Soul Coughing


Freundin weg, Auto kaputt, das Hotelzimmer versifft. Das passiert für gewöhnlich den Menschen in Aki-Kaurismäki-Filmen. Die Film-Finnen reflektieren dann gerne über ihr gesamtes Leben, verkriechen sich auf Taxirückbänken und widmen sich ausgiebig dem Alkohol. Wenn Musiker vom Schicksal derart gebeutelt werden, machen sie es genauso, sie rocken im besten Fall aber auch noch mal so richtig los. So wie Soul Coughing aus New York. Deren kahlgeschorener Beat-Poet M. Doughty, der dem Publikum im Münchner ‚Strom‘ von all dem Unglück erzählt hat, hat heute auch noch Geburtstag. Beglückwünscht sich nur kurz „fuckin'“ selber, um gleich weiter im Programm zu machen. Alles geschieht atemlos. Ein bedingungsloses Standbaß-Intro gibt ein ums andere Mal das Motiv vor, bevor das ganze Unglück wieder für drei, vier Minuten rasend losgroovt. Der Vortrag unterwirft sich dem Off-Beat-Diktat. Dougthy vorneweg. Sein bleiches, nur anfangs besonnen anmutendes Studentenkneipen-Kellner-Gesicht wird sich für eineinhalb Stunden nicht mehr richtig entzerren und entspannen. Vielleicht nie wieder. Wenn die umherpeitschenden Arme die fies geschrubbte Gitarre einmal freigeben, wenn das ohnehin minimalistische Spiel dann nur noch Rhythmus ist, drohen ihm gar die zappeligen Hände wegzufliegen. Psychopathen-Gestik. Glaubhaft wie bei Tom Waits. Nur geschieht alles viel schneller, weniger bluesy, mehr funky. Eher Freeway als Gosse. So hat auch Percussionist Yuval Gabay das Geld für Rumbakugel, Maracas und ähnlichen Schnickschnack lieber gespart und in eine neue, große, dicke Snaredrum investiert. Jetzt hat er zwei. Und beide zusammen sind sie das wichtigste Instrument von Soul Coughing. Schlaginstrumente. Collagen-Künstler Mark De Gli Antoni, links auf dem Pianohocker, mag das anders sehen. Doch der lebt ja sowieso in seiner eigenen Welt. Die der Jazzclubs am unteren Ende der Straße. Dort füttert er seinen Sampler mit verwehten Klarinetten und Trompeten. Im ‚Strom‘ spuckt er alles wieder aus. Richtig unheimlich. Nein, man darf sich nie sicher fühlen, leder zweite Blick geht ängstlich über die Schulter. Denn man weiß es besser: Hätte Janet Leigh 1960 nur auf die hektischen ‚Psycho‘-Geigen gehört, könnte sie vielleicht heute noch ungetrübt duschen.