Ein Sklave Wirft Die Ketten Ab


Mit neuem Plattenvertrag fühlt Prince sich wieder völlig frei

Der Taxifahrer, der mich zum Paisley Park rausfahren soll, nickt anerkennend: „Ein Cousin von mir arbeitet dort.“ Aha, ist der Tontechniker oder sowas? „Nein, dem gehört der Laden“, schiebt er mit einer lässigen Handbewegung nach. „Früher nannten wir ihn Skipper. Wie heißt der denn jetzt gerade?“ Bei der Pressekonferenz vor zwei Tagen hatte der Künstler, den sie früher Prince nannten, auf diese Frage mit einem stummen Lächeln auf das kombinierte Männlich-Weiblich-Symbol an der Wand gezeigt – Symbol. „Aha. Eigentlich ist er ja auch nur der Cousin meiner Mutter. Bei der letzten gemeinsamen Familienfeier war er 13. Vor fünf Jahren hat er mir dann mal nach einem Konzert die Flosse geschüttelt. Lebt ziemlich isoliert, der Junge, oder? Bin froh, daß er seine eigene Familie gegründet hat. Braucht er auch. In unserer Familie gibt es keine Wärme.“ Die hat Symbol bei seiner ehemaligen Plattenfirma Warner auch nicht bekommen. Dort hatte man ihm in der spektakulären Neuauflage seines Vertrages 1992 neben einem Vizepräsidentenjob 10 Millionen Dollar Vorschuß pro Platte garantiert. Querelen um Songrechte und Vorschüsse hatten ihn dazu getrieben, seine ehemaligen Gönner als Sklavenhalter zu beschimpfen und sich den Schriftzug „Slave“ auf die Wange zu malen. Das Mal ist weg. Symbol hat mit einem anderen Major, EMI, eine Art Vertriebsvertrag abgeschlossen und sein neues – Dreifach– Album ‚Emancipation‘ genannt: Jetzt bin ich endlich ein freier Mann. Ich bin glücklich. Ich kann endlich frei denken und mich frei ausdrücken. Niemand hat mir bei den Aufnahmen reingeredet.“ Nachdem die letzten Alben floppten, blickt Symbol nun in eine rosige Zukunft: „Ich kann jetzt endlich bestimmen, wie meine Alben aussehen und wie sie vermarktet werden. Wenn ich will, kann ich bis Ende des Jahrtausends daraus Singles auskoppeln. Ich kann auch gleich wieder ein neues Album machen.“ Und Interviews gewähren. Was er neuerdings wieder tut. Nur: Aufnahmegeräte müssen draußen bleiben. Selbst das VIVA 2-Kamerateam darf nur das Drumherum filmen. Des Meisters Worte sind tabu. „Wir sind nicht vorrangig auf die Welt gekommen, um zu sprechen“, hat Symbol erkannt, „Die Sprache kann eine Falle sein. Wenn du hier rausgehst, dann kannst du von unserem Dialog nur das mitnehmen, was du noch als wichtig im Kopf hast.“ Er lächelt mich von seinem Platz auf der anderen Seite des Konferenztisches aus an und zupft am Ärmel seines Pullis. Der ist limonengrün wie die Leggings, die Pantoletten und sogar die Socken. Der Mann wirkt gutgelaunt, obwohl sein am 16. Oktober geborenes erstes Kind, ein Junge, wenige Tage zuvor gestorben ist. Das Baby war mit schweren Gehirnschäden auf die Welt gekommen. Dieses Thema ist tabu. Viel lieber redet Prince über seine frisch Angetraute Mayte, die er vor ein paar Jahren als Tänzerin eingestellt hatte, nachdem ihre in Deutschland lebende Mutter ein Bauchtanzvideo des Töchterchens an Paisley Park geschickt hatte: „Mit ihr will ich den Rest meines Lebens verbringen. Mayte versteht mich besser als jeder andere. Ich bin sicher, daß wir in einem früheren Leben in Ägypten gemeinsam in einem Körper gelebt haben.“ Interessant. Gibt es da nähere Hinweise? „Es war ein männlicher Körper. Und dieser Mann hatte vier Frauen.“ Wie kommt er darauf? Symbol verzieht keine Miene: „Manchmal, wenn sie mir Musik aus Ägypten vorspielt oder mir einen Stoff aus Ägypten zeigt, dann kommt mir das sehr vertraut vor. Wenn ich in ihre Augen sehe, katapultiert sie mich in eine andere Welt. Dann wird alles andere rundherum ausgeblendet.“

Prince hat seine Band, die New Power Generation, mal wieder umbesetzt: „Rhonda Smith ist die be-I ste Bassistin, die ich je hatte. Die geht mit ihrem Baß ins Bett.“ Er grinst zweideutig. Die neue Gitarristin Kathleen Dyson sei ganz okay. Die meisten Drumparts hat jetzt Kirk A. Johnson übernommen: „Er spielt zwar nicht so gut wie mein früherer Drummer. Dafür bin ich aber eng mit ihm befreundet. Und er war mein Trauzeuge. Vor allem ist er ein Visionär.“ Daß Visionen nicht immer ausreichen und der Drummer doch reichlich Schwächen hat, soll sich am selben Abend zeigen. Da hat der Künstler zum Spontan-Gig eingeladen. In den Clubs von Minneapolis und St. Paul werden Flyers verteilt. Und nachts um 2 Uhr ist es soweit: Prince tritt mit seiner NPG auf die weiße Bühne des Paisley Park. Anders als beim Medienkonzert gibt’s hier die weniger chartskompatiblen Songs. Um 4 Uhr morgens hat die Herrlichkeit ein Ende. Wo kriege ich hier in der Pampa ein Taxi zum Hotel her? „Komm, ich fahr dich“, sagt einer der Musiker. Sein Chef hatte mir nachmittags erklärt: „Daran ob jemand die Sache mit meinem neuen Namen respektiert, sehe ich, ob er mich respektiert.“ Wie spricht denn mein Chauffeur seinen Boß an? „Ich vermeide es, einen Namen zu benutzen“, antwortet der Mann, dessen Namen wir hier lieber nicht nennen. „Privat haben wir ja sowieso nicht viel miteinander zu tun.“ CHRISTIANE REBMANN TAFKAP feiert nach dem Wechsel der Plattenfirma seine künstlerische Wiedergeburt.