Pop im Epizentrum


Epic leistet Kulturarbeit im Geiste eines Independent Labels und mit der Schubkraft einer großen Plattenfirma.

Das Foyer der Plattenfirma Sony glänzt mit futuristischem Ambiente. Eingelassen in die Wände sind Bildschirme, auf denen Xavier Naidoos aktuelles Video flimmert, Sonys Playstation wartet einsatzbereit in einer Ecke, und ein dritter Screen zeigt, gleich der Anzeigetafel auf einem Flughafen, die aktuellen Chartnotierungen der hauseigenen Acts. Ausgerüstet mit gelbem Besucherausweis hebt uns der Lift sanft in den verregneten Himmel über Frankfurt, bis in den fünften Stock. Hier sieht die Welt schon ein bißchen anders aus. Hier ist es eine schlichte Schiefertafel, auf der die Angestellten mit bunter Kreide den Stand der Dinge illustrieren. „Von Weißglut verkaufen wir täglich immerhin noch etwa 50 Stück“, sagt Managing Director Jörg Hacker, stets auf dem laufenden, und bringt damit das Thema gleich auf einen der heikelsten Künstler von Epic. Der Sänger von Weißglut nämlich hat seinen Hut nehmen müssen, nachdem ihm zur Last gelegt worden war, daß in der Vergangenheit höchst bedenkliches politisches Gedankengut von ihm ausgegangen sei. „Nach dem ganzen Wirbel können wir uns jetzt endlich wieder um die Musik kümmern.“ Das macht Jörg Hacker mit seiner motivierten Crew nun schon seit zweieinhalb Jahren. Angefangen hat er vor rund elf Jahren als Rundfunkpromoter bei der Stuttgarter Plattenfirma Intercord. Nach einer Zwischenstation als A&R-Director bei Edel hat er schließlich beim Start von Epic Deutschland das Ruder übernommen: „Bei mir laufen alle Fäden zusammen. Deshalb ist es in erster Linie auch meine Aufgabe, daß die Mitarbeiter Spaß an der Arbeit haben, weil nur persönliches Engagement den Erfolg garantiert“. Das Repertoire seines Labels bezeichnet er – im Gegensatz zu dem des zweiten Sony Music-Label Columbia – als „eher etwas independentlastig, aber immer mit Blick auf die Charts“. Das sei auch teilweise ein Vorteil von Epic: Mit dem Geist einer unabhängigen Company und dem finanziellen Rückhalt eines Majors könne „hier langfristige und zielgruppengerechte Marketing- und PR-Arbeit geleistet werden.“ Der Witt-Megahit „Die Flut“ beispielsweise war von den meisten Radiostationen abgelehnt worden: „Da schneiden sich unsere Hörer ja die Pulsadern auf“, lautete der abschlägige Kommentar eines Redakteurs, den ein Macher wie Jörg Hacker freilich nicht gelten lassen mochte – schließlich sieht er als alter Freund von akustischem Schwermetall in Künstlern wie Rammstein oder Witt die logische Fortsetzung vergangener Heftigkeit. So zogen Hacker und sein Team promotechnisch „alle Register“, und bald rotierte das Video bei Viva Zwei und Viva. Die Flut rollte an und war bald nicht mehr aufzuhalten – 750.000 Verkäufe sprechen für sich. Dazu gehört auch, hin und wieder auf vergessen geglaubte, unkonventionelle Methoden zurückzugreifen: Das hauseigene Magazin – an Presse, Funk und Fernsehen verschickt – informiert die Öffentlichkeit im hippen Fanzine-Format über die Aktivitäten des Hauses und gibt ihr darüber hinaus noch eine CD mit Hörproben an die Hand. Nebenbei läßt sich auf diese Weise auch die Übersicht bewahren.Tummeln sich doch diverse Labels im Epic-Vertrieb, die eigenständig Marketing und Promotion betreiben. Das erfolgreichste und größte unter ihnen ist die Rödelheimer Talentschmiede 3p (Xavier Naidoo, Sabrina Setlur, Moses Pelham, Illmatic, Bruda Sven u.v.a.). Klar, daß sich auch das Künstlerraster von Epic sehen lassen kann: Mit den Manic Street Preachers, Suede, Oasis, 3 Colours Red, Travis oder Reef ist die Creme des neuen britischen Rockbooms im Boot. Die Über-Entertainer Michael Jackson, George Michael, Jamiroquai oder Des’ree sind alte Bekannte. Aus Amerika grüßen neben Pearl Jam und Rage Against The Machine die Rock-Durchstarter von Creed, Korn, Fuel 238 oder Altmeister Jeff Beck ebenso wie R&B, HipHop- und Soul-Acts á la Ginuwine, Tatjana Ali und TQ. Und dank Fatboy Slim, Crystal Method, Apollo 440, Freddy Fresh oder MK2 tanzt Epic auch bei den neuesten Trends ganz vorne mit. Jörg Hacker engagiert sich besonders für den „nationalen Bereich“, nämlich den Aufbau deutscher Künstler. Auch hier reicht das Spektrum von Hip Hop (Vega, Kinderzimmer Productions) über Rock (Stoppok, Die Sterne) bis zu „neuen harten Klängen“ (Witt, Blind Passengers, Such A Surge). Um diesen Sektor weiter auszubauen, hat Hacker in Berlin und Hamburg regionale A&R-Manager eingesetzt, die „dort für uns als Scouts das Ohr auf der Schiene ‚ihrer Stadt‘ haben sollen“. Weil er selbst „leider immer weniger Zeit findet“, die eingesandten Demotapes hoffnungsvoller Newcomer nach Perlen zu durchstöbern, muß er sich voll auf seine A&R-Mitarbeiter („Artist & Repertoire“) verlassen können. „Ein guter persönlicher Draht zu Produzenten, Studios, kreativen Labels oder Künstlern direkt ist das A und O“, sagt Hacker, auf dessen Schreibtisch CDs, DATs undTapes zu veritablen Türmen gestapelt sind. So hätte Epic wohl kaum den Zuschlag für den Millionenseller „It’s Like That“ von Run-D.M.C. vs. Jason Nevins bekommen, wenn der Geschäftsführer nicht schon seit Jahren beste persönliche Kontakte zu den Machern gepflegt hätte, dem New Yorker Hip-Hop-Label Profile Records. Eine Platinsingle von „It’s Like That“ hängt heute eingerahmt in Hackers Büro.