerechnet „Surfing On A Rocket“ heißt. Magnifique? Mais bien sûr. (Ingo Scheel)

Was danach geschah: Drei Jahre später mit 10 000 HZ LEGEND ein erneuter Spacetrip, elektronischer und reduziert romantisch.

28
LCD Soundsystem
LCD SOUNDSYSTEM
2005

Während The Strokes in New York das neue Zeitalter des Garagen-Rocks einläuteten, hatte James Murphy ein paar Blocks weiter etwas anderes im Sinn. Als LCD Soundsystem schüttelte er Postpunk, Disco, Glam und House ordentlich durch und erschuf Anfang der 2000er nach seiner Über-single „Losing My Edge“ einen vor Coolness triefenden Dance-Punk-Sound, der wusste, wo genau im Plattenregal er sich zu bedienen hatte und nebenbei der Cowbell ihr Comeback spendierte. (Christopher Hunold)

Was danach geschah: Nach drei Alben und einem gigantischen Abschiedskonzert 2011 zunächst aufgelöst, kehrte die Band 2017 mit hervorragender Platte zurück.

Die 100 besten Gitarristen und Gitarristinnen aller Zeiten

27
Lauryn Hill
THE MISEDUCATION OF LAURYN HILL
1998

In den späten 90ern, in denen der Mainstream-HipHop von Männern mit fetten Karren, Ketten und misogynen Sprüchen geprägt war, brachte die 23-Jährige ihr erstes und bis dato einziges Soloalbum heraus. Ein Werk über schlimmsten Herzschmerz, aber auch über Unabhängigkeit – sowohl als Frau wie auch im Sound, der sich wie eine wärmende Decke aus HipHop, Neo-Soul und Reggae über einen legt. (Hella Wittenberg)

Was danach geschah: Als erste Musikerin überhaupt sollte sie fünf Grammys für die Platte einsacken. Doch trotz des Erfolgs machte sich Hill danach rar. Und ihre Comeback-Tour 2012 wurde mit jeder Menge Buh-Rufen quittiert.

26
Dexys Midnight Runners
SEARCHING FOR THE YOUNG SOUL REBELS
1980

Glaubt man, was so erzählt wird, wies Kevin Rowland seine Bläser so lange an, härter und lauter und noch härter und lauter zu spielen, bis Lippen bluteten. Das Ergebnis: Die kraftvollsten Bläsersätze aller Zeiten, Northern Soul für eine neue Zeit, coole Arbeitermusik, mit „Geno“ und „Burn It Down“ mindestens zwei Klassiker für die Ewigkeit – und der grandiose Beginn des langanhaltenden Scheiterns eines der verkanntesten Genies der Popgeschichte. (Thomas Winkler)

Was danach geschah: Latzhosen, „Come On Eileen“, Obdachlosigkeit, Cross-Dressing und einer der größten Flops aller Zeiten (MY BEAUTY).

25
The Beatles
PLEASE PLEASE ME
1963

Mit „Love Me Do“ und „Please Please Me“ als Vorboten, trat das in einer 12-stündigen Marathonsession unter Ägide von George Martin entstandene Debüt eine globale Lawine los, die erst durch Paul McCartneys Rückzug im April 1970 Halt fand. 14 energische Stücke von knapp 33 Minuten – acht Songs von Lennon/McCartney, sechs US-Cover. Sämtliche Mitglieder sangen mal Leadstimme. Rasch transformierte sich das Genre Merseybeat zu Beat, versuchten weltweit zahllose Jugendliche das Erfolgskonzept zu kopieren, was den Band-Boom förderte. Als erster Höhepunkt eroberte die von den Beatles angeführte British Beat Invasion den Europäern bis dahin weitgehend verschlossen gebliebenen US-Markt. (Mike Köhler)

Was danach geschah: Nicht nur, dass die Beatles die selbstbestimmte Band erfanden sowie zig Trends setzten. Bis heute gelten die Fab Four als Nonplusultra.

24
Patti Smith
HORSES
1975

Das Debüt, und ihr definitives Album. Der erste Satz, dass Jesus für die Sünden von irgendjemand anders gestorben ist, aber nicht für ihre, ist genauso Ikone wie das androgyne Coverfoto. Ihr Freund Robert Mapplethorpe hat es geschossen. „Words are just rules and regulations to me“, ätzt Smith im Song „Gloria“, entsprechend frei geht sie mit ihnen um. Eindeutig ist das wenigste. Johanna von Orléans kommt vor, Blake und Rimbaud. Es geht, so viel ist klar, um Eroberung, Tod, Sex, Drogen, (kein) Geld. Um Liebe freilich auch. Dazwischen Versatzstücke von alten Popsongs. HORSES ist klassischer New-York-Sound, Punk, surreale Poesie, Avantgarde und „simple Rock’n’Roll“. (David Numberger)

Was danach geschah: Als Dichterin hat sie angefangen, heute schreibt Patti Smith mystisch-magische Erinnerungsbücher.

23
Ramones
RAMONES
1976

Im New Yorker CBGB’s zunächst noch belächelt, war spätestens am 23. April 1976 klar, dass die dysfunktionale Familie Ramone es absolut ernst meint. Allein der Blick auf die Tracklist erscheint aus heutiger Sicht, als würde man ins klingende Geschichtsbuch horchen: Die Geschichten vom Blitzkrieg und vom Baseball-Schläger, all die Dinge, die man will (Klebstoff schnüffeln) und nicht will (mit der Liebsten herumlatschen), die Sache mit Judy, die Havana-Affäre, das Leben zwischen Basement und Straßenecke, vertont im Scheitelpunkt aus Melodie und Tempo – alles so over the top, gleichzeitig perfekt, ist dies eine der historisch hochverdichtetsten 29 Minuten of all things Punkrock, monochromatisch und majestätisch. (Ingo Scheel)

Was danach geschah: One-Two-Three-Four Welteroberung, zu Lebzeiten und posthum.

Das sind die 100 besten Songs aller Zeiten

22
Arcade Fire
FUNERAL
2004

Der Missing Link zwischen Marching Bands, Orchestergräben und Indie-Rock: Als Arcade Fire 2004 um die Eheleute Win Butler und Régine Chassagne aus Montreal die Welt eroberten, taten sie das buchstäblich mit Pauken und Trompeten, mit Akkordeons, Xylophonen, Orgeln, Celli, Harfen, Handclaps, Synthesizern – und einem bisweilen euphorisch klingenden Konzeptalbum über den Tod, das fast alle großen Musikmagazine zu einer der besten Platten der 2000er kürten. „Wake Up“ und „Rebellion Lies“ zählen auch live zu ihren bis heute eingängigsten Hits. (Fabian Soethof)

Was danach geschah: Ein Konzeptalbum über Vorstädte, ein Soundtrack für Spike Jonze, eine Hommage an Disco und David Bowie, eine schlagereske Platte mit Panflöten: Stillstand kann man Arcade Fire nicht vorwerfen. Mainstreamanschluss aber auch nicht.

21
Pink Floyd
THE PIPER AT THE GATES OF DAWN
1967

Kaum ein Album der drogenseligen Sechziger bringt die Ambivalenz jener Jahre so drastisch auf den Punkt. Einerseits: LSD-inspirierte, surreale und märchenhaft verschrobene Kleinode, die in Komposition und Darbietung schlicht unvergleichlich ausfielen. Andererseits: Protagonist Syd Barrett, der die Band bereits Anfang 1968 verlassen musste und – zumindest zeitweise – ein Fall für die Psychiatrie wurde. Ein dezidiert britisches, erfreulich exzentrisches Meisterwerk des frühen Psychedelic-Rock, das mit Pink Floyds deutlich kommerziellerem Breitwand-Sound späterer Jahre rein gar nichts zu tun hat. (Uwe Schleifenbaum)

Was danach geschah: Barrett veröffentlichte zwei eigenartige Soloalben, die völlig zu Recht unter Kultverdacht stehen. Pink Floyd wurden Superstars – auch ohne ihren „crazy diamond“.

20
Tom Waits
CLOSING TIME
1973

Gerade mal 22 ist Tom Waits bei den Aufnahmen zu seinem Debüt, als er mit seinem Produzenten Jerry Yester (von Lovin’ Spoonful) aneinandergerät: Waits schwebte ein von Klavier und Kontrabass getriebenes Jazz-Album vor. Yester dachte eher an ein gitarriges Folk-Album. Vielleicht war Waits daran nicht ganz unschuldig – schließlich bestand ein nicht zu geringer Teil seiner Live-Sets damals noch aus Bob Dylan-Coverversionen. Heraus kommt also ein Folk-Jazz-Hybrid. Aber was für einer! (Stefan Hochgesand)