Toto – Volltreffer mit 6 Richtigen


Wenn sechs Meisterköche aus verschiedenen Fünf-Sterne-Restaurants ihr eigenes, gemeinsames Luxushotel eröffnen, sind dort Klasse, Stil und Raffinesse selbstverständlich. Wenn sechs landauf, landab bekannte Meistermusikanten sich in einer gemeinsamen Band treffen, dann kann man mit Recht einen Ohrenschmaus erwarten. Die kalifornische Rockgruppe Toto ist solch ein Mittelding aus Nouvelle Cuisine und Supergruppe. Und die enormen Plattenumsätze, die sie aus dem Stand heraus erreichte, bestätigen, daß ihr Rezept stimmt. Wolfgang Freund unterhielt sich in Frankfurt mit einigen Musikern von Toto und erlebte die Band kurz darauf in den USA live.

Als Ende ’78 die Gruppe mit dem einprägsamen Namen debütierte, sahen sich einige Kritiker gezwungen, das erste Album in der Luft zu zerreißen. Unsicherheit hatte sich breitgemacht, ob Toto nun eine reine Hitlistenkonstruktion ausgebuffter Studio-Profis sei, oder aber doch den ehrlichen Versuch langjähriger Hintermänner darstellte, auch mal die erste Geige zu spielen. Denn die Namen der Bandmitglieder kannte jeder. Steve Porcaro war als Drummer von Stoly Dan. Boz Scaggs. Helen Reddy und als meistbeschäftigter Studiomusiker Kaliforniens ein Begriff. Bassist David Hungate tauchte auf den Platten von Leo Sayer, Barbara Streusand und den Pointer Sisters auf. David Paich war Neil Diamonds musikalischer Berater und spielte darüberhinaus noch Keyboards in seiner Band, war Co-Autor und Arrangeur auf Boz Scaggs“ „Silk-Degrees“-Scheibe und arrangierte die Doobie Brothers-LP „Living On The Fault Line“. Der erst 21jährige Gitarrist Steve Lukather hatte schon das Vergnügen mit Hall & Oates. Bo Scaggs und war Co-Autor auf Alice Coopers letzter Scheibe „From The Inside“. Jeff Porcaros jüngerer Bruder Steve gilt in Los Angeles als ein Hexenmeister im Programmieren von Synthesizern während Sänger Bobby Kimball überall aushalf, wo eine starke Background-Stimme gebraucht wurde. Die kalifornische Studio-Szene hat also Blut verloren seit es Toto gibt.

Unser erstes Zusammentreffen in Frankfurt im Februar gab viel Aufschluß darüber, wie ernst es den Studiomillionären (was verkaufte Platten betrifft) mit ihrer gemeinsamen Gruppenarbeit ist. CBS hatte Jeff Porcaro. Bobby Kimball und David Paich aus Los Angeles eingeflogen: drei aufgeweckte Rock’n’Roll-Strategen, die mit viel Lust und Laune über ihre Traumband berichteten.

Die Saga von Toto beginnt schon vor 10 Jahren. David Paich und Jeff Porcaro waren in derselben Klasse auf der Highschool und träumten ihren amerikanischen Traum vom Rockstar. Beide stammen aus Musikerfamilien und hatten somit schon Melodie und Rhythmus mit der Muttermilch eingesogen, wie man so schön sagt. Drei Klassen tiefer sahen Steve Lukather und Steve Porcaro. die denselben Traum träumten. Irgendwann ergab sich für alle vier unabhängig voneinander eine Gelegenheit zu Studiosessions. Jeff Porcaro: „Wenn man in Los Angeles erst mal eine Studiotür von innen zugemacht hat und dann auch noch ganz ordentlich spielt, hat man schon einiges erreicht.“ Porcaro war auch der erste, der den groben Sprung nach oben schaffte. „Es ist immer eine Frage, ob man zur rechten Zeit am richtigen Ort die richtige Musik spielt, und dann auch noch der richtige Produzent einem ein Angebot hinhält. Ich spielte damals in einem kleinen Jazzclub downtown in Los Angeles, als mich Steely Dan für ihr Album“.Katy Lied“ engagierten. Seit jenem Tag stand mein Telefon nicht mehr still…“ Jeff Porcaro zog Brüder und Freunde mit.

und so entstand eine Art Back-Up-Familie für die anspruchsvolleren Rockpop-Aets als Alternative zu dem leiseren L.A.-Clan um Jackson Browne oder Linda Ronstadt (mit Andrew Gold. Russ Kunkel. Kenny Edwards usw.).

Vor drei Jahren beschlossen David Pach und Jeff Porcaro. ihre gemeinsame Band endlich zu starten. Als Deadline merkte man Ende 1978 vor. Zu jener Zeit trafen sie auch den Sänger Bobby Kimball, der damals bei den Acid Fools sang. Kimball:“.Ich spielte in einem Club, und dann stand plötzlich Jeff vor mir und fragte, ob ich Lust hätte. Ich konnte es kaum fassen, weil ich doch schon immer ein grober Fan von Steely Dan gewesen war und nun dieser Porcaro leibhaftig vor mir stand…“ Bassist David Hungate schließlieh war vor vier Jahren noch bei der Three Dog Night-Rhythmusgruppe. Er traf die anderen oft bei Sessions, und so ergab sich zwangsläufig, daß er der sechste Mann von Toto wurde. Der Countdown konnte beginnen.

Keine Frage, daß der Schallplattenvertrag nur eine Sache von Formalitäten war. nachdem ein paar Demos in den Direktionsetagen der US-Plattenkonzerne kursierten. CBS machte das Rennen, weil durch zahlreiche Sessionarbeiten für dieses Unternehmen bereits ein gesunder Humus für die Toto-Leute vorhanden war. Als das Debut-Album dann Ende 1978 in die Läden kam. erwartete jeder eine intellektuelle Rockjazz-Musik. David Paich: „Die meisten Leute glaubten, daß wir als erfahrene Studiomusiker eine gescheite und intellektuell reflektierte Musik machen würden, so wie St uff oder The New York Connection. Da wir aber alle spontan-emotionale Menschen sind, kam bei uns halt Rock unterm Strich heraus.“ Jeff Porcaro: „Ich würde sagen, daß unsere Musik stilistisch einen repräsentativen Querschnitt unserer Vergangenheit darstellt.“

In der Tat ist Toto im weiten Feld des Rock eher bei den musikalischen Saubermännern anzusiedeln. Da haben Herr Diamond und Herr Scaggs und die Damen Streisand und Reddy und die Gebrüder Doobie ganz schön am Rock-Süppchen mitgekocht, was kein negatives Qualitätsurteil sein soll. Dazu kamen noch der von Boston. Foreigner und Fleetwood Mac geprägte Zeitgeist, und fertig war eine neue typische Creation aus Los Angeles.

Toto live wirkt allerdings ganz anders. Erste Gelegenheit zur Ansicht hatte ich beim California World Music-Festival am 7. und 8. April. Da ging die Band voll den Bach hinunter. Doch das lag wohl nicht an Toto selbst, sondern am fürchterlichen Soundmixer und an der abtörnenden Festival-Hektik. Die Band selbst war sich über das Desaster absolut einig, obwohl der Sound oben auf der Bühne gut gewesen sein soll…

Am Ostersamstag ergab sich dann aber die Chance, Toto auf einer guten Bühne in guter Verfassung mit hervorragendem Sound zu begutachten. Schauplatz war die Heimat der Cars, von Aerosmith, J. Geils und Boston, eben Boston im US-Staat Massachusetts. Wieder kam der Anfang von „Girl Goodbye“ vom Tonband, aber es gab jetzt keinen Klangritt zwischen Gruppen-Einsatz und Synthesizer-Tape wie zuvor in Kalifornien. Als Verstärkung hatten Toto den Sänger Gitarristen Tom Kelly und den Percussionmann Lenny Castro mitgebracht. Die waren zwar in L.A. auch schon dabeigewesen. doch in Boston konnte man sie wenigstens sehen und hören. Und das war gut so, Denn hier im relativ kleinen Orpheum Theatre (ca. 3000 Plätze) konnte die Band alle Register voll ausfahren. Dabei erwies sich, dab live bei Toto mehr rüberkommt als auf Platte. Die Musiker gaben sich mehr Raum zur Improvisation und machten den Sound noch runder: Leadsänger Bobby Kimball unterstützte Steve Porcaro und David Paich zuweilen an den Keyboards und die beiden Gitarristen Kelly und Lukather ergänzten sich mit Gibson und Fender soundmäßig sehr reizvoll.

Toto spielten ihre ganze LP durch, plus ein paar Songs von ihrem nächsten Album. Bei „Hold The Line“, ihrer Single, die auch bei uns noch in den Charts steht, sab keiner mehr im Orpheum Theatre auf seinem Stuhl. Wie schon auf der LP, war auch hier David Paich der musikalische Dirigent, der mit lässigen Bewegungen auch die Brücken von der Band zum Publikum baute. Kimball, Porcaro und Paich hatten nicht zu viel versprochen, als sie in Frankfurt von ihrer Bühnenshow schwärmten. Man spürt, dab die jahrelange Bühnenabstinenz in den Musikern sich angestaut hat, daß sie nun das Beste aus sich herausholen. Vor allem bei den drei Frontmännern Kimball, Lukather und Paich kommt dies voll zum Ausdruck. Erfreulich ist die Tatsache, dab der Anflug von Sterilität auf der Platte beim Live-Konzert ausgeschaltet ist. Wäre doch nur Herr Scholz von Boston beim Konzert dabeigewesen…!