Nach ihrer Moon Safari wissen Air nicht so recht, wie es weitergeht. Aber sie zeigen Premiers Symptomes


Alles wird anders. Am besten jetzt gleich. Oder morgen. Vielleicht auch erst nächste Woche. Obwohl: So genau wissen das Nicolas Godin und Jean-Benoit Dunckel noch nicht. Klar ist für die beiden, die zusammen Air sind, nur eins: so geht’s nicht weiter. „Wir mögen unser Album nicht mehr“, erklärt Dunckel, „es ist zu süß, zu niedlich, zu künstlich.“ Noch einmal zur Erinnerung: Air haben Anfang 1998 mit „Moon Safari“ ihr Debütalbum veröffentlicht, das viele Menschen begeisterte, und das sich auch prima verkaufte. Zurecht. Weil darauf eine Menge prähistorischer Synthies einen auf luftige Zuckerwatte machten, weil sphärische Electronica verträumt mit Reminiszenzen an Morricone und Bacharach umeinander taumelten – und weil „Moon Safari“ einem mit sexy Vocoder-Stimmen zusätzlich Honig um die Ohren schmierte. Und nun ist das alles immer noch wunderschön, soll aber nicht mehr wahr sein. „Wir hören unsere Musik später nicht mehr an, sie ist uns nicht mehr attraktiv genug“, erklärt Nicolas Godin, „ich steh ja auch nicht vor’m Spiegel und wedel mir einen von der Palme.“ Nun das soll jeder halten, wie er will. Aber mal abgesehen von Onanie – wohin soll die Reise denn musikalisch gehen? Dunckel friemelt ein bißchen an den Kreppsohlen seiner „kickers“-Schuhe herum, guckt dann seinen Kollegen an, Kollege Godin gähnt. Bleibt ihm also nicht anderes übrig, als selbst zu antworten. „Vielleicht machen wir’s so wie bei unseren Live-Konzerten, da war unser Sound verzerrt, mit vielen wummernden Bässen und irgendwie entstellt. So genau wissen wir das aber noch nicht, weil man sich ja auch alle naselang verändert.“ Godin wippt derweil ein wenig in seinem Ledersessel, gähnt abermals und springt dann verbal in die Bresche. „Kann sein, daß wir mehr Beats machen, vielleicht aber auch gar keine. Mal sehen. Nächster Versuch: Welche Musik von anderen Leuten hören Air denn so? Godin, nicht ohne zu gähnen: „Ich habe seit drei Nächten nicht durchgeschlafen. Unser Baby zahnt. Beim Autofahren höre ich Roberta Flack und Kraftwerk. Aber sie haben mir letztens mein Radio geklaut. Das geht jetzt nicht mehr.“ Da sind Millionen Autoradios in und um Paris unterwegs, und ausgerechnet das von Nicolas Godin wird gemopst. Kollege Dunckel indes scheint noch nicht bestohlen worden zu sein. Oder aber er hört seine Musik gar nicht im Auto. Wer weiß das schon so genau: „Ich mag im Moment die Jackson 5 und die Stooges – und Björk und Radiohead mögen wir beide gem. Spricht’s, guckt wieder mal Richtung Nicolas, und Nicolas nickt mit dem Kopf. Immerhin: Für „Le Soleil Est Pres De Moi“, bisher nur als Maxi erhältlich und jetzt auf das Zwischendurch-Album „Premiers Symptomes“ gepresst, haben Dunckel und Godin noch was übrig: „Es ist möglicherweise der beste Song, den wir je geschrieben haben.“ Recht haben sie: „Le Soleil Est Pres De Moi“ ist zweifelsohne ein Song, der dir einfach so geschmeidige Farben in die Seele pinselt, großes Kino im Kopf macht. Wie überhaupt „Premiers Symptomes“ eine empfehlenswerte Platte ist. Weil sie schlichtweg wunderschön ist. Und weil Air darauf so klingen, wie sie möglicherweise nie mehr klingen werden. Leicht, aber nie seicht. Warum Musik aus Frankreich in den letzten lahren so boomt, wissen sie übrigens nicht. Aber sie haben mal in der Nachbarschaft von Daft Punk gewohnt – und über den Erfolg französischer Musik, da freuen sie sich. Und gegen den eigenen hätten sie auch in Zukunft nichts einzuwenden. „Wir würden gerne noch mehr Platten verkaufen.“ Sollte kein Problem sein. Irgendwie.