Schön streng


Die französische Sängerin Keren Ann hat in den letzten Jahren einen ganz individuellen Stil entwickelt, für den die Schublade „neuer Chanson“ längst zu eng geworden ist. In Frankreich schätzt man sie als Songwriterin schon seit einiger Zeit, während sie hierzulande zunächst als Lieferantin für Henri Salvador wahrgenommen wurde. Als eigenständige Interpretin emanzipierte sie sich zur gleichen Zeit wie Benjamin Biolay, mit dem sie persönlich und künstlerisch eng verbunden war. Ihr neues Album Nolita ist der vorerst letzte Schritt auf einem langen Weg.

Zuerst sang Keren ausschließlich französisch, dann englisch. Auf der neuen CD mischt die schone Wahl-New-Yorkerin nun französische und englische Songs. „Man hat einen Stit. der sich kaum ändert, aber die Umgebung und alle damit verbundenen Komponenten verändern sich. Ein Song besteht aus vielen Bestandteilen. Es ist nicht nur die Melodie, sondern auch die Produktion, der Text, der Augenblick und der Ort, an dem er aufgenommen wird. Wenn ich einen Song einspiele, ist für mich nur wichtig, was ich in diesem Augenblick hören will. Ein Lied kann sich über ganz lange Zeit entwickeln, aber der Moment, in dem du es aufnimmst, ist entscheidend. „Man könne, meint sie, nicht nach Songs..suchen“, sondern müsse warten, bis sie sich von selbst melden, und dann im richtigen Augenblick zugreifen. Der falsche Zeitpunkt könne dazu führen, daß man den Song wieder verliert. Keren Ann spricht über ihre Lieder wie über Kinder, und sie behandelt sich selbst und ihre Kreationen mit unnachsichtiger Strenge.

Ebenso streng geht sie mit der „Novelle Vague“ des französischen Chansons um: Die „junge Szene“, von der soviel die Rede ist, sehe sie gar nicht, das sei nur eine Konstruktion der Medien. Als Kosmopoütin, sagt sie, fühlt sie sich sowieso auf der ganzen Welt zu Hause, hat auf Tour stets ein mobiles Studio dabei und nimmt überall auf dem Planeten Songs auf. „Bestimmte Melodien passen zu bestimmten Sprachen. Sprachen stehen für unterschiedliche kulturelle Haltungen. Auch wenn die Atmosphäre meiner Songs ähnlich ist, verlangt die Melodie doch nach unterschiedlichen Sprachen. „

Mit Nolita (der Titel ist übrigens eine Abkürzung für North Of Little Italy) will Keren Ann ihren Einstand als urbane New Yorker Künstlerin geben. Die Zweisprachigkeit des Albums ist ein Risiko, mit dem sie sich jedoch auch von jeder Art der Festlegung befreit.

www.kerenann.com