Friends: der verführerischste Indiepop der Saison


Auf der Flucht vor Ungeziefer versammelten sich die fünf Wahl-Brooklyner in der Wohnung ihrer Sängerin Samantha Urbani und nahmen dort den verführerischsten Indiepop der Saison auf.

Ein Pop-up-Store in Berlin-Mitte, zwischen Stangenmode und Branchenvolk, ist ein seltsamer Ort für überzeugte Second­-Hand-Träger. Am Vorabend spielten Friends dort ein kurzes Set, jetzt hängt Sängerin Samantha Urbani am Interviewtisch gefährlich tief über ihrer Salatbox und scheint darin die Blätter zu zählen. Auch Keyboarder Matt Molnar neben ihr hat kaum mehr als zwei Stunden geschlafen, der Rest der Band ruht sich im Hotel aus. Über ihr gemeinsames Baby Friends aber sprechen die beiden mit leuchtenden Augen.

Die Chronologie ist schnell erzählt: Angezogen von der kreativen Szene, landet jedes der späteren Bandmitglieder in Brooklyn. Als Kollegen im veganen Restaurant Angelica Kitchen lernt man ein­ander kennen. Eine großräumige Bettwanzenplage zwingt die Freunde, in Urbanis ungezieferfreier Wohnung abzusteigen.

Urbani bastelt zu dieser Zeit an ihren ersten Demos. Alle außer ihr haben Banderfahrung, sind von den Ideen begeistert und bauen sie zu polyrhythmischen Post-Disco-Popsongs aus. Nur sechs Tage später folgt der erste von vielen Gigs im Hinterhof. Nach zwei Singles, gut eineinhalb Jahren und zahllosen Auftritten erscheint jetzt ihr Debütalbum Manifest!.

„Das Album klingt ernsthafter, als ich wollte. Mein Sinn für Humor kommt darin nicht recht zum Vorschein“, sagt Urbani. Ob es am Produzenten Daniel Schlett liegt, immerhin ihr einvernehmlicher Ex-Freund? Die Songs „A Light“, „Proud Ashamed“ und vor allem „Home“ , das frech und tanzbar daherkommt, sind für sie ein Trennungstagebuch; „Friend Crush“ handelt davon, Gefühle für einen neuen Menschen zu entdecken. Diese Konstellation gibt dem Album eine eigentümliche Spannung und Dynamik, die sich um Urbanis lasziven Reverb-Gesang entfalten.

Nimmt man die Backing-Vocals der vier anderen Friends hinzu, die munter ihre Instrumente tauschen, entsteht ein aufreizend frischer Lo-Fi-Groove. Dazu passen auch die obenrum recht freizügigen Bühnenoutfits von Urbani und ihrer Schulfreundin Nikki Shapiro. Für Urbani ist es ein „unglücklicher Zufall, dass dieser Sound gerade trendy wurde, als ich anfing, Musik zu machen.“ Dass sie den Leuten in ihrem Heimatkiez Bushwick gefallen und als Band auf Reisen gehen können, ist für sie „so viel cooler, als vom ‚Rolling Stone‘ interviewt zu werden. Das ist doch nur ein netter Nebeneffekt.“

Den für ihren Sound charakteristischen Widerhall fand Urbani schon damals in der gefliesten Toilette ihrer Grundschule toll: Dort, so schwor sie sich damals, wolle sie einmal ein Album aufnehmen. Es wurden vorerst doch nur zwei Wochen im Studio. Doch Album Nummer zwei soll bereits „viel früher erscheinen, als man von normalen Bands erwarten würde“, sagt sie. Bloß nicht drei Jahre lang mit derselben Platte touren, bloß nicht das Potenzial dieser von Blogs heißgeliebten Band verschwenden: „Use it or lose it“, sagt Urbani. Aus ihrer Feder stammen bislang sämtliche Texte, ein „ saftiges Stück Verantwortung“. Aber glücklicherweise sprudeln die Ideen nur so aus ihr heraus.