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Kritik: So geht die Netflix-Serie „Bonding“ gegen das BDSM-Stigma vor


Welche sexuellen Fetische fallen Euch so ein? Die Netflix-Miniserie „Bonding“ will ihnen am liebsten allen nachgehen und dabei Tabus brechen. Kauft man den Machern aber nur so halb ab.

Sex und Beziehungen in Film und Serien sind durch. Irgendwie so 90er. Zeit, um mal den Blick weiter schweifen und neue Themen zu finden, die sexy und gleichzeitig edgy sein können. Genau dort will die Netflix-Serie „Bonding“ ansetzen und das wieder gut machen, was „Fifty Shades of Grey“ vermasselt hat. Also dreht sich in den sieben Folgen alles um BDSM. Ganz ohne das Gekuschele, dafür mit Gekitzele. Und etwas Freundschaft. Und darum, für sich selbst einzustehen. Die 17-minütigen Episoden sind eben immer noch für ein Publikum unter 18 Jahren vorgesehen. Also Lack und Leder – aber ohne Gedanken über die Zukunft zu vergessen.

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In „Bonding“ gibt Zoe Levin (bekannt aus „Palo Alto“) die Psychologie-Studentin Tiff, die sich nebenbei noch ihr Geld als Domina verdient. Als Mistress May hat sie jede Menge Kunden mit den unterschiedlichsten Wünschen und Fetischen. Einer will im Pinguinkostüm wrestlen, einer will geknebelt und bepinkelt werden und der nächste wünscht sich halt mal so richtig schön ausgekitzelt zu werden. Für die Aktionen will sie bald einen Assistenten an ihrer Seite haben und die Begegnung mit ihrem alten Schulfreund Pete (Brendan Scannell, „Heathers“) kommt ihr da gerade recht. Zunächst sagt er nichtsahnend zu, bei welchem Job auch immer zu helfen. Doch ist er erst einmal eingeweiht in die Abläufe und Vorlieben der Kunden, geht er so in der Tätigkeit auf, dass er genauso gut Mister Pete heißen und seinen eigenen Haussklaven haben könnte.

Doktor-Sommer-Probleme und konstruierte Dialoge

Bei all dem sexy Talk kann es sich die Serie nicht leisten, lange in einer Szenerie zu bleiben. Die Facetten von BDSM werden ein wenig zu konstruiert und in Doktor-Sommer-Manier durchgeskippt. Für eine paar emotionale Zwischentöne sehen wir die Twenty-Somethings dafür beim Verzweifeln am Alltag. Tiff muss sich gegen den sexistischen Macho-Prof behaupten und Pete gegenüber seines freizügigen Mitbewohners. Als Comedian will er eigentlich auf die Bühne und ein paar einigermaßen geprobte Gags über seine Homosexualität machen. Bevor es zum großen Auftritt kommt, kneift er.

Die kurzen Folgen, schnellen Schnitte und schrillen Neonfarben erlauben ein Gefühl von kurzweiliger Vorabendunterhaltung. Hier will man eine nette Zeit vermitteln, ein paar aktuell gut laufende Themen anbringen (Frauen haben auch Bock auf anderes als Blümchensex! Und sowieso, Powerfrauen! Jetzt alle was gegen Machtmissbrauch und einen langweiligen Alltag tun!), aber sicher nicht tiefer graben. Soll das ausreichen, um gegen das Shaming vorzugehen, was mit Sadomaso einhergeht? Nur weil hier eine junge Dünne mit makellosem Teint und einer Top-Garderobe die Peitsche schwingt, ist das weniger Tabu? Die BDSM-Community fühlt sich jedenfalls von der neuen Eigenproduktion von Netflix verarscht. Echt und authentisch sei hier schon mal gar nichts. US-Regisseur und Autor Rightor Doyle macht aber auch keinen Hehl daraus, dass es sich um eine stark fiktionalisierte Version der Realität handele.

Warum auch nicht? Die Masse würde man mit einer Bonding-Reality-Show nicht erreichen. Durch dieses Häppchen-Storytelling mit Augenzwinkern bingt man die erste Staffel der Serie mühelos durch. Gerade von Petes Standup-Einlagen will man mehr hören, denn die würden sich auch in einem eigenen Netflix-Special ziemlich gut machen. Sie erlauben eine Balance zu den aufgesetzten Momenten, die selbst bei „Sex and the City“ herausgefallen wären. Sie zeigen, was für eine längst benötigte Frische die Serie zwischen den unzähligen True-Crime-und Teenie-Formaten mit sich bringt.

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Ob es eine weitere „Bonding“-Staffel geben wird, ist bisher unklar. Showrunner Doyle könnte auf jeden Fall noch mehr aus dem Nähkästchen plaudern. Schließlich arbeitete er selbst als Domina-Bodyguard, als er mit Anfang Zwanzig nach New York kam, um es dort in der Filmbranche zu schaffen. Ihm ist viel daran gelegen, das Stigma aufzubrechen, welches BDSM hat. Gutaussehende Hauptdarsteller mit einem großen Selbstbewusstsein, aber kleinen Poren und halbwegs handlebaren Problemen sind da die genau richtige Ausgangslage.

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„Bonding“, Staffel 1, seit 24. April 2019 auf Netflix im Stream verfügbar