Edgar Winter – Hamburg, Markthalle


Sill alive and Well? Die eigentlich spannende Frage war wohl eher weniger wie Edgar spielen würde, sondern was und mit wem. Während seine Debüt-Platten von 1970/71, ENTRANCE und WHITE TRASH, heute noch in (wenn überhaupt, dann) guter Erinnerung sind, boten spätere Alben meist enttäuschend profillosen Allerwelts-Rock bis hin zum ärgerlichen Disco-Einschlag.

So ist es kein Wunder, daß das Publikum in der nur leidlich besetzten Markthalle altersmäßig sogar die Szenerie eines – sagen wir – Chappo-Auftritts locker überbot – wer am Anfang der 70er seinen ersten Plattenspieler bediente, ist eben heute gerade noch unter 30.

Umso jünger waren die vier Musiker, die der RSB-Veteran Edgar Winter übrigens knapp zwei Monate vor dem Auftritt zusammengetrommelt hat Für den Aufbau eines neuen Repertoires reichte die Zeit nicht mehr. So bekamen die Hamburger zu hören, was die meisten sicher erhofft hatten: solides Material aus Edgars Oldies-Kiste.

Schon der Einstieg mit „Keep Playin‘ That Rock’n’Roll“ wies in die WHITE TRASH-Richtung und zeigte, daß die Band auch ohne Bläsersätze fetzen kann. An den Keyboards ließ sich Edgar würdig vertreten durch Philippe Saisse. Der kommt hörbar vom Jazz, hat aber auch mal für AI di Meola gearbeitet, spielt jedoch wenn’s drauf ankommt – gut und gern Rock-Riffs. Nur für Balladen setzte sich Edgar gelegentlich selbst an den Flügel. John Pati ist ein vielseitiger Gitarrist, dessen besonderer Ehrgeiz offenbar darin liegt, auf jede improvisierte Phrase Edgars eine passende Antwort zu liefern. Und Edgar machte es ihm nicht leicht, legte rasende Linien vor, sprang auch gern mal mittendrin eine Oktave höher. Wenn er dann spindeldürr auf der Bühne steht und seinen Zeigefinger rhythmisch in die Luft stößt, wirkt er einigermaßen gespenstisch – „Out Of This World“, obwohl gerade seine Musik immer erdig ist, beeinflußt von R&B, Gospel, Rock, Funk, Soul und Jazz.

Insgesamt waren die gut 100 Minuten Musik so hemmungslos vielseitig, daß allen Ernstes vom angesoffenen AC/DC-Fan bis zum ergrauten Intellektuellen jeder einen guten Abend verleben konnte. Neue Musik war nicht angesagt, und so stammten zwei Höhepunkte von ENTRANCE (also von 1970!): die Suite „Winter’s Dream“ – live ein gewagtes Unternehmen, aber trotz etwas ungehobelten Sounds geglückt – und als erste Zugabe natürlich „Tobacco Road“ in einer ausgedehnten Fassung, die sich hinter der Eric Burdons wirklich nicht zu verstecken brauchte.

Obwohl die Edgar Winter Group also durchaus eine reelle Vorstellung bot, kann es auf die Dauer nicht so weitergehen. Man will denn auch schleunigst Stücke schreiben und eine neue Plattenfirma finden.