R.E.M.: Oberhausen, Arena


DIE BRÖTCHEN SIND ALLE. „NÖ“, SAGT DER JUNGE MANN AM Imbißstand, „haben wir nicht mehr.“ Nun gut, man kann seine Bratwurst auch solo essen. Aber seltsam ist das schon. Auch, daß die Veranstalter-Hilfskräfte über die eigenen Örtlichkeiten eher rudimentäre Kenntnisse haben: „Ich glaube, der Infostand ist da hinten.“ Doch nicht nur beim organisatorischen Drumherum, auch in der Halle läuft’s erst mal nicht so dolle. Suede bemühen sich als Support nach Kräften, ihrer Musik Individualität einzuflößen, aber irgendwie will das mit dem Glam heute nicht so ganz hinhauen. Schwamm drüber. Dann endlich: R.E.M. Michael Stipe begrüßt das Auditorium mit einem zackigen „Good night Dortmund“ – nicht ganz korrekt, dafür gibt es dann beim Opener „Lotus“ allerhand zu gucken. Mike Mills beweist im knatschroten Anzug offensives Modebewußtsein, Peter Bück, daß er noch immer auf eine zeitlose Nicht-Frisur setzt, und Michael Stipe, welch flotter Tänzer er doch ist. Und alle drei zusammen beweisen mit ihren Mietmusikern (große klasse: Beck-Schlagzeuger Joey Waronker), daß sie auch anders können. R.E.M. spielen sich launig durch ihr Gesamtwerk, verpassen Uptempo-Nummem wie „The Wake-Up Bomb“ nochmal eine Portion Energie extra und machen – jawohl: Rock mit jeder Menge Roll. Keine Spur vom klischeehaften Image der Band als introvertierte Kopfmenschen. Michael Stipe gockelt enorm sexy von rechts nach links und wieder zurück – die Bühne ist sein, in ihrer ganzen Breite – fegt die Textblätter bereits gespielter Songs vom Notenständer und hält sodann eine kleine Rede zu dem größten Hit, der R.E.M. passiert ist: „There’s a difference between entertainment and entertainment, and we’ll show you: ‚Losing My Religion‘.“ Kann man den Status und die Geschichte der eigenen Band besser reflektieren? Schließlich „The One I Love“, der „Popsong 89″ und“At My Most Beautiful“ – Michael Stipe als Brian Wilson, Mike Mills als Beach-Boys-Background-Chor. Ein Wahnsinn, ein schöner. Als vorletzte Zugabe gibt Stipe bei „The Passenger“ den Reserve-Iggy-Pop, zieht dabei stilecht obenrum blank und erfreut sich an den vielen „Lalalas“. Ein knackiges Schlagzeugbreak, und zum grande finale gibt’s „It’s The End Of The World As We Know It (And I Feel Fine)“. Stimmt. Grandioses Konzert, phantastische Band. Und Michael Stipe ist der Mann, der mal allen gezeigt hat, wie man Androgynie zelebriert: Als herausragender Sänger, als ein großer Poser vor dem Bühnenrand. Und vor dem Herrn und der Dame sowieso. Die Neon-Leuchtreklame über der Bühne blinkt ein grünes „thank you“ in die Halle – Strom ist wenigstens reichlich vorhanden in Oberhausen – und wir fahren nach Haus. Enthusiasmiert. Froh, glücklich, zufrieden. Und sogar voller Zuversicht, daß die Veranstalter in Oberhausen demnächst beim Bäcker zehn Brötchen mehr ordern, wenn abends Gäste erwartet werden.