Roger McGuinn


Zehn Jahre lang zog der Gründer der Hippie-Heroen The Byrds mittellos mit seiner Westemklampfe durch schmierige US-Clubs. ME/Sounds-Mitarbeiter Teddy Hoersch fand heraus, warum der Vogel-Vater plötzlich wieder durch die Charts fliegt.

Der gute Roger sieht genauso alt aus. wie er ist: 49. Der Mund ein schmaler Strich. Krähenfüße um die Augen. Kein Jugendstil mehr, aber sehr gepflegtes Mittelalter. Kein Bauch, dichtes Haar, ein Rock-Cowboy in Jeans, schwarze Lederweste, Hemd. Auf dem Schoß eine ebenfalls schwarze Rikkenbacker. Der Singsang dieser zwölfsaitigen Gitarre (die Firma Rickenbacker hat ein von Roger mitentwickeltes Signature-Modell herausgebracht) ist ein Markenzeichen dieses Musikers aus Chicago, das Andere: Der unverkennbare, quengelig-näselnde Ton seiner Stimme.

Auf den ersten Blick wirkt Roger ein wenig mißmutig, doch in Wahrheit ist er nur etwas scheu, manchmal fast unbeholfen und das macht ihn wieder sympathisch. Als ich behaupte, er sei Herz und Hirn der legendären US-Combo The Byrds gewesen, verzieht er das Gesicht, als habe er gerade auf eine Zitrone gebissen. „Nein, nein“, wehrt er ab, „50 kann man das nicht sagen. Die Backing Vocals von Gene Clark — alles hat mitgeholfen, die Bvrds zu dem zu machen, was sie im Rückblick sind.“

McGuinn. 1980 abgetaucht und seitdem kein Album und kaum ein Lebenszeichen, hat sich mit der bei Kritikern hochgelobten LP BACK FROM RIO zurückgemeldet. Auf das Thema .Byrds‘ kommt er dennoch selbst und spielt — als akustische Illustration -— den Byrds-Klassiker „Eight Miles High“ an. „Wenn man so spielt wie ich mit diesem Jingle-Jangle-Sound der 12-Saiiigen und dann so singt, sind die Fragen nach den Bvrds eigentlich unvermeidlich. “ Stimmt! Für das wiedererwachte Interesse der Medien an diesem bislang verstaubten .Vogel‘ hat er zwei Erklärungen. Die erste: „Als im Laufe der Achtziger Bands wie R.E.M. populär wurden und sich in Wort und Ton auf die Byrds bezogen, begann die Renaissance unseres Sounds. Man konnte den Einfluß bei sehr vielen Bands hören: Folk-Harmonien und 12-String-Gitarre. Plötzlich riefen die Plattenfirmen bei mir an und fragten, ob ich nicht ein neues Album machen wolle. „Die zweite Erklärung: „Man muß nur lange genug dabei sein, dann erlebt man, daß das Alte wieder zum neuen Trend erklärt wird. Wenn ich mich bei jungen US-Ensembles umhöre, dann fühle ich mich manchmal wie ein stolzer Daddy. Das sind meine Jungs da draußen. „

Im Januar 1991 wurden diese Vatergefühle offiziell bestätigt. Während US-Präsident Bush im Fernsehen über die ersten Luftangriffe gegen den Irak berichtete, wurden die Byrds in die „Rock ’n‘ Roll Hall of Farne“ aufgenommen. Und zum ersten Mal seit 17 Jahren sah man die in Ehren ergrauten Herren wieder gemeinsam auf einer Bühne. Die Byrds — so Festredner Don Henley (selbst ein Byrds-beeinflußter Musiker) -— waren in den Sechzigern „der Weckruf für eine neue Generation!“ Transzendenz, friedliche Spiritualität. Mystizismus — darauf basierte laut Vogelkundler Henley die breite Wirkung dieser Formation. Eine Wirkung, die heute wieder volle Kraft erlangt hat.

Kein Wunder, daß McGuinn mit BACK FROM RIO die Gunst der Stunde ausnutzen kann. Amerikanische Zeitungen berichten lang und breit über sein zweites Coming out: „Rickenbackers nde“, hieß es dort zum Beispiel, oder: „A Bvrd flies again“,

„Big Byrd“ und auch „Eight miles high twenty five vears later“.

Doch auch wenn der Albumtitel es nahelegt, McGuinn verwehrt sich gegen das Gerede von einem Comeback: „Ich war nicht weg. Ich hatte mich Anfang der Achtziger nur dazu entschlossen, zu meinen Folk-Wurzeln zurückzukehren. Ich packte die Akustikgilarre in meinen Transporter, nahm meine Frau mit, reiste von Stadt zu Stadt und spielte in Clubs. Und es war toll. So als würde ich zu meinen Anfängen nach Greenwich Villa^e zurückgehen.“

So ganz freiwillig kochte McGuinn freilich nicht auf dieser kleinen Flamme. Finanziell ging es ihm miserabel, die letzten Alben mit den Kollegen Chris Hillmann und Gene Clark waren kommerzielle Flops und künstlerische Enttäuschungen. Während überall US-Bands mit Byrds-Appeal ertönten, hatte der Pilot keine Flugerlaubnis, sprich: Plattendeal.

Erst als sich der einst vom fernöstlichen Subud-Kult angezogene McGuinn seiner Hinwendung zum ‚Born Again-Christian‘ erinnerte, gings langsam aufwärts. Privates Glück im zweiten Anlauf mit seiner jetzigen Frau Camilla. die übrigens auch als Co-Autorin auf BACK FROM RIO zeichnet. Für Roger genauso wichtig: die Unterstützung seiner Freunde Tom Petty. Elvis Costello und Dave Stewart, die ihr Song-Scherflein zum Erfolg dieser Platte beitrugen. Nach langen Jahren am Boden sorgten gerade sie für Rogers Starterlaubnis zu seinem zweiten Höhenflug.