Rolling Stone: Der RS-Drogenreport


Drogen sind in der Musik allgegenwärtig: Sei es auf Seiten der Künstler oder auf Seiten der Fans. Der "Rolling Stone" sprach in seiner neuen Ausgabe mit dem Rapper Harris über seine Einstellung zu verbotenen Substanzen.

Harris, gehören Drogen und Musik zusammen?

Vorsichtig geantwortet: ja. Aber ich kenne genug Rapper, die noch nie gekifft, gekokst oder Pillen genommen haben. Und das auch nicht brauchen.

Welche Bedeutung haben Drogen heute in der deutschen HipHop-Szene?

Natürlich hat man diese alten Klischees im Kopf – aber es ist heute eher normal geworden, KEINE Drogen mehr zu nehmen. Man versucht, klar im Kopf zu bleiben. Einige ehemalige Viel-Kiffer haben sich zwischendurch eine Auszeit gegönnt und dabei bemerkt, dass ihr Leben viel produktiver ist, wenn sie nicht den ganzen Tag stoned sind. Manche – so wie ich – sind auch Väter oder Unternehmer geworden und haben keine andere Wahl mehr. Wenn man keine Zeit zum Chillen hat, fallen auch die Drogen zwangsläufig weg.

Und der Nachwuchs?

Ich treffe viele junge Rapper, die kaum kiffen. Manche von ihnen sind vielleicht Nasenbären, aber vertuschen das. Kokain gilt als unsympathische Droge. Es macht einen schlechten Eindruck, wenn einer zugibt, dass er zieht.

Wurde früher mehr genommen?

Ja, zumindest in meiner Generation. Manche Rapper haben früher auch härtere Sachen geschluckt. Wenn ich vor sechs, sieben Jahren mal ab und zu auf einer Party eine Line gezogen habe, haben sich oft neben mir die Leute hardcore-mäßig Ecstasy reingeknallt. Dabei ist Alkohol meiner Meinung nach die viel schlimmere Einstiegsdroge – weil er so sehr enthemmt. Und man in dem Zustand viel schneller zu anderen Sachen greift: „Komm, gib her, die Line! MDMA? Nehm ich auch noch!“ Gras macht ja nur breit.

Merken Sie, dass Kiffen gesellschaftsfähiger geworden ist?

Auf jeden Fall. Wenn man sich heute in den besseren Gegenden von Berlin oder Hamburg in die Hauseinfahrt stellt und einen Joint anzündet – dann fragen die feinen Herrschaften, die vorbeigehen, ob sie auch mal ziehen dürfen. Im Scherz, natürlich. Früher hätten die gleich die Bullen gerufen.

Muss man dem Publikum eine Anti-Drogen-Botschaft bringen?

Früher hätte ich Nein gesagt, jetzt neige ich immer mehr zu der Meinung. Aber ich kann ja nicht behaupten, das Riesenvorbild zu sein. Ich kann aus Erfahrung sagen, dass man nie zulassen darf, dass die Drogen einen kontrollieren. Die Erkenntnis kann ich weitergeben.

Sind Drogen eine gute Inspiration zum Musikmachen?

Leider: ja. Aber natürlich geht’s auch ohne. Ich kenne einen sehr guten Rapper, der früher beim Kiffen hervorragende Texte geschrieben hat. Jetzt hat er aufgehört – und ist immer noch ein toller Schreiber. Er ist viel produktiver geworden. Leider auch dicker (lacht).

Ihr Lieblings-Drogensong?

„I Want To Get High“ von Cypress Hill.

Joachim Hentschel – 25.11.2010