The Singles


Neulich kommt die Rezensionsangebotsliste eines verdienten freien Autors herein – die Identität wird nicht preisgegeben. Darin bietet er die Besprechung des neuen Albums einer Band aus Bristol mit folgenden sieben Wörtern an:“katastrophal langweilige Scheiße à la Jennifer Rush.“ Merken Sie sich das bitte. Wir werden es später noch brauchen. Kommen wir aber zunächst zu Booji Boy High. Hinter diesem Namen verbergen sich die famosen Hot Chip. Die 7-Inch „Doubleshaw“ (DFA/EMI) ist nicht nur eine zweiseitige, sondern auch eine zweischneidige Angelegenheit. Während „Doubleshaw“ ein etwas anstrengendes Stück Ich-kann-jede-Art-elektronischer-Musik inkl. Gejodel ist. handelt es sich bei der B-Seite.,Twist Myself Again“ um dekonstruktionswilligen Elektronik-Funk-Pop. Kaufen! Falls noch irgendwo vorrätig.

Das blanke Grauen in vierfacher Form. i)The Dead 6os, eine der besseren Bands ^ der „Class Of 2005“. haben ihren Song „Ghostfaced Killer“ (Deltasonic/Sony BMG) 1 für den Soundtrack für den Film..Neues vom Wixxer“ zur Verfügung gestellt.“Neues vom Wixxer“ – hallo? 2) Der Song wird im Film als „Neues vom Wixxer Remixx“ zu hören sein. 3) Remixed hat Carl Carlton (of-Udo-Lindenberg- und Peter-Maffay-fame)4) Auf dem Cover der Single stehen Oliver Kalkofe und Bastian Pastewka herum. Das klingt nach „katastrophaler Scheiße“, ist es aber nicht. Carlton hat den Song nicht nur mit der Original-Bläsersection von Madness enhanced, sondern noch ein paar schöne twangende 6oer-Jahre-Gitarrenoverdubs hinzugefügt.

1 Ist das dann Lokalpatriotismus, wenn man einen soft spot für Fertig, los! aus München hat? Oder ist diese Musik, .katastrophal langweilige Scheiße“? Nein, bei der Single „Ein Geheimnis“ (Columbia/Sony BMG) handelt es sich um flotten Rock-Pop, den man mögen können darf, wenn man Bands wie Anajo mag. Mehr davon dann im April, wenn das Debütalbum kommt.

1 Aus den Trümmern von Mclusky sind Gitarrist Andy Falkous und Schlagzeugerjack Egglestone hervorgestiegen, um mit Bassist Kelson Mathias (Ex-Jarcrew) die Gruppe Future Of The Left zu gründen. Die 7-1 nch „Fingers Become Thumbs/The Lord I HatesA Coward“ (Too Pure/Seggars/Indigo) ist Mclusky-krachender Indie-Rock mit fuzzendem Bass und manischem Gesang. Kaufen! Falls noch irgendwo vorrätig.

Mein Ding: Lounge Metal. Wenn drei Menschen auf akustischen Instrumenten Metal-Klassikerin a Belle-And-Sebastian-Style mit lieblichen Wald- und Wiesen-Blümchenkleid-Arrangements inkl. Banjo, Cello und Sängerin interpretieren, kann I das leicht ins Auge gehen -in anderen Worten: Es könnte „katastrophale Scheiße“ werden. Nicht so bei Hellsongs aus Göteburg. Die machen auf der EP“Lounge“ (Lovely Records) genau das: Black Sabbath („Paranoid“). Iron Maiden („Run ToThe Hills‘!, Van Haien („Jump“) und Motörhead („Orgasmotron“) in Softpop.Toll.

Mit (Indie-) Popkultur-kritischen Songstatements wie „WaitingFor Pete Doherty To Die“ und der brillanten Anti-Indie-Hymne „We HateThe Kids“ haben The tndelicates aus Brighton.,die Szene“ ganz schön durcheinandergebracht. Jetzt liefern sie „The Last Signifkant Statement To Be Made in Rock’n’Roll“ (Sad Gnome Records -UK-Import) nach: Art-Brutiger, punky Schrammelrock mit Folkeinschlag auf sechs Songs. Großartig: das meatloafige., Heroin“. Kaufen! Falls noch irgendwo vorratig.

Nach der Definition einer Emo-Band in 14 Wörtern, die der Autor durch langjährige Studien der Emo-Szene erarbeitet hat (Typen mit komischen Frisuren, die komische Musik machen und hartnäckig leugnen, Emo zu sein), handelt es sich bei My Chemical Romance eindeutig um eine Emo-Band.“Farnous Last Words“ (Reprise/Warner) ist fetter, aufgeblasener ROCK in Großbuchstaben mit fetten ROCKgitarren und einem Gesang, der so emo ist, dass es wehtut. Es gäbe da noch eine kürzere Definiton von Emo In zwei Worten. Die ist irgendwo an anderer Stelle in diesem Text versteckt.

Man könnte es sich ganz leicht machen und die Musik der Gruppe Silbermond als „katostrophal langweilige Scheiße“ bezeichnen. Wir sind aber nicht hier, um es uns leicht zu machen, deshalb stellen wir fest, dass „Das Ende vom Kreis“ (Columbia/ Sony BMG) trotz aller Schlagerhaftigkeit und Emotionalität- was geht denn eigentlich, Stefanie? – gar nicht so schlecht ist. Wenn ich eine Currywurst essen will, gehe ich nicht ins Drei-Sterne-Restaurant. Wenn ich mainstreamigen Pop-Rock mit Second-Hand-Emotionen hören will, dann höre ich Silbermond und nicht Razorlight.

Der Preis für die „beste, mit mehreren Rock-und-Roll-Referenzen ausgestattete Single“ geht diesen Monat an die Gruppe Sport aus Hamburg mit Felix Müller (of-Kante-fame). Die Single“BurningOfThe Mitleid Lamp“ (Strange Ways/Indigo) heißt so ähnlich wie ein Lied von JimiHendrix, das Cover erinnert an das des Sonic-Youth-AlbumsDAYPREAM Nation, und auf der Rückseite gibt es die Coverversion von jimi Hendrix‘ „Castles Made Of Sand“. Das alles ist schon mal gut. „Der Schmerz“, das Lied auf derA-Seite, ist dann ein perfekter Pop-Song, emotional, ohne Emo zu sein, Indie im Sinn von Pavement und nicht in dem von Coldplay, Keane und Kaiser Chiefs.

Das waren noch Zeiten, als auf Tonträgerverpackungen erklärende Worte, die nicht zum Tonträgertitel gehörten, abgedruckt waren. Worte, die mehr zum Verständnis der darauf enthaltenen Musik beitrugen, also ins Thema einführen sollten. „Fünf Klassiker ganz neu interpretiert“ steht auf dem Cover der E P „Ich will mich befreien“ (Tapete/Indigo) der Gruppe Wolke aus Köln geschrieben. Und genauso ist es. Fünf Rockund-Roll-Klassiker auf Wolke-Klavier-Rock gemacht. Das hier sind keine lustigen Coverversionen, sondern durchdachte Neuinterpretationen, die wie ein Frühlingswind alles Überflüssige derOriginale wegblasen. Das Pathos von Queen („Ich will mich befreien“),die Second-Hand-Emotionalität von Whitney Houston („Ich will mit jemandem tanzen“), das ekelhafte Machogetue von Guns N‘ Roses(„Mein süßes Kind“), das Billige von SNAP! („In Ewigkeit“)- wie weggeblasen. Und Oliver Minck-verdammt nochmal-kann wirklich singen.