The Spliff Radio Show – Erfahrungen mit der Droge Rock


Im August stellte der MUSIK EXPRESS ein neues, deutsches Projekt vor – The Spliff Radio Show. Was im Berliner Kant-Kino zu Pfingsten so vielversprechend begann, hat sich jetzt auf einer Blitztournee bestätigt: Die Ex-Nina Hagen-Band hat ein völlig eigenständiges Gesicht bekommen. Die erste Spliff-Platte ist auf dem Markt und wir finden die Geschichte des Anti-Helden Rock J. Fonzo so witzig, daß wir Euch mehr als nur eine normale Story bieten:

Zur Erinnerung: In der fast OB zweistündigen Show wird HA das „Plastikmärchen“ von Rocko J. Fonzo erzählt, gesungen, gespielt, abgerockt. Rocko kommt aus der Mülltonne, wird von der Musikindustrie entdeckt, die seinen Blues für marktträchtig halten. Es bleibt auch nicht beim Blues, der Weg des Rockstars geht für Rocko unaufhörlich nach oben, nichts wird ihm erspart. Zuerst ist Hardrock, dann wird Disco angesagt, schließlich kann auch die Musikmafia sich der New Wave nicht mehr verschließen – und Rocko muß immer mit! Dazu kommen die unausweichlichen Begleiterscheinungen des „heavy metal disco flop reggae bop“ -Business: Drogen, glitzernde Frauen („Cheap Chicks“), der unvermeidliche Guru („OMmmmmmmmm“), der Kitzel ein „Jet Set Star“ zu sein. Doch er begreift, daß er den Verlockungen einer Droge verfallen ist, deren Opfer nicht nur er ist, sondern alle, die mittel-oder unmittelbar mit ihr in Berührung kommen: dem Rock’n’Roll. Um endlich wieder er selbst sein zu können, verschwindet er dahin, wo er herkam, in seine Mülltonne. Eine Erkenntnis, die schon dem griechischen Philosophen Diogenes zur inneren Ruhe verhalf.

Die Band dürfte bekannt sein, doch hier nochmal die einzelnen Musiker: Rernhold Heil an den Keyboards; wenn im Gespräch mit der Gruppe nicht gerade Jim Rakete, Manager und Mitglied der Band, das Wort führt, redet Reinhold, ausgeglichen und engagiert. Herwig Mitteregger, der Drummer („Ich finde, Deutschland hat mich immer noch nicht verdient“), hält sich da eher raus und hört während des Interviews permanent mit seinem Walkman Cassetten. Bernhard Potschka, der Gitarrist ist in seiner bayrisch-ruhigen Art privat kaum wiederzuerkennen, auf der Bühne tobt er nämlich mit einer Irrsinnspower herum. Und Manne Praeker, der Bassist, stiert mit seinen durchdringenden blauen Augen meistens auf den Boden. Eigentlich ist er ein ungeheuer quirliger Typ, immer neugierig, wer wo welche Musik macht. Dazu kommt als Kommentator der Show der Amerikaner Rick Delisle, der seinen Beruf als Disc-Jockey seit Jahren beim Berliner AFN als beliebter Plattenaufleger in Sachen Rock ausübt. Er geht mit auf die Spliff-Tour, für die er dann seinen Urlaub opfert.

Die Hauptfigur spielt Alf Klimax, Australier, früher bei der Rock-Clown-Gruppe Busby Berkley, die nicht zuletzt wegen Alf auf größeren Clownmeetings selbst Janqo Edwards die Fans abspenstig machte. Er ist die ideale Verkörperung des Rocko, klein, beweglich wie ein Gummiball mit einer Mörderstimme. Wie kam er zur Gruppe? „Ich lag irgendwie in Berlin vor ’ner Kneipe, da kam Manne raus und trat mir aus Versehen auf die Hand. Ich schrie, und er fragte, ob ich auch singen kann. Ich sagte zwar, ,nee‘, aber kam trotzdem.“ Soweit Alf…

Auf der Platte sang noch die Holländerin Lisa Bialas. Sie schied aus (Manager Jim R.: „Es dürfte ja bekannt sein, daß wir einen großen Sängerinnen-Verschleiß haben“), weil sie zuviel Business im Kopf hatte undwohl auch Starallüren. Außerdem „paßte sie nicht in die Gruppe“. Für Lisa kam Jose van Hersei (beide waren vorher die Sängerinnen bei der Gruppe „Sportivo“). Sie hat, wie Alf meint, die notwendige Power für diese „Workaholik-Band“. Immerhin hat Jose sich das gesamte Programm innerhalb von vier Tagen draufgedrückt. „Sie ist eben ein Profi“ – Alf.

Die Idee zur Radio-Show entstand direkt drei Tage nach dem Split von Nina Hagen im Mai ’79. Die Arbeit daran mußte jedoch durch die Verpflichtung, die zweite Platte mit Nina, UNBEHAGEN, fertigzustellen, unterbrochen werden. „Das war aber nicht besonders schwierig, denn wir hatten das Material für UNBEHAGEN schon fertig.“ Vierzehn Monate arbeitete die Band an der Show und will die Platte auch nur als Extrakt ihrer Bühnendarbietung verstanden wissen. „Das Wichtigste für uns ist jetzt, die Sache auf die Straße zu bringen.“

Die Songs sind alle in Englisch verfaßt, denn „Rock’n‘-Roll ist doch ein internationales Phänomen. Wir wollen ja nicht die Krautrockszene beleuchten, sondern zeigen, was auf allen Bühnen passiert. Die Gesetzmäßigkeiten sind für den Konzertgänger oder Plattenkäufer doch überall die gleichen, ob er nun in Deutschland, England oder in den USA lebt.“

Wer die Show noch nicht gesehen hat und lediglich deren Soundtrack zu Ohren bekam, assoziiert sicher die ,Tommy‘-Geschichte von den Who oder fühlt sich an Frank Zappa erinnert. Gibt es da Einflüsse? „Wir hören das nicht zum ersten Mal und man kann sicher nicht verleugnen, daß man als Musiker gewissen Einflüssen unterliegt. Aber wer die Show sieht, wird die eigene Identität von Spliff erkennen. Beim nächsten Album wird das noch deutlicher werden. Im übrigen gibt es immer Schubladen, in die du reingesteckt wirst. Aber wir werden bald ’ne eigene Schublade haben, nämlich die Spliff-Schublade“. Gelobt sei, was selbstbewußt macht.

Jeder in der Truppe hat seine Erfahrungen mit der Droge Rock, und jeder trägt somit dazu bei, dem Zuschauer/hörer klarzumachen, daß auch er nicht unbeleckt ist – „Wir sind doch alle süchtig, angesteckt vom Virus Rock’n’Roll. Wir rennen doch auch dauernd in Konzerte, sehen uns möglichst alles an, gucken, was bei den andern rauskommt und arbeiten selbst wie die Tiere an unserem eigenen Programm. Das ist es doch, was wir sagen wollen: Jeder, ob Musiker, Journalist, Manager, Konzertgänger und Plattenkäufer, hängt an der Droge Rock. Aber wir predigen nicht, wir beten den Leuten nichts vor, wir zeigen nur, wie es ist. Die müssen dann schon selbst damit klarkommen.“