Die Band Als Perpetuum Mobile


Immer in Bewegung bleiben: Yo La Tengo sind seit einem Vierteljahrhundert unbestechlich-produktive Indie-Institution.

POPULÄR SONGS heißt das neue Album von Yo La Tengo – nett kokett, um Popularität hat die Band aus Hoboken, New Jersey schließlich nie groß gebuhlt. Dafür kann sie tolle Musik machen: Yo La Tengos Händchen für filigrane (Folk)poppigkeiten und feedbackgesättigten Noiserock steht in der guten Tradition ihrer ewigen Großvorbilder Velvet Underground. Die Bandbreite der Einflüsse hat sich im Laufe ihrer 25-jährigen Karriere erweitert, zum Indierock sind Folk, abstrakte Loopspielereien und Elektronikanleihen gekommen – und trotzdem haben Yo La Tengo immer einzigartig geklungen. Ein offenes Produktionssystem, aber mit festem Kern – oder, wie es Schlagzeugenn Georgia Hubley ausdrückt: „Ich weiß nicht, ob ich überhaupt Musik machen würde, wenn nicht mit diesen beiden Typen.“ Gemeint sind Hubleys Ehemann Ira Kaplan – Gitarrist und Sänger der meisten Songs – und Bassist James McNew. Unlängst beim Konzert von Yo La Tengo im Berliner Babylon: Auch hier stehen populäre Songs auf dem Programm, um das neue Album soll es allerdings nur am Rand gehen. Die Ankündigung der Show als „Wunschkonzert“ erweist sich jedoch als Missverständnis. Keine Songwünsche darf das Publikum äußern, nur Fragen stellen. Daraus kann sich dann ein Song ableiten – oder auch nicht.

„Wart ihr schon mal auf Hawaii?“, will einer wissen. Nein, sagt Kaplan und gibt die Frage zurück; auch der Fan war nie da. Ein anderer fragt nach dem Wetter an der Westküste, wohl in der Hoffnung, der Band das poppig-sphärische „Fog Over Frisco“ zu entlocken. Doch so einfach wickelt man die charmant-spröden Yo La Tengo nicht um den Finger. Irgendwann kommt dann die Frage, ob sie denn als Band Angst vor dem Geldverdienen hätten – eine zwingende Überlegung, wenn man sich ihre Karriere anschaut. Schließlich überragen Yo La Tengos Einfluss und die Leidenschaft Ihrer Fans den kommerziellen Erfolg der Band ums Vielfache. Ira Kaplans trockene Antwort: „Nein, Geldverdienen ist okay.“ Nachmittags beim Interview hatte Georgia noch hinzugefügt, Yo La Tengo könnten von ihrer Musik leben und müssten nicht anderweitig arbeiten. „Was will man mehr?“ Und so trifft sich das Trio regelmäßig im eigenen Studio in Hoboken (das Aufregendste an dem Städtchen vor den Toren Manhattans scheint der regionale Mozzarella zu sein; auch dies fördert das Frage-Antwort-Spiel zutage) und erweitert beharrlich sein musikalisches Universum. Ein recht neues Steckenpferd ist die Filmmusik. Die Indic-Filme „Junebug“ und „Oldjoy“ haben sie vertont, auch am Soundtrack von „Shortbus“ mitgewirkt. “ Man hat eine ganz andere Herangehensweise an Soundtracks als an Popsongs. Uns kommen da Ideen, die wir für eigene Songs nicht hätten und die sich später durch die Hintertür in unser Material einschleichen.“

Auf dass das Perpetuum Mobile namens Yo La Tengo noch eine Weile in Bewegung bleibe.