„No To Racism“ und Fußball-Deutschland: lieber streng schauen als „Nein“ sagen


Rassismus und andere Verrücktheiten: Unterschätze nicht die Macht der guten Laune, rät neuerdings Josef Winkler.

Auf die Gefahr hin, dass da bei Betroffenen – i.e. vom Fatum gepeitschten FC-Bayern-Fans – zart verheilte Wunden wieder aufbrechen und hässlich ausbluten, während Außenstehende narkoleptisch in sich zusammensinken, muss ich noch mal auf die Champions League zu sprechen kommen. Fetzig, gell? Ich komme auf die Champions League zu sprechen. Wah! Nur kurz, weil es mir auffiel: In diesem „Respect“- Spot, der da immer zwischen den Halbzeiten läuft, in dem prominente Fußballer großporig in die Kamera blicken und sich in ihren diversen Landessprachen gegen Rassismus aussprechen („No to racism“), warum sagt da eigentlich keiner diesen Satz auf Deutsch? Der Dings ist zu sehen und sagt’s auf Portugiesisch, der andere, wie heißt er noch gleich, sagt’s auf Englisch, und der Spanier, wo mir grad der Name nicht einfällt, sagt’s auf Spanisch. Und der bundesdeutsche Neuer kommt zwar auch ins Bild, schaut aber nur recht ernst und sagt nix.

Warum? Ist Deutsch im europäischen Kontext eher eine nachrangige Sprache – versteht eh keiner? Oder ist das der Einsicht geschuldet, dass Deutsche es einfach nicht nötig haben, sich explizit gegen Rassismus auszusprechen, weil es den bei uns eh nicht in championsleaguerelevantem Ausmaß gibt? Oder vielleicht reicht es für Deutsche, beim Thema Rassismus einfach streng zu schauen, dann geht er von selber weg? Hm. Das einzig Positive, was Rassismus je mit sich brachte – und Vorsicht, diese Überleitung ist jetzt weniger dialektisch als bescheuert – ist ja, dass er als globalgesellschaftlich-beschissenes Problem immer wieder Anlass zu tollen Protestsongs gegeben hat.

Freilich wär’s besser, wenn es gar nicht erst hätte geschrieben und gesungen werden müssen, aber wo’s nun mal nötig war, ist „Racist Friend“ von The Special AKA doch ziemlich super. Ganz zu schweigen von dem unwegkriegbaren Ohrwurmklassiker „Nelson Mandela“ von nämlicher Band, der ich jüngst bei YouTube hinterherklickte und unversehens in den Sog einer Musik geriet, die der Connaisseur gern mal als schmalspurigen Gutelaune-Sound abtut (wobei das zum einen eine verengte Sicht ist und zum anderen klar sein muss, dass objektiv recht wenig gegen gute Laune vorzubringen ist), nämlich: Ska. Und speziell: meine neue momentane Lieblingsband Madness.

Ein Hoch auf den Algorithmus, der mir zu den Specials gleich noch „Night Boat To Cairo“ anbot! Ein Griff ins gut sortierte (hüstel) Plattenregal, „One Step Beyond…“! Und seit Wochen macht die ganze Familie den Nutty Boys Dance im Wohnzimmer, wobei – Tipp für von madness bedrohte Jungeltern – vor allem der Einjährige sehr positiv reagiert. Und klar ist es naiv, aber wenn du dein Baby zu „Tarzan’s Nuts“ den Windelhintern rütteln siehst, fällt die Vorstellung, dass dieser Mensch einmal rassistischen Scheißekrämern auf den Leim gehen könnte, erfreulich schwer. Unterschätze nicht die Macht der guten Laune.

Diese Kolumne ist in der Juli-Ausgabe des Musikexpress erschienen – ab 10. Juni 2014 erhältlich.