Joni Mitchell – Wild Thing Run Fast

„Was ich schreibe, habe ich selbst empfunden, geträumt oder erlebt.“ Worte, Einsichten, Wahrheiten, die Roberta Joan Anderson einst einem Kritiker anvertraute. Auch für ihr neues Album bleibt Joni dieser Authenzität in ihren Songs treu. Nach fast zweijähnger Pause 1980 erschien ihre letzte Platte, das Live-Doppelalbum SHADOWS AND LIGHT – gibt sie wieder partielle Einblicke in ihre ätherische Gefühls- und Gedankenwell. Nur in zwei Fällen greift sie auf vorgegebenes Material zurück: „(You’re So Square) Baby, I Don’t Care“ von Leiber Stoller und „Unchained Melody“ von Hy Zaret’Alex North.

Ihre Eigen-Kompositionen sind wieder “ wie die cleversten Novellen konstruiert: Slones innerhalb von „Stones“ (Rolling Stone). Auf Seite Eins spinnt die inzwischen 39jährige Joni Mitchell dabei den Faden weiter, der 1979 für die Studio-LP MINGUS, eine intensiv persönliche Hommage an den legendären Jazz-Bassisten, aufgenommen wurde. Ruhige, jazzige Balladen malen ein entspanntes Stimmungs-Bild, das poetisch-lyrische Streilzüge durch Joni Mitchells verstricktes Gedanken-Netz über Liebe, Alter und Kommunikation beinhaltet. Die filligranhaft ausgefeilte Jazz-Instrumentierung mit eingefügten Folk-, Soul- und Rock-Tupfern liefert das Fundament, auf dem die Sängerin ihre modulationsreiche Vier-Oktaven-Stimme zum Schwingen bringt.

Einzig beim Titelsong „Wild Things Run Fast“ kommt Tempo aui. Hier deutet Joni Mitchell eine neue Öffnung zum Rock an, die vor allem aui der Rückseite dieser LP zum Tragen kommt. Gleitet man im ersten Titel „Be Cool“ noch im geschmackvoll jazzigen Folk-Sound von Seite Eins weiter, so setzt die Leiber/Stoller-Komposition den Startschuß für eine aufgewühltere, druckvollere Atmosphäre.

Nicht immer wirkt diese stilistische Öffnung überzeugend. Spätestens mit ihrem MINGUS-Album hatte Joni Mitchell bewiesen, daß ihre überzeugende Stärke in einem dezenten, ausgeglichenen Jazz-Folk-Sound liegt. Ein Duett mit Commodores-Sänger Lionel Richie beispielsweise kann da nur störend und aufgesetzt wirken.