Stereolab, München, Backstage


GEGEN KONZERTE IN INTIMER ATMOSPHÄRE IST IM Grunde nichts einzuwenden. Zu guter Musik ein Gläschen Rotwein trinken, mit dem Nachbarn ins Gespräch kommen, während unschuldig der Geruch von Gras in der Luft hängt. Unter „intim“ verstehen die Betreiber des Backstage aber offenbar etwas anderes. Nämlich, daß man die Erektion des Hintermannes an der eigenen Rückseite spüren kann. Zu viele Karten für dieses Konzert gingen an viel zu viele Menschen, die sich auf wesentlich zu wenig Platz drängen, um wenigstens ein bißchen von der Show mitzubekommen. So spielt bereits die famose Vorgruppe Sukia ihren akustischen Avantgard-Set für ein Publikum, das die Hände aus Platzgründen nicht zum Klatschen hochbekommt. Stereolab selbst lassen sich von den desaströsen Umständen nicht beeindrucken. Die bunte Truppe um Tim Gane und Laetitia Sadier bezieht lächelnd Position auf der Bühne, tastet linkisch nach ihren Instrumenten und eröffnet unbeirrt einen der charmantesten Konzertabende des Herbstes. Nicht zu laut, nicht zu leise schlendern Stereolab durch einen Set aus bekannten und „geheimen“ Best-Of-Titeln – von „Mars AudiacQuintet“ über „EmperorTomato Ketchup“ bis hin zum Neuling „Dots And Loops“. Und anstatt der Versuchung zu erliegen, wenigstens das alte Material in experimenteller Form zu interpretieren, beschränken sich Stereolab darauf, den spröden Pop-Appeal ihrer Kompositionen herauszuarbeiten: flockiges Easy-Listening mit hypnotischer Schlagseite, gedämpft nur von der aufgestauten, flüssigwarmen Luft in der Halle. Der Abend erreicht seinen Höhepunkt nach der Flucht nach draußen. Hier läßt sich ein Gläschen Rotwein trinken und mit den Nachbarn plaudern, während Stereolab in Zimmerlautstärke den Gehörgang erfreuen. Ein Traum.