Personic System


Wieder mal waren es die Amerikaner, die mit einer cleveren Idee den Plattenhandel revolutionieren wollen: Mit dem Personics Computer kann sich jeder sein Wunschkonzert auf Cassette ziehen. ME/ Sounds-Mitarbeiter Ross Paskal sah sich in LA das Wunderding an.

Wer hat nicht schon mal eine LP gekauft, um zu Hause ernüchtert festzustellen, daß nur ein passabler Song drauf war? Wem stinken nicht die 20 Mark, wenn’s die Single oder Maxi auch getan hätten? Wer hat nicht die Schnauze voll von Radio-Wunschkonzerten mit ewig labernden DJs?

Wäre es nicht eine geile Idee, wenn man sich sein Wunschprogramm auf eine Cassette ziehen könnte? Nur: Wer im Bekanntenkreis hat schon so eine Riesen-Sammlung und läßt einen dann ran?

Aufatmen, Freunde, die Rettung ist nahe – die cleveren Amis haben die Marktlücke ausgemacht und wollen sie stopfen. Mittels eines neuen Automaten kann Otto Normalhörer sein eigener Programmdirektor werden. Für Geld natürlich.

In Los Angeles und New York wird seit einigen Monaten das „Personics System“ getestet: Man geht nicht mehr in den Plattenladen, um sich eine LP oder CD zu kaufen, sondern kann sich unter Tausenden von Titeln seine eigene Wunsch-Cassette zusammenstellen – für die Party, fürs Auto, oder für eine Oldie-Sammlung, die beim Kauf der einzelnen Platten unerschwinglich wäre.

In Los Angeles stehen seit Beginn dieses Jahres Computer des Personics Systems in 29 Plattenläden, und die Geschäfte gehen gut. Bis Ende des Jahres sollen 500 dieser Automaten in den USA persönliche Wunsch-Cassetten ziehen. „Anfangs lief alles noch sehr zögernd an. Doch die Idee spricht sich herum; wir haben seit einigen Wochen starke Zuwachsraten“, sagte uns der Manager der „Wherehouse“-Filiale am Sunset Boulevard, einem der größten Plattengeschäfte der Stadt.

Das Prinzip ist erschreckend einfach: Man sucht sich am Automaten aus einem riesigen Katalog seine Favoriten von Pop über Jazz zu Klassik heraus, speichert die Nummern in einem Computer – und erhält fünf Minuten später seine eigene, mit Namen und Titeln beschriftete Cassette. Wer will, kann seine Songs auch probehören. Bis zu 25 Songs oder 90 Minuten faßt eine Cassette – bei exzellenter Bandqualität.

Sowas kostet natürlich – von 50 Cents bis zu 1.50 Dollar pro Titel, je nach Beliebtheit. „Im Durchschnitt liegt eine Cassette zwischen 15 und 20 Dollar“, so der „Wherehouse“-Manager. Keine Kleinigkeit, dafür hat man dann aber auch sein Wunschkonzert.

Beim Durchlesen des Katalogs findet man witzige Sachen – den teuersten Durchschnittspreis im Personics System hat eine Dame namens Teresa Trull mit $1.25 pro Song, einer der billigsten ist Warren Zevon mit durchschnittlich 75 Cents. Kajagoogoo und Dion gibt’s schon für 50 Cents pro Titel. Heavy Metal kostet durchweg einen Dollar, genau wie Reggae. Jon Butchers neuen Song „Send Me Somebody“ gibt’s sogar umsonst – ein Zeichen, daß einige Plattenfirmen das System bereits als gezieltes Werbemittel für neue Talente einsetzen. Am teuersten ist Beethovens Piano Sonata Nr. 14 mit zwei Dollar, dafür klimpert Ludwig Van dann aber auch gleich eine knappe Viertelstunde lang.

Für echte Audio-Fanatiker gibt’s sogar eine Abteilung mit Soundeffekten: Für 25 Cents pro Stück kann man sich explodierende Atombomben, schreiende Babies, kreischende Kettensägen oder eine Toilettenspülung aufs Band nehmen lassen.

Eine perfekte Idee, so scheint es, aber irgendwie muß die Sache auch einen Haken haben, denn wer würde sich sonst noch Platten kaufen.

Der Haken liegt, vorläufig jedenfalls, in der Auswahl. Von den neuesten Hits steht keiner im Personics Computer. Plattenfirmen bieten dem Personics System (noch) nicht die Renner an, sondern erlauben nur den Einsatz eines langsam verkaufenden Katalogs. Deshalb fehlen die Beatles ebenso wie die Rolling Stones oder Who. Anstatt Madonna gibt’s die Mamas & The Papas, statt Michael Jackson die Jackson 5. Das soll sich jedoch bald ändern: Demnächst wollen die Personics-Manager die Palette mit aktuelleren Titeln erweitern.

Die ersten Schritte sind gemacht – Polygram gestattete soeben die Aufnahme von Bon Jovis „Slippery When Wet“ und Def Leppards „Hysteria“ in die Sammlung, selbst Anita Bakers US-Hit „Giving You The Best That I Got“ spuckt seit neuestem der Computer aus.

Plattenfirmen stehen dem Personics System überwiegend aufgeschlossen gegenüber, was durchaus verständlich ist, da im Gegensatz zur in Heimarbeit gezogenen Cassette hier auch die Kohle rüberkommt. Nicht nur das – in sämtlichen Läden, die Personics System als Service anbieten, stiegen die Verkäufe von Tonträgern deutlich an.

Einige Plattenfirmen sehen Personics trotzdem als Gefahr. A&M Records zum Beispiel ist vehement dagegen: In ihren Augen verlieren Songs automatisch an Wert, wenn sie aus dem Zusammenhang der LP gerissen werden; Konzept-Alben eignen sich ohnehin nicht. Die Betreiber des Personics System geben sich trotzdem optimistisch: Der Markt würde solche Bedenken zum Schnee von gestern machen.