Kritik

„Unbreakable Kimmy Schmidt: Kimmy vs. the Reverend“ auf Netflix – Die Wahl zwischen happy und glücklich


Nach „Black Mirror: Bandersnatch“ startet nun der zweite interaktive Film auf Netflix. „Unbreakable Kimmy Schmidt: Kimmy vs. the Reverend“ bietet zwar weniger echte Auswahl (es gibt nur einen richtigen Weg), bringt die Story aber trotzdem zum wohlverdient-würdigen Abschluss.

Kimmy ist zurück! Nach dem Serienfinale Anfang 2019 kehrt die, im allerbesten Wortsinne, komische Ex-Maulwurfsfrau zurück auf den Bildschirm. „Unbreakable Kimmy Schmidt“, geschrieben von „30 Rock“-Schöpferin Tina Fey und Robert Carlock, bestach über vier Staffeln hinweg durch erfrischende Absurdität, kluge Beobachtungen und überaus liebenswerte Charaktere. Gerade in puncto Kreativität war das Format ein echter Hoffnungsschimmer in einer von Chuck Lorre regierten Comedy-Einöde, blieb trotz 18 Emmy-Nominierungen aber stets unter dem Radar.

Dabei ist bereits der Ausgangspunkt der Handlung beispiellos: Nach 15 Jahren wird Kimmy Schmidt (Ellie Kemper) aus dem Bunker des Sektenführers Reverend Richard Wayne Gary Wayne (gespielt von Jon Hamm, bekannt aus „Mad Men“) befreit. Er hatte sie und drei weitere Frauen gekidnappt und überzeugt, dass die Apokalypse alles Leben auf der Erde ausgelöscht habe. Die nun dreißigjährige Kimmy beschließt nach New York zu gehen, um ein völlig neues Leben zu beginnen – doch das ist aufgrund ihrer langen „Abwesenheit“ mit einigen Schwierigkeiten verbunden.

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Die perfekte Grundlage, um mit kritischen Blick auf unsere Zeit und das ein oder andere popkulturelle Phänomen zu blicken. Der Ton bleibt trotz allem überwältigend optimistisch – Ellie Kemper übertrifft mit ihrem Strahlen zeitweise noch die grellen Kleider ihrer kindlich-naiven Figur. Ebenso wie ihr schwuler, gleichsam von großen Träumen getriebener wie von immenser Faulheit ausgebremster Mitbewohner Titus (Tituss Burgess), ihre alt-hippiehafte Hipster verabscheuende Vermieterin Lillian (Carol Kane, zuletzt in „Hunters“ zu sehen) und sinnsuchende Snob-Arbeitgeberin Jacqueline (Jane Krakowski) bescherte sie den Fans unvergessliche One-Liner.

Eure Aufgabe: Einen zweiten Bunker befreien

Das rasante Tempo der Sendung und ihr ganz eigener Humor finden sich auch im interaktiven Film „Kimmy vs. the Reverend“, der nun auf Netflix verfügbar ist. Inhaltlich setzt er ihrer Geschichte endlich das überfällige würdige Ende: Kimmy plant nicht nur den ebenso verqueren Frederick – niemand geringerer als der 12. in der britischen Thronfolge, dargestellt von niemand geringerem als Daniel Radcliffe – zu heiraten. Wenige Tage vor der Trauung findet sie heraus, dass der mittlerweile im Gefängnis sitzende Reverend noch über einen zweiten Bunker voller entführter Frauen verfügt, und setzt natürlich alles daran, sie zu befreien.

An den Zuschauer*innen liegt es dann, sie durch dieses quietschbunte Abenteuer zu manövrieren. Werden wir vor eine Wahl gestellt, gibt es zwischen zwei und vier Optionen, zwischen denen wir innerhalb von 15 Sekunden via Fernbedienung, Maus oder Controller entscheiden können. Welches Kleid soll Kimmy zur Hochzeit tragen? Wer soll sie auf ihrer Suche nach dem Bunker begleiten? Und machen wir uns zu Fuß auf den Weg oder warten wir 4000 Minuten auf den nächsten Uber-Fahrer?

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Es ist der zweite Film seiner Art, den der Streaming-Gigant produzierte und ist natürlich ganz anders als sein düsterer Vorgänger „Bandersnatch“. Nicht nur das Thema, auch das Überleben ist leichter: Während es im „Black Mirror“-Film eine Vielzahl an Möglichkeiten gab, endgültig zu scheitern, werden wir hier einfach zur letzten Entscheidung zurückgeschickt und dürfen es gleich nochmal versuchen. Dass die Autor*innen nicht allzu streng mit dem Publikum sind, stört allerdings nicht, sondern passt zum Wohlfühlkonzept der Show und liefert außerdem Raum für Cameo-Auftritte liebgewonnener Nebenfiguren, die uns aus dem Off dazu ermahnen, nächstes Mal bitteschön das Richtige zu tun.

Unbedingt mehrmals durchschauen

Die Tragweite der Entscheidungen, vor die wir alle fünf bis acht Minuten gestellt werden, ist also nicht allzu groß. Letztendlich gibt es an den meisten der 16 Pfaden sehr wohl nur den einen richtigen Weg – die anderen Pfade enden oft nach nur wenigen Szenen. Sie zu beschreiten, macht aber dennoch Spaß, weil man durch sie in den Genuss von mehr (und meist noch besseren) Gags kommt. Zumindest für hartgesottene Fans lohnt sich auch das mehrmalige Ansehen, denn die Witze verändern sich an manchen Stellen und außerdem gibt es einige Easter Eggs zu entdecken.

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Wie gut der Film für all jene funktioniert, die die Serie nicht kennen, ist allerdings fraglich. Viele Witze werden erst mit dem nötigen Hintergrundwissen wirklich gut und sicherlich trägt auch die Wiedersehensfreude zum positiven Seherlebnis bei. Wer ohnehin einen Hang zu schrägem Humor hat, wird aber auch so seinen Spaß am Film haben. Und wer eine Extraportion Optimismus angesichts einer aufziehenden zweiten Welle gut gebrachen kann, dem sei zumindest Kimmys ultimativer Überlebenstipp aus der allerersten Folge ans Herz gelegt, der im Film wiederholt wird: Für zehn Sekunden lässt sich einfach alles ertragen. Wenn sie vorbei sind, einfach nochmal anfangen.

Netflix, Eric Liebowitz
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