Tim Gibbons – Shylingo

Der weit gereiste Pop-Kundige weiß: Es regnet nie in Südkalifornien und schon gar nicht in Oxnard, einem Kaff bei Los Angeles, das das Zeug zur post-industriellen Geisterstadt hätte. Viel bleibt dem Fremden hier nicht zu tun, außer sich beim raschen Durchfahren heillos zu verfransen -oder Musik aufzunehmen, die den „spiritus loci“ atmet: aufs Allernotwendigste reduziert,endlose Weite suggerierend und dabei so staubtrocken wie der Santa-Ana-Wind, der von der Wüste hereinweht. Dass Tim Gibbons aus Ontario, Kanada, stammt, ist SHYLINGO also keine Sekunde anzuhören. Eher tönt sein in den Teatro Studios von Daniel Lanois entstandenes Werk, als hätte -Vorsicht, Schublade! -JJ. Cale als Backingband Calexico angeheuert. Kein Zweifel: Es gibt schlechtere Referenzen. Das Songmaterial ist gut bis exquisit, die Atmosphäre relaxed bis an die Grenze zum Verschnarchten,Gibbons’Stimme liegt irgendwo zwischen Leonard Cohen (aber rural) und Tom Waits (aber domestiziert), die Begleiter tönen wie Clint Eastwood: lakonisch, unaufgeregt, lässig. Selbst zart pochende Digital-Beats oder eine Sitar samt lärmiger Loops fügen sich ins von verhallten Gitarren, Harmonika, Akkordeon und Percussion dominierte Klangbild. Und unser Held? Taumelt zwischen Sex („Got her number on my phone/Got her pussy in my poem“), Suff („Late at night the ghost is gone and only the whiskey remains“) und Sehnsucht („To set the night on fire/till the morning comes“). Klischee? Klar, aber klasse.