Tommy

Nein, Regisseur Ken Russell ist kein Freund subtiler Zwischentöne, er schätzt das Pathos, das Operettenhafte. Vordergründige und Laute. Was auch seine bonbonbunte Adaption von tommy beherrscht, jener „Rock-Oper“, mit der Pete Townshend seine angeschlagene Band The Who doch noch in die siebziger Jahre rettete. Und was sich in Filmcharakteren niederschlägt, die jedem Comic-Heftchen alle Ehre machen würden: Elton John in Schuhgröße 853, Oliver Reed als schmieriger Stiefvater, Jack Nicholson in der Rolle des undurchsichtigen Doktors und Ann Margret als saufende, ignorante Mutter. Weil das noch nicht reicht, mimt Tina Turner eine durchgeknallte Drogenbaronin und Eric Clapton einen Prediger, während Keith Moon den pädophilen Schmuddelonkel gibt. Und alle haben es auf ihn abgesehen: Roger Daltrey als Tommy, unschuldig blondbelockt wie das Christkind auf dem Nürnberger Weihnachtsmarkt. Blind, taub, stumm und nach Erlösung suchend. Bedeutungsschwanger ist das alles bis zum Exzeß, also echte Holzhammer-Popkultur der siebziger Jahre mitsamt ihren Schockeffekten, Ekligkeiten und spirituellen Obertönen. So plakativ, wie naive Kunst eben ist. Gerade dann, wenn sie auch noch ernsthafte Botschaften vermitteln will. Welche Botschaft Pete Townshend oder Ken Russell im Sinn hatten, ist auch nach rund 30 Jahren eher vage; vermutlich ist es die Selbstbefreiung, die all dem Mißbrauch, Massenwahn und der Gewalt folgt. Nun gut. Das hätte man auch einfacher haben können. Andererseits: Unterhaltsam ist Tommy durchaus, ein fiebriges Spektakel, ein Pop-Art-Comic-Strip zum schnellen Verzehr, und nicht zuletzt das Dokument einer Pop-Ära, die in ihrer pathologischen Aufgeblasenheit den Punk ziemlich nötig hatte. Die „Special Collectors Edition“ kommt mitsamt Bonus-DVD, Interviews und Trailer. Das sollte allerdings nicht kaufentscheidend sein.

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