Joni Mitchell – Taming The Tiger :: Betörend

Weder muß man die Vergangenheit verklären noch die Gegenwart verdammen, um feststellen zu können: Jedes neue Album von Joni Mitchell – mag es auf Anhieb noch so sperrig klingen – ist eines dieser wunderbaren Ereignisse, die selten geworden sind im Musikgeschäft. Auch die 18. Platte in der schon mehr als drei Dekaden dauernden Karriere der Kanadierin wahrt diese Tradition. Freilich mußte man vier lange Jahre auf TAMING THE TIGER warten. Fast hätte man alle Hoffnung begraben, daß Joni den Tiger noch einmal zähmen, ihrem unheilbar kranken, von einer schleichenden Zerstörung des Nervensystems gequälten Körper noch einmal die Selbstdisziplin für strapaziöse Aufnahmesessions abringen könnte. Doch sie hat es geschafft. Und wie: Die elf Songs knüpfen nahtlos an das Niveau des Geniestreichs TURBULENT INDIGO (1994) an, schweben scheinbar schwerelos auf den feinziselierten Basslinien Larry Kleins, werden von lyrischen Sopransax-Figuren sanft umweht, während Miss Mitchell selbst an Gitarre und Keyboards, vor allem aber mit ihrer dunkler gewordenen Stimme behutsam, doch bestimmt die Richtung vorgibt und sich dabei anhört wie eine lange vermißte Freundin, die eines Tages mit einer Flasche Wein und aller Zeit der Welt in der Tür steht. Viel später, zum Abschied, wird sie sagen: „May your skies be blue and your love blessed, that’s my best to you.“ Danke, Joni.