ZZ Top: Texas Traditionals


Trio infernal - Drei glorreiche Halunken besinnen sich ihrer Wurzeln. ZZ TOPs runderneuertes Rezept: mehr Blues, weniger Synthie.

Houston, Texas – einen geeigneren Ort gibt es für diese Pressekonferenz einfach nicht. Schließlich bringt es die texanische Metropole spielend fertig, eine utopische Skyline mit dem Flair einer Viehtreiberstadt unter einen (Cowboy)Hut zu bringen. Wie es klingt, wenn Modernes schonunglos auf Traditionen kracht, führen nun schon seit 25 Jahren die bärtigen Flegel von ZZ Top mit Erfolg vor.

„Antenna“ (Rezension in der Februar-Ausgabe von ME/Sounds), ihr erster Silberling nach vier Jahren, macht da keine Ausnahme. Oder etwa doch? Drummer Frank Beard: „Auch wenn wir schon zu Beginn unserer Karriere mit moderner Technik experimentiert haben, waren wirv in erster Linie eine deftig rockende, Blues-inspirierte Garagen-Band. Und erst 1983, mit ‚Eliminator‘, holten wir uns Synthesizer und Sampler ins Studio. Mit diesem Sound waren wir immens erfolgreich. Jetzt aber“, grinst der aus Dallas stammend Trommelknecht verschmitzt, während er seinen strammen Schnauzer zwirbelt, „haben wir uns die Klagen alteingeschworener Fans zu Herzen genommen und uns wieder in die Siebziger zurückversetzt“. Im Klartext: Die technischen Spielereien haben ausgespielt. Wobei Bassist Dusty Hill hinzufügt: „Wir sind da gar nicht mal dogmatisch rangegangen. Wir wollten nur wieder erdiger klingen, so wie zu guten alten ‚La Grange‘-Zeiten. Trotzdem haben wir, nachdem wir die Basis-Tracks im Kasten hatten, bei einigen Titeln Synthie-Spuren darüber gelegt. Ziel der Platte war, die Technik der letzten Alben mit den Grundlagen unserer Musik zu kombinieren.“

Die stärksten Momente erlebt das Album trotzdem in dem erstaunlich konventionellen Blues „Cover Your Rig“. Gitarrist Bill Gibbons, der auf „Antenna“ wieder einige schräge Sounds und Riffs parat hält, gibt die Erklärung: „Blues ist der Ursprung unserer Musik. Ganz ehrlich: Wir lernen heute noch unglaublich viel von den Platten der alten Blues-Meister, wie Muddy Waters, Jimmy Reed oder Freddie King.“ Deshalb war es für den haarigen Dreier auch Ehrensache, bei einem Benefiz-Konzert für das Delta Blues Museum in Clarksdale mitzumachen. Überhaupt: Wenn es um die gute Sache geht, braucht man bei ZZ Top nicht lange betteln. Frank Beard: „Eric Clapton bat uns, ein Londoner Drogenhilfeprogramm zu unterstützen. Das war für uns überhaupt keine Frage. Schließlich nahm ich früher auch eine Menge von diesem Zeug. Ich weiß deshalb nur zu gut, wie man sich danach fühlt.“ Heute holt sich der Drummer seinen Adrenalinstoß lieber auf gewundenen Teerpisten: „Letztes Jahr bin ich in einem offiziellen Rennen in Daytona mitgefahren. Obwohl da eine ganze Reihe ausgebuffter Profis am Start waren, habe ich mich ziemlich wacker geschlagen.“

Doch auch für texanische Hot-Rod-Fans – man denke an die Phantasie-Karossen, die auf den Hüllen von „Eliminator“ und „Afterburner“ prangten – gibt es wichtigeres im Leben als starke Motoren. Neben dem in 25 Jahren gewachsenen, typischen ZZ Top-Sound (produziert hat auch diesmal wieder Bill Ham) birgt „Antenna“ denn auch eine weitere Konstante – die Antenne für’s weibliche Geschlecht. „Frauen sind das wichtigste im Leben. Eine Welt ohne Frauen – einfach undenkbar. Was gibt es denn schon Erotischeres, als den Anblick von gut gewachsenen Mädchenbeinen in einem kurzen Rock“, spricht Dusty Hill mit Kennermine und stellt gleichzeitig aber auch klar, daß es mit dem Albumtitel eine andere Bewandtnis hat: „Früher gab es überall in Texas Radiostationen, die mit gut und gerne 500 Watt Sendeleistung mexikanische Musik ausstrahlten. Dieser Sound ist uns in Fleisch und Blut übergegangen.“ Bill Gibbons verweist noch auf einen anderen Aspekt: „Heute ist es möglich, einen Song im Radio zeitgleich in der ganzen Welt zu hören. Die Welt ist kleiner geworden, weil sie buchstäblich von einer einzigen, großen Antenne umspannt wird.“

Weniger nachdenklich geben sich die Texaner auf die Frage, ob sie denn noch im nächsten Jahrtausend aktiv sein werden. Dusty Hill läßt keine Zweifel offen: „Ja. Warum denn nicht? Jetzt gehen wir erst mal auf ausgedehnte Tournee. Bis wir wieder zuhause sind, ist es Anfang 1995. Dann machen wir ein paar Takte Pause, um mit neuen Ideen wieder ins Studio zu gehen. Wenn wir uns also zur nächsten Platten-Präsentation treffen, sind wir bestimmt recht nahe am Jahr 2000.“ Und Bill Gibbons gibt die unmißverständliche Devise aus: „Rock’n’Roll lebt, Blues lebt und ZZ Top leben.“ Noch Fragen?