Little Simz

Stillness In Wonderland

Age 101

Die Britin macht mit dieser eklekti­schen HipHop-Platte Kendrick Lamars Vorschusslorbeeren alle Ehre.

Nach ihrem von Jay Z und Kendrick Lamar gepriesenen („the illest doing it now“) Debüt A CURIOUS TRAIL OF TRIALS + PERSONS holt die 22-Jährige nochmal ganz neu aus: Mit ihrem furchtlosen Alice-im-Wunderland-goes-Londoner-Street-Rap-Rundumschlag manövriert sie sich um einige Level nach oben – und ein ganzes Stück näher an Genre-Heroinen: Janelle Monáe, Lauryn Hill, Erykah Badu. Man hört diesen unbedingten Willen zur großen Vision in jedem Arrangement und jeder Textzeile. Lewis Carrolls Alice dient ihr als Leitfaden, als Metapher für die seltsame Welt, die ihr Alltag ist: „I don’t feel at home, even in my own town.“

Vage hangelt sie ihre wortgewandten, persönlichen Selbsterkenntnis-Trips an der Grenze von Realität und innerer Fantasiewelt entlang: Es geht ums Business, soziale Zwänge, Polizeigewalt, Liebe und die Flucht in die Kunst. In den besten Momenten erinnert die breitangelegte Narrativstruktur an andere große britische Rap-Erzähler wie The Streets oder zuletzt Kate Tempest. Wirklich verblüffend sind aber die vielseitigen Arrangements, die butterweich zwischen verschiedensten Einflüssen hin und her gleiten: Grime, R’n’B, Neo-Soul, psychedelischer Jazz, Reggae.

Wer sich an die kühlen, schweren Basslines des Debüts erinnert, wird überrascht sein, wie souverän sich ihre wendigen Rap-Passagen in allen möglichen Sound-Umgebungen bewegen: Das gilt für die vernebelten Gitarrenläufe in „Poison Ivy“ ebenso wie für den Saxofon-Party-Groove in „Picture Perfect“. Weil aber Eskapismus auf Dauer auch keine Lösung ist, tritt Little Simz am Ende wieder aus dem Kaninchenbau ans Licht: „Real shit is happening and my people need me. And therefore: I’m out.“