PAUL McCARTNEY


Der Schein trügt. Auch wenn Paule mit seinen 42 Jahren noch immer spitzbübischen Charme versprüht, so steckt hinter der fidelen Fassade doch ein pfiffiger Fuchs. Mit seinem jüngsten Projekt allerdings scheint der betuchteste Songschreiber der Popmusik auf die Nase zu fallen. Sein Kinofilm "Give My Regards To Broad Street" entpuppte sich zumindest in den USA als klassischer Flop. Daß aber ein Pop-Zar auch mit Pannen zu leben versteht, erfuhr Uwe Schmitt in einem Gespräch, das er mit McCartney in London führte.

ME/Sounds: Dein Kinofilm ,Give My Regards To Broad Street‘ ist in Deutschland noch nicht angelaufen; den Soundtrack dazu gibt es seit Ende Oktober, ich muß zugeben, ich war etwas irritiert, daß du bis auf wenige Ausnahmen nur altes Songmaterial aufgenommen hast.

McCartney: „Ich habe mit Regisseur Peter Webb darüber gesprochen; er war der Meinung, daß es bei diesem Film ähnlich sei wie bei einem Live-Konzert: Man muß einfach die Songs bringen, die die Leute kennen! Es hat keinen Zweck – auch für mich nicht -, mit einer völlig unbekannten Show auf die Bühne zu gehen. Die Leute würden das nicht verstehen.

Also haben wir das Projekt wie ein Konzert betrachtet. Webb wollte bestimmte Songs in der Story, Songs wie ,Yesterday‘. Ich habe gestöhnt: ,Soll ich etwa schon wieder, Yesterday‘ singen?‘ Gegen Ende des Filmes gibt es eine Szene, wo ich als Straßenmusikant mein Geld verdienen muß. Du weißt ja, es geht in dem Film um einen Rockstar, dem die Master-Tapes zu seinem neuen Album gestohlen wurden. Also sang ich ,Yesterday‘ (singt in doppeltem Tempo mit Latino-Feeling!) als eine Persiflage. Der Grund lag allein in der Story.

Viele Songs wurden nach rein visuellen Gesichtspunkten ausgesucht; beispielsweise ,Ballroom Dancing‘ bot sich geradezu an: Im Film gibt es einen Tanzsaal, tanzende Paare, die Band auf der Bühne und natürlich einen ,fight‘ – das macht sich immer gut; der Regisseur schlug den Song vor, und ich war einverstanden.

Manchmal lief es umgekehrt – und als an einem bestimmten Punkt der Produktion nur noch drei oder vier Situationen ohne Musik übrig waren, entschied ich, daß da unbedingt neue Songs hinein müßten.

Aber ich liebe auch die alten Sachen. Natürlich denkt man automatisch: ,Die Zeiten sind vorbei. Das Kapitel habe ich ein für allemal hinter mir.‘ Man hat sie damals verabschiedet, ihnen nachgewunken wie Kindern, die das Haus verlassen. Man glaubte, es könnte nie einen Grund geben, sie wieder hervorzukramen.

Aber dann merkte ich, daß sie mir irgendwie fehlten. Es sind immerhin meine Lieder. Ich mag sie.“

ME/Sounds: Könnte es nicht sein, daß die Plattenverkäufer deine neuen Versionen gar nicht hören wollen ?

McCartney: „Stimmt, so habe ich anfangs auch argumentiert. Doch dann haben die Leute von meiner Plattenfirma, der Regisseur und andere gesagt: .Versuche, es als eine Art Live- oder Greatest-Hits-Platte zu verstehen.‘ Es sind ja auch wirklich Live-Aufnahmen; Songs wie ,Eleanor Rigby‘ habe ich noch nie live gesungen. Also ist es schon etwas Neues.

Das gilt auch für ,Long And Winding Road‘: Meine eigene Interpretation habe ich eigentlich nie gespielt. Damals war Phil Spector als Produzent im Spiel, und er setzte eine ganze Menge Sachen auf unsere Version, ohne daß wir eine Ahnung davon hatten.“

ME/Sounds: Du sagtest vorhin beiläufig, daß dein Publikum auch dir eine neue Show nicht abkaufen würde. Meinst du nicht, daß du in deiner Position genügend Kredit hast, um machen zu können, was du willst?

McCartney: „Natürlich, das stimmt schon. So kann man es machen, allerdings nicht in einer Live-Situation. Glaub 1 mir, ich hab’s versucht. Auch mit den Beatles haben wir es versucht. Dann kommst du auf die Bühne – und das Publikum schreit: ,Yesterday‘, ,Day Tripper‘ etc.

Man geht eben nicht in ein Stones-Konzert, ohne ,Satisfaction‘ hören zu wollen. Oder zu Bowie, ohne ,Space Oddity‘ zu erwarten.

Ich habe die Stones einmal in den Staaten erlebt: Sie hatten gerade ein neues Album veröffentlicht und wollten ein paar Stücke spielen. Mick mußte sich fast beim Publikum dafür entschuldigen. Und er hat sicher den Kredit, wir haben ihn alle. Das ist nicht das Problem.

Es geht darum, daß ein Konzertpublikum aus ganz normalen Menschen besteht. Es sind keine Kritiker, Plattenbosse, sondern einfach Leute. Die kommen, um Mick Jagger zu sehen und sie wollen natürlich ,Jumpin‘ Jack Flash‘ und ,Honky Tonk Women‘ hören.

Auf einem Studio-Album ist das etwas anderes. Ich verstehe deine Bedenken; ich hatte sie zunächst auch. Mal sehen, vielleicht beim nächsten Film.

Diesmal drehten wir einen Film, der von einem Tag in meinem Leben handelt; neue Songs hätten dem Film nicht gut getan. Das Soundtrack-Album ist da leider nur zweitrangig, völlig gegen meine sonstige Einstellung. So ist das nun mal.

Damals in dem Stones-Konzert setzte Mick die neuen Sachen durch: ,Wir wollen es spielen – und ihr werdet mal 20 Minuten warten können, oder?‘ Ich saß da, es war wirklich gut – aber ich gähnte. Dann kam (Gitarrenriff von ,Satisfaction‘) und alle brüllten.“

ME/Sounds: Was reizt dich eigentlich an dem Medium Film so sehr, wenn du darüber ein neues Album als zweitrangig einstufen mußt. Gibt es da irgendeine „message“, irgendetwas, das weiter führt als deine Songs?

McCartney: „Nun, es ist eine andere Arena. Ich kann mir nicht vorstellen, je eine andere ,message‘ zu vermitteln als bisher. In Filmen hat man aber andere Möglichkeiten, sie rüberzubringen.

Und ich habe noch immer den Ehrgeiz, mich in Filmen einmal so klar auszudrücken wie in Musik. Ich habe ja noch ein paar Jahre Zeit.“

ME/Sounds: Es war also nicht dein letzter Versuch, gleich wie die Sache ausgeht?

McCartney: „Ich hoffe nicht. Denn es hat wirklich Spaß gemacht, zu schauspielern und einen Soundtrack zu schreiben. Klar, heute könnte ich mit mehr Wissen an die Sache herangehen. Es war das erste Mal, daß ich einen Script geschrieben habe.

Der Film wird sicher nicht so einschlagen wie E.T.; ,Give My Regards‘ war von Beginn an nicht als Bombe, die in den Kinos einschlägt, gedacht. Es geht ja eigentlich um etwas ganz Alltägliches, abgesehen von ein paar Fantasy-Szenen.“

ME/Sounds: Könntest du dir vorstellen, etwas wie Frank Zappa mit seinen „200 Motels“ zu machen? Also grelle, sarkastische Fantasy, wenn es schon um das Musik-Business gehen soll. Oder läßt sich das nicht mit deinem Image als „Mr. Nice Guy“ vereinbaren?

McCartney: „Was bin ich mal wieder für ein netter Junge! (lacht). Nein, im Ernst: Meine Gedanken sind nicht die eines netten Boys; mein Kopf ist ein ziemlich komplizierter und konfuser Ort. Seine wirklichen Ambitionen verbarrikadiert man nun mal hinter seiner Stirn.

O.K., ich habe eine nette Familie, die für mich an erster Stelle kommt. Aber wenn du nach off the road-Zeug fragst: Davon gibt’s bei mir auch jede Menge. Früher habe ich das reichlich rausgelassen.

Bei dem Soundtrack mußten wir uns aber entscheiden. Ich habe also ,No More Lonely Nights‘ aufgenommen, eine Ballade, einen Lovesong. Viele Leute denken ohnehin, daß ich darin am besten bin. Auf der anderen Seite bin ich auch ,I’m Down‘, ,Long Tall Sally‘ und ,Helter Skelter‘.

Ich frage mich natürlich oft, ob ich die richtige Auswahl treffe, ob ich statt einer butterweichen Ballade nicht mehr far-out hätte sein können, komplexer, avantgardistischer.

Wahrscheinlich kann man nicht über seinen Schatten springen. Zappa schreibt eben auch keine Lovesongs; und wenn ich mich in seinem Metier versuche – und ich habe das schon manchmal getan -, dann wirkt das schnell etwas bemüht. Ich bleibe letztlich der, der ich bin – und schäme mich dessen nicht.

Ich war schon immer, seit ich denken kann, ein ziemlich sentimentaler Tropf: Familienszenen mit meinen alten Tanten, die bei Rühr-Filmen gleich drauflosheulten. Mit 18 Jahren konnte ich es mir nicht leisten, sentimental zu sein. Stattdessen: ,Yeah, man, im into Zappa, man. And the blues, man.‘ Aber als ich älter wurde, merkte ich, daß es einfach nicht stimmte. Ich bin nicht der Typ, der Zappa hört. Frank hat Witz, und das bewundere ich an ihm. Salvadore Dali hat den auch, aber ich werde nicht versuchen, so zu sein wie er.“

ME/Sounds: Deine Alben TUG OF WAR und PIPES OF PEACE waren von dir, wenn ich es richtig verstehe, als doppelter Kommentar zum Weltgeschehen, als eine Art „Krieg und Frieden“ im Songformat gemeint. Könnte man GIVE MY REGARDS nicht leicht als Rückzug auf inhaltlich naive Kost werten ?

McCartney: „Das ist ein Gesichtspunkt, sicher. Das Thema dieses Films ist leichtgewichtig, das ist richtig. Mit TUG OF WAR wollte ich die substanziellere Seite meiner Person zu Wort kommen lassen; dasselbe gilt für PIPES OF PEACE. Manche Leute waren der Meinung, das sei zu einfach gesehen: dünne Kommentare zu einem ernsten Thema.

Aber schließlich läuft man nicht immer schwermütig und nachdenklich durch die Welt. Es gibt nun mal diese leichtlebige Seite an mir. Ich würde dir jetzt gerne sagen können: ,Wir haben uns zu diesem Film ernsthafte, bedeutsame Gedanken gemacht; er wird die Welt verändern.‘ So ist es nicht. Jeder Film muß in seinem Genre beurteilt werden, auch ,Give My Regards‘.“

ME/Sounds: Fragen wie jene nach einem kreativen Rückschritt rühren wohl nur daher, daß du als Songwriter wirklich „die Welt verändert“ hast. Deshalb erwartet man von dir vermutlich Besonderes, als Musiker und als Mensch. Nimmst du diesen hohen Anspruch eigentlich als Belastung wahr?

McCartney: „Wenn ich daran glauben würde, sicher. Ich nehme mich aber nicht besonders wichtig. Natürlich denken manche Leute: .Jemand in seiner Position sollte dieses oder jenes tun!‘ Meine Sicht der Dinge ist anders: Ich kann es mir gar nicht leisten, alles so ernst zu nehmen. Wenn ich es täte, würde mein Kopf platzen vor tiefschürfender Gedanken. Ich will und muß versuchen, das Leben ziemlich leicht zu nehmen. Ich will mich nicht völlig verrückt machen. Letztlich geht es doch hier nur um Musik.

Es gibt zwar Leute, die in Musik ein Forum für sehr gewichtige Sachen sehen. Aber so ein durchgeistigter Künstler bin ich nun mal selten. Manchmal singe ich eben gerne Kinderreime.“

ME/Sounds: Nachdem du dich nun erstmals am Film versucht hast, was, abgesehen von Musik, würdest du gerne noch erreichen ?

McCartney: „Nun, ich habe eine Menge kleiner Wünsche und Ambitionen, von denen manche vielleicht noch .erwachsen‘ werden. Eine Sache, die ich gerne in Angriff nehmen würde, ganz ernsthaft, ist beispielsweise, einen Wohnblock zu entwerfen. Ich würde kleine Einheiten entwerfen, die wieder Kommunikation unter Nachbarn ermöglichen, mit viel Grün dazwischen.

Verstehst du, natürlich würde ich gerne über Nacht die Welt verändern, einfach Reagan anrufen… Aber so geht es eben nicht. Geschichte ist für mich wie eine Skulptur; man kann nur geduldig, Stück für Stück, daran arbeiten.

Selbst in den Sechzigern, als wir wirklich versuchten, mit dem Kopf durch die Wand zu gehen, lief das nur für ein, zwei Jahre. Dann löste es sich in Luft auf. Jeder muß seinen Teil beitragen, so gut er eben kann. Wenn englische Truppen in Irland Menschen umbringen, dann schreibe ich einen Song wie ,Give Ireland Back To The Irish‘. Wenn der Falkland-Krieg zu einem Wiederaufleben des Militarismus führt, dann schreibe ich ,Tug Of War‘.

Auf der anderen Seite: Wenn ich mit meinen Kindern spiele wie ein zufriedener Idiot, dann werde ich den entsprechenden Song schreiben.“

ME/Sounds: Du hast in der Vergangenheit mit begnadeten Kollegen wie Stevie Wonder und Michael Jackson gearbeitet. Auf der anderen Seite las ich in einem Interview, daß die Beatles bis heute für dich die beste Band, die besten Musiker geblieben seien…

McCartney: „Natürlich waren sie für sich genommen nicht besser als Stevie Wonder; Stevie ist ein Maestro. Aber für mich war diese ,chemistry‘, die Spannung und die Energie, etwas ganz Besonderes.

Es gab einen Moment, den ich für Johns Genie als typisch erachte, der auf den Punkt bringt, was er für mich bedeutet hat: Als ich ihm vorspielte: (singt) ,lt’s getting better all the Urne‘, und er einfiel: ,It couldn’t get much worse!‘ Das war er genau, sein Humor und Sprachwitz.

Johns Intellekt war unglaublich scharf; aber auch, was George und Ringo angeht,

war die Beziehung einmalig. Klar, wenn es um das Schreiben ging, waren das hauptsächlich John und ich. In Sachen Ideen, Stil und… eben ,chemistry‘ waren sie ebenso wichtig. Für mich ist es bis heute meine beste Band.“

ME/Sounds: So wie du heute von John sprichst, könnte man fast glauben, du vermißt eine Reibungsfläche, ein etwas zynisches Alter ego …

McCartney: ….. willst du den Job? (lacht laut) Nein, ernsthaft: Ich vermisse wirklich jemanden wie John. Wir haben es lange Zeit beide vermißt. Etwa zehn Jahre vor seinem Tod hörten wir auf, zusammen zu schreiben. Während dieser Zeit ging es uns beiden ähnlich. Wenn er jetzt hier sein könnte und mit mir komponieren wollte: Ja, bitte, ich würde wahnsinnig drauf stehen.“

ME/Sounds: Eine etwas merkwürdige Frage vielleicht: Was, glaubst du, hätte John wohl von deinem Film gehalten?

McCartney: „Ich glaube, daß er ihn gemocht hätte. Aber um es noch einmal klarzustellen (wird etwas schärfer im sonst lockeren Tonfall): Wir haben diesen Film nicht als tiefsinnigen sozialen Kommentar geplant. Er ist Feierabend-Entertainment. Es steckt keine erleuchtende Philosophie dahinter.“

ME/Sounds: Ich möchte noch einmal auf deine Zusammenarbeit mit Wonder und Jackson zurückkommen…

McCartney: „Also: ich bin ein Fan wie jeder andere auch. Ich war auch einmal einer der Teenager, die am Bühneneingang warteten, um nach Autogrammen zu fragen. Wenn ich Platten von Leuten wie Stevie höre, dann törnen die mich an wie andere auch. Mit dem Unterschied, daß ich mir sage: ,Wow, wäre aufregend, mit ihm mal zu arbeiten. ‚ Eines Tages rief ich ihn einfach an und fragte, ob er mitmachen würde.

Es ist sehr hart, mit ihm zu arbeiten. Kürzlich traf ich eine der ehemaligen Tanzpartnerinnen von Fred Astaire, die sagte:

,Glaub‘ mir, einfach war die Arbeit mit Fred nicht, aber großartig!‘ So geht es mir mit Stevie. Es ist hart, mit seinen Ansprüchen Schritt zu halten. Wenn du auch nur ein bißchen schlampig bist, hinterherhinkst – bang! – hat er dich erwischt.

Ähnliches gilt für Michael. Ungeheuer talentiert und ein wirklich netter, lieber Typ. Er wirkte auf mich sehr natürlich, wenn das in seiner Situation überhaupt möglich ist. Wenn wir zum Beispiel beim Essen saßen und mein sechsjähriger Sohn kam und sagte: ,Komm‘ mit unter den Tisch!‘ dann machte Michael das.“

ME/Sounds: Wenn wir schon von Songwriter-Kollegen sprechen: Hast du nicht den Eindruck, daß Komponisten deines Kalibers immer seltener wachsen?

McCartney: „Nein, die Dinge verändern sich nur. Möglicherweise gibt es immer weniger, die an das Schreiben herangehen wie ich. Aber das hat nur mit unterschiedlichen methodischen Ansätzen zu tun. Heutzutage schreiben eben nur noch wenige junge Leute mit Klavier oder Gitarre wie ich. Die meisten benutzen eine Drum-Maschine und einen Synthesizer und entwickeln zuerst den Background und dann die Melodie. Leute wie Ultravox, sie setzen den eigentlichen Song erst am Schluß darauf, wenn sie schon ihren Soundteppich liegen haben.

Diese Arbeitsweise mag dir so vorkommen, als sei ihr Talent als Songwriter nicht existent, weil sie das Pferd vom Schwanz aufzäumen. Aber wer schreibt denn vor, aus welcher Richtung man auf einen Song zugehen sollte? Vielleicht funktioniert diese Methode genauso gut wie meine, keine Ahnung?“

ME/Sounds: Ich glaube, von Mick Jagger stammt der Satz „It’s The Singer, Not The Song!“ Würdest du da zustimmen, macht der Sänger den Song aus, oder umgekehrt?

McCartney: „Das ist nicht von ihm! Das hat er geklaut – wenn auch nicht von mir. Ich glaube, es stammt aus einem Dirk Bogarde-Film oder so. Hör zu, er schmückt sich mit fremden Federn, der Michael Phillip, er ist nicht echt…

Natürlich ist er es, (zu einem imaginären Mick) tut mir leid, Darling, du bist wirklich toll, wundervoll…

Zur Frage: ,It’s The Singer, Not The Song‘? Nein, ich sehe es genau andersherum. Der Song macht es, nicht der Sänger.“

ME/Sounds: Glaubst du eigentlich, daß das Business heutzutage noch annähernd so lustig ist wie zu den Zeiten der frühen Stones und Beatles?

McCartney: „Ähm, nicht für mich. Damals war ich 20 und Junggeselle… sehr großer Unterschied.

Klar, der Anfang ist immer am aufregendsten – das war in deinem Job sicher genauso. Wenn deine Platte zum ersten Mal in die Charts kommt, möchtest du am liebsten die Fenster aufreißen und es in die Welt hinausschreien: ,Wir sind Nummer 27!!!‘ Und alle denken, du hast einen Schuß.

Heute macht es mir noch Spaß, aber dieser ,thrill‘ ist natürlich weg. Sicher, der Erfolgsdruck ist nicht mehr so groß. Ich gebe mir Mühe, tue mein Bestes, und wenn es nicht gut genug ist – Pech!

Kürzlich sah ich ein Interview mit dem Schauspieler James Caan, und er sagte:

,Ich mag die Schauspielerei sehr, aber lieben kann ich nur meine Kinder, meine Familie; die Dinge, die mich wirklich tief berühren. Wenn einer meiner Filme ein Flop wird, werde ich keinen Selbstmord begehen. Es ist nur ein Job.‘ So sehe ich das auch.“

Einschub
Kein Thema? Jenseits des Guten, nur noch Böses? Gespräche mit ehernen Denkmälern verlaufen in der Regel eher einseitig: Journalisten fragen /Popstars antworten … nicht – oder aber nur in Form von vorgestanzten Info-Platitüden.

Wie wenig eisern solche Regeln dennoch ausgelegt werden können, wenn guter Wille im Spiel ist, zeigt sich an einem regnerischen Tag in den Londoner „Trillion“-Filmstudios: Paul McCartney, 42, verheiratet, vier Kinder, Milliardär, Multi-Instrumentalist und der Welt erfolgreichster Komponist, gibt sich lustig, locker – ja gab sich vor allen Dingen Mühe, Fragen wirklich erschöpfend zu beantworten.

Die „Times“ nannte ihn kürzlich einen „brillanten Manipulator der Medien“, der mit naivem Charme und wohlkalkulierter Cleverness sein Image zu pflegen verstehe. Da ist etwas dran: Bis auf ein paar graue Strähnen im Haar kaum geaitert, zieht der einstige Posterheld von Millionen Mädchenzimmern auch Interview-Partner mit Offenherzigkeit und Selbstironie in seinen Bann.

Man mag zu seiner Musik (einschließlich.. GIVE MYREGARDS TO BROAD STREET) stehen, wie man will- es ist nicht einzusehen, warum gerade McCartney mit aller Gewalt und Boshaftigkeit am Zeug geflickt wird. Mit ihm ist man grundsätzlich viel härter ins Gericht gegangen als mit Lennon.

Auch für den „Broad Street“-Film gab es in Amerika umgehend Verrisse. Die „New York Times“ kritisierte, daß der Streifen lediglich eine Aneinanderreihung von Video-Clips sei, „America Today“ tat ihn als „Schnickschnack“ ab.

Wir werden zum Beginn des Jahres auch hierzulande erleben, ob sich McCartney einen Ausrutscher geleistet hat. Solange er bei seinem eigentlichen Leisten, dem Songschreiben, bleibt, ist er ein Thema.