Coldplay-Hausaufgaben


Billig-Keyboards weg, Streicher-Flauschdecken her: Athlete sind erwachsen geworden. Und "„größer, ernster, epischer".

Mit Verrissen ist es wie mit Prügeleien auf dem Schulhof. Wem das nicht dauernd passiert, der zeigt seine Schrammen gern mal vor, zur Imageförderung. So wie die Londoner Band Athlete, deren Debüt VEHICLES & ANIMALS der NME 2003 nach allen Regeln der Kunst niedermachte. Einen Song bezeichnete das Blatt als „doleful drippy piss“. „Ziemlich gutes Zitat“, grinst Sänger Joel Pott, der sich die Schmähung aufs T-Shirt druckte und nichts dagegen hatte, daß sie zusammen mit einer langen Reihe euphorischer Kritiken in Anzeigen verwendet wurde. Überschrift: „You can’t please everyone.“

Für den Nachfolger TOURIST hält die Presse keine so giftigen Schmankerln mehr bereit („Der NME meinte, wir hätten nun wohl endlich unsere Coldplay-Hausaufgaben gemacht“), aber schließlich würde die Ironie von damals zu einer Kampagne für die neue Platte auch nicht mehr so recht passen. „Das erste Album war netter, verschrobener Pop. Wir harten keine Lust, das einfach zu wiederholen“, sagt Joel. Ganze anderthalb Jahre lang waren Athlete mit VEHICLES & ANIMALS auf Tournee. „In dieser Zeit sind wir erwachsener und selbstsicherer geworden, und das spiegelt die neue Platte einfach wieder. Sie ist größer, ernster und epischer ausgefallen.“

Erwachsen zu werden wurde Joel auf erschreckende Weise erleichtert. Als seine Tochter zur Welt kam, mußte sie sofort auf die Intensivstation. Davon handelt „Wires“, die erste Singleauskopplung vom neuen Album, die sofort die Top Five der britischen Charts ereichte. „Der Song kam damals ziemlich spontan aus mir heraus“, erzählt der Sänger, und Keyboarder Tim Wainstall fügt hinzu: Joel hat uns ‚Wires’damals mit Akustikgitarre vorgespielt. Uns war gleich klar, daß die Casio-Keyboard-Hooks von der ersten Platte da nichts mehr zu suchen haben. Insofern hat dieser Song die Stimmung und den Sound des ganzen Albums diktiert.“

Der Abschied vom Billigkeyboard und der Einzug der Streicher-Flauschdecke waren also eine logische Entwicklung, die die Band jedoch zunächst nicht einfach so hinnehmen wollte. „Zu Beginn der Produktion haben wir krampftiaft versucht, in den Songs eine Verbindung zum alten Sound herzustellen“, sagt Tim. „Irgendwann mußten wir einsehen, daß das einfach keinen Sinn hat. Die Songs unterscheiden sich ja auch inhaltlich stark von der ersten Platte, die viel distanzierter war.“ Daß die meisten Stücke auf Tour entstanden, spielte dabei eine wichtige Rolle, findet Joel: „Du kommst an Orte, wo du noch nie vorher warst, lernst neue Leute kennen. Das ist natürlich cool. Gleichzeitig wollte ich das alles am liebsten mit meiner Frau und meiner Tochter teilen. Ich war emotional oft ziemlich hin und her gerisssen, und das merkt man der Platte wohl auch an.“

www.athlete.mu