10 Jahre: Ten Years After


TEN YEARS AFTER gehört zu den besonderen Gruppen, die weltberühmt sind, ohne jemals einen Hit gehabt zu haben. TEN YEARS AFTER ist nicht nur ein Begriff in Amerika, sondern auch in Polen,Tschechoslowakei, Jugoslavien, Frankreich, Holland, Deutschland, Skandinavien etc. So traten sie im vergangenen Jahr während der Jazz Festivals sowohl in Newport als auch in Montreux und Berlin auf, was bisher noch keine einzige Gruppe fertiggebracht hat. Indessen ihre neue LP „Ssssh“ alle Verkaufsrekorde schlägt. Um dieses Resultat zu erreichen, haben sie viele Opfer bringen müssen, denn es ist schon schwierig genug, um mittels eines Hits an die Top zu kommen. Ihr könnt euch also denken, welche übermenschlichen Anstrengungen es diese Gruppe gekostet hat, um ohne eine Erfolgssingle die Position zu erwerben, die sie nun bei ihrem zehnjährigen Jubiläum einnimmt.

VOR ZEHN JAHREN

Es fing vor zehn Jahren in Nottingham an, wo Komponist und Leadgitarrist Alvin Lee bereits seit seinem 13. Lebensjahr in einer Gruppe spielte. Er begegnete Bassgitarrist Leo Lyons und arbeitete seitdem mit ihm zusammen. Kurze Zeit später schloss sich ihnen Organist Chick Churchill, der ebenfalls aus Nottingham kommt, an. Aber trotz Enthusiasmus und Talent erreichten sie nicht das geringste. „In dieser Zeit wollte jeder nur eine vier- oder fünfmännige Formation“, erzählte Alvin. „Dadurch war es einer Gruppe mit drei Mann Besetzung, egal was sie leistete, beinahe unmöglich, Arbeit zu bekommen. Ihre grosse Chance schien jedoch gekommen zu sein, als sich ihnen Drummer Ric Lee anschloss. Kurz darauf fiel die Wahl auf sie, an einer Londoner Version des Musicals „Saturday Night Sunday Morning“ mitzuarbeiten. Das Musical wurde leider ein Misserfolg. Bereits nach drei Monaten wurden die Vorstellungen abgebrochen und die Gruppe konnte, zutiefst enttäuscht und ohne einen Schritt weitergekommen zu sein, wieder nach Nottingham zurückkehren. Danach versuchte sie noch zweimal ihr Glück in der Hauptstadt. Doch beide Versuche schlugen fehl. Sie hatte zwar in Nottingham und ihrer näheren Umgebung regelmäßig Arbeit. Aber da ihr ganzen Streben darauf gerichtet war, an die Top zu kommen, befriedigten sie ihre lokalen Erfolge am allerwenigsten. Trotz aller Bemühungen gelang es ihnen nicht, über ihre lokale Bekanntheit hinauszukommen. Zuletzt waren sie so niedergeschlagen, dass sie die Flinte ins Korn werfen und aufhören wollten. Bevor jedoch die definitive Entscheidung gefällt werden sollte, beschlossen sie noch einmal, ein letztes Experiment zu wagen.

EXPERIMENT

Dieses Experiment sollte in zwei Phasen ausgeführt werden. Anstatt ihrer uniformellen hellroten Hosen und den hübschen Shirts trugen sie nunmehr Nietenhosen und T-Shirts. Und anstelle des üblichen Top-50-Programms spielten sie jetzt ausschließlich Nummern, die ihnen selbst gefielen. Und siehe, diese neue Masche kam beim Publikum besonders gut an. Nun konnte die zweite Phase abgewickelt werden. Es musste ein neues Repertoire einstudiert, hauptsächlich jedoch das gesamte Instrumentarium erneuert und angepasst werden. Da hierfür aber eine Menge Geld erforderlich war, mussten sie versuchen, eine Stelle zu finden, bei der sie In kürzester Zeit die benötigte Summe verdienen konnten. Leo und Alvin gelang es, bei einem Restaurant unterzukommen, wo sie 6 Abende in der Woche für £ 4 pro Mann während der Diners für Musik sorgen mussten. Chick und Ric fanden Arbeit als Reiniger. „6 Monate haben wir es ausgehalten“, sagt Alvin. „Wir legten jeden Penny, den wir so verdienten beiseite, so dass wir nach sechs Monaten in der Lage waren, uns ein völlig neues Instrumentarium anzuschaffen und ohne Schulden einen letzten Versuch wagen konnten, an die Top zu gelangen.“

MÄRCHEN

Und dieses Mal war das Glück ihnen hold. Innerhalb kürzester Zeit hatten sie einen Vertrag mit dem Marquee Club in London in der Tasche. Dank ihres Auftritts in diesem berühmten Club erhielten sie eine Einladung für das Jazz Festival von Windsor, wo sie zum ersten Mal vor einem 20.000 köpfigen Publikum spielten. „Bevor wie die Bühne betraten, war ich todbang“, erinnert sich Alvin. „Die anderen übrigens auch. Aber alles lief wie geschmiert und nach unserer letzten Nummer war das Publikum nicht mehr zu halten. Es war phantastisch, genau wie ein Märchen. Jahrelang hat niemand etwas von uns wissen wollen und jetzt waren wir auf einmal große Klasse“. Von diesem Augenblick an, kannte TEN YEARS AFTER nur noch Erfolg. Es ist dieser Gruppe umso unerklärlicher, dass sie bisher noch keinen Hitsingle gehabt hat. Sie bedauert es zwar, grämt sich aber nicht weiter darüber. Denn demgegenüber steht der Erfolg ihrer LP’s sowie ihre Reputation, die bis in den entlegensten Winkel der Welt durchgedrungen ist.