Tim Buckley :: Tim Buckley

Rhino/Warner

Die Deluxe-Two-Disc-Ausgabe des Debüts von 1966 erinnert an den großen, gescheiterten Sucher und Folk-Charismatiker einer Epoche.

1966 war das Jahr, in dem Revolver von den Beatles, Pet Sounds von den Beach Boys und Blonde On Blonde von Bob Dylan erschienen, längst kanonisierte Hauptwerke des Pop. Viel weiter in die Zukunft klang aber das, was der Amerikaner Tim Buckley auf seinem Debüt veröffentlichte. Genauer: Was spätere Alben wie Starsailor und Greetings From L.A. noch hervorbringen sollten, die am langen Schwanz des Free Jazz hängenden seltsam eiernden Elegien und die bittersüßen Momente, die man der Zerstörung des Rock’n’Roll entnehmen kann, findet sich in wohl dosierten Ansätzen auf diesem knapp 34-minütigen Album von 1966 und den jetzt in einer Extra-CD dazugestellten, bislang unveröffentlichten Aufnahmen von 1965 und 1966, die auch schon mit Songwriting-Partner Larry Beckett entstanden. „I Can’t See You“, das erste Stück auf Tim Buckley, fällt mit einer bis zum Schiefklang gehämmerten Gitarre aus dem Rahmen des damals noch gültigen Folk-Curriculums, im nächsten Moment steuert der Sänger mit seinem bohrenden, beißenden Tenor jenen Ort der Glückseligen an, den eine ganze Generation in den denkwürdigen drei Augusttagen von Woodstock 1969 erleben (und bald wieder verlieren) sollte. Rausch, Grenzenlosigkeit, Vereinigung. Tim Buckley konnte Emotionen in verschiedene Sprachen übersetzen: Er spielte psychedelische Sirtaki („Strange Street Affair Under Blue“), beschleunigte den Rhythm’n’Blues („Grief In My Soul“) und lud uns ein, seinen Halluzinationen zu folgen, „Listen to my magic voice …“ („Song Of The Magician“). Er war der Sänger, der so lange auf einer Note sitzen bleiben konnte, bis dem Publikum der Atem stocken blieb, der große, majestätische Melodien mit der Verletztheit eines zärtelnden Folk-Troubadours in den Raum schickte. Die arme Seele, die vor Unruhe zu wandern begann und erst in der Dissonanz ihren Frieden fand. 1975 starb der Song-Poet an einer Überdosis Morphium und Heroin. Mit Tim Buckley hatte die Musik einen der wunderbaren, wenngleich gescheiterten Sucher verloren, der seine Sehnsüchte und Wehklagen in außerordentliche Metriken und Melodien zu gießen verstand. Besser als mit diesen ersten Songs ist ihm das nie wieder gelungen.