The Singles


Fantastisch! Unfassbar! Gigantisch! Unglaublich! Der Titeltrack der 12-Inch „Love Rehab“ (BPitch Control/Kompakt) von Chaim aus Tel Aviv ist ja wohl die seit langem gelungenste Synthese aller möglichen tanzbaren Musiken. Housige Kickdrum und wölkchenweiche Soundflächen, souliger bis spät-discoider Gesang von Meital de Razon, schöne Blaxploitation-Filmsoundtrack-Gitarrenlicks, Hi-Energy-Synth und eine Popmelodie so schön wie nur was. Genau das Richtige für Fag Hags wie dich und mich.

Nein, wir lassen uns nicht täuschen. Obwohl auf der 7-Inch „Hats Off Boogie“ (Stag-O-Lee/Indigo) von The Cut In The Hill Gang die Labels von A- und B-Seite vertauscht sind, haben wir die Zuordnung locker hingekriegt. A-Seite: eine dahingerotzte punk-bluesige Verbeugung vor den alten Bluesmännern, die The Cut in The Hill Gang beeinflusst haben (man beachte das Namedropping im Text). Auf der B-Seite dann die nicht weniger rumpelnde Version der drei Kentucky-Männer von „Road Runner“, of-Bo-Diddley-fame.

Hoffentlich hört James Murphy niemals „Building In L.O.V.E.“ von The Hundred In The Hands. Sonst fällt ihm vielleicht auf, dass das eine – nennen wir es – Hommage an „Tribulations“ von LCD Soundsystem ist. An sich geht die Sechs-Track-EP „This Desert“ (Warp/Rough Trade) der New Yorker Jason Friedman und Eleanore Everdell voll in Ordnung. Mit einem hübschen Mischmasch aus dreamy Disco-Pop- und -Punk, mehr auf der poppigen Seite als auf der elektronischen.

Hatten wir bereits erwähnt, dass die 90er wieder kommen? Mathias Modica bezeichnet die aktuelle 12-Inch „La Musica“ (Gomma/Groove Attack) von Munk, der erste neue Release seit zwei Jahren, als „an ironic take on 90s Italo House“. Recht hat er. Ein hämmernder Piano-Sound bahnt sich seinen Weg, bevor cheesy Synthie-Sounds und italienische Vocals (weiblich und männlich, vocoderisiert und naturbelassen) dem Irrsinn Methode verleihen. Ein Hit. Die Remixer – Tiago, Audiojack, Azari & III, Mercury und Shir Khan – brechen mit dem Track in alle musikalischen Richtungen auf, die im Gomma-Universum denkbar sind.

Die erste Veröffentlichung von Glitch-Miterfinder Markus Popp unter dem Namen Oval nach fast zehn Jahren. Wir erinnern uns an das Genre-definierende Album SYSTEMSICH von 1994. Mit dem hat die 12-Inch „Oh“ (Thrill Jockey/Rough Trade) – 25 Minuten mit 15 Tracks, die mehrheitlich kaum über die 60-Sekunden-Grenze kommen – fast überhaupt nichts mehr zu tun. Es ist eher Popps non-ironic take on European improvised music und alle möglichen Arten von Free Music. Nur manchmal kommt das „alte“ Oval durch mit ein paar Störgeräuschen aus dem digitalen Orkus. Aufgenommen hat Popp die Musik mit billiger Software auf einem billigen PC.

Mit einer Spielzeit von über 50 Minuten und sieben Tracks ist „Jack 2“ (International DeeJay Gigolos) von Snuff Crew natürlich nicht unbedingt das, was man als eine Single bezeichnen würde. Aber Mini-Alben finden ja auch manchmal ihren Weg in diese Rubrik. Das immer noch mysteriöse Duo aus Deutschland reworked jacking Chicago House, voll auf die Elfeinhalb und äußerst funktional für den Dancefloor und andere Party-bezogene Zwecke.

12-Inch only: die „Forwardness Fridays EP“ (Domino/Indigo) der „Post-Rocker“ To Rococo Rot kommt mit zwei Tracks aus dem aktuellen Album SPECULATION in drei Neubearbeitungen. Die Remixe der Albumtracks „Fridays“ (zweimal von Shackelton) und „Forwardness (Traversable Wormhole Remix)“ verbreiten ein dubbiges bis dubsteppiges Ambiente.

So kann mans natürlich auch machen: Tweak Bird, die Brüder Caleb und Ashton Bird aus Carbondale, Illinois, spielen auf „A Sun / Ahh Ahh“ (Souterrain Transmissions/Rough Trade) einen Riff-geladenen, teils Blues-infizierten, vollbärtigen Psych-Space-Pop-Rock mit zirkulierendem Indie-Saxofon und durchaus komisch gemeintem Gesang. Das alles wird auf der B-Seite „Stampeado“ noch ein bisschen riffiger ausgestaltet und mit Jethro-Tull-Flöte aufgewertet. Eat this, Jack White!

Falls es Ihnen nicht aufgefallen ist: diese Rubrik wird von von zwei Releases des Labels BPitch Control eingerahmt. Zander VT – Fritz Zander und Sven von Thülen – haben mit „Some More“ (BPitch Control/Kompakt) einen fast klassischen House-Track gemacht – mit einem herrlich abgehackten Piano-Sample. Bei „Changes“ auf der B-Seite wird’s eine Spur minimalistischer und eine Spur auf-die-12iger. Sehr schön: das tribale Getrommle. „Holding On“ dann: minimal und funky.