ESC 2019

ESC 2019, erstes Halbfinale: Die wichtigsten Erkenntnisse – und unser Favorit


Es ist wieder diese Zeit des Jahres, in der zwischen schlechtem Geschmack und noch schlechteren Geschmack abgewogen werden darf, NDR-Mitarbeiter einwöchigen Betriebsurlaub kriegen und Trickkleiddesigner den großen Wurf landen können. Kurz gesagt: Es ist ESC-Woche.

Am Samstag, dem 18. Mai, findet das diesjährige Finale des Eurovision Song Contest im israelischen Tel Aviv statt. Vorab gibt es die bereits lieb gewonnenen zwei Semifinals, die uns genügend Aufschluss bereiten, dass wir uns das große Finale auch in diesem Jahr getrost sparen können – und schließlich haben wir Euch 2017 den Sieger auch bereits nach dem ersten Halbfinale vorausgesagt.

Wir fassen für Euch das erste Halbfinale des Eurovision Song Contest 2019 zusammen, das ebenso wenig heißlaufen wollte wie unser allerliebster Peter Urban. Dennoch: #UrbanLove

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ESC 2019: Das ist schon jetzt unser Favorit

Nachdem dem Publikum direkt zu Beginn das Trommelfell mit belanglosem Elektro-Plastik-Pop lobotomiert wurde, ziehen zwei milchgesichtige Teenies aus Slowenien das musikalische Niveau abrupt in die Höhe: Zala Kraljs und Gašper Šantls „Sebi“ ist eine simpel und dabei äußerst fein produzierte Minimal-Pop-Nummer, die sich mit Bedroom-Beat und verschlafenen Gitarren- und Synthie-Schlieren wie Nebel um einen legen. Der starke Song erhält obendrein Bonuspunkte für den Vortrag in der Landessprache – und für die zurückhaltend-liebliche Performance im All-White-Everything-Outfit, die Peter Urban zu diesem tollen Vergleich inspiriert hat: „Wie zwei Krankenpfleger beim ersten schüchternen tête-à-tête beim Pausentee.“ Gegen all den Bombast, der mit Zala und Gašper ins Finale gezogen ist, dürften sie es jedoch leider recht schwer haben. Doch dann erinnert man sich wieder an Salvador Sobral und hofft auf einen weiteren Sieg gegen die „Fast Food Music“.

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War sonst noch etwas brauchbares dabei?

Tatsächlich war das musikalische Niveau des ersten Semifinals recht mager – was vor allem daran liegt, dass viele der Kandidaten satt wirken, Dienst nach Vorschrift liefern. Neben Slowenien sind es die ähnlich jungen Tschechen von Lake Malawi, die zu gefallen wissen. Das Quartett scheint nicht nur The 1975s ehemaliges Bühnendesign günstig auf Ebay geschossen zu haben, sondern direkt auch die Veranlagung der Herrschaften aus Manchester für mainstream-poppigen Indie-Rock auf sich übertragen zu haben. Ob die nostalgischen Duran-Duran-Synths jedoch zum großen ESC-Sieg reichen können – ungewiss. In den Hintergrundmusik-Playlists für höherpreisige Fast-Fashion-Stores sollten sie mit ihrem „Friend Of A Friend“ auf jeden Fall landen.

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So schlecht, das es schon wieder sympathisch ist

Ralph Siegel, is that you? San Marino liefert einen klischeebehafteten 80s-Gutwetter-Pop-Beitrag, dessen Sound null mit Serhats Später-Leonard-Cohen-Erzählergrollenstimme harmoniert. Andererseits: Gibt es einen Song, der mehr ESC ist als einer, der „Say Na Na Na“ heißt? Eben. Übrigens, 183 Nas im Songs, sagt Moderator Urban. Danke, Strichlisten-Peter.

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Wie hat sich Europas Adoptivkind geschlagen?

Australien, der Witz, den du irgendwann schon nicht mehr als solchen wahrnimmst. Wieder dabei, wieder ins Finale eingezogen. Diesmal mit Sängerin Kate Miller-Heidke, die wohl gerne Teil eines „Frozen“-Musicals geworden wäre – oder Stelzenakrobatin im Zirkus, man weiß es nicht so recht. Gut, dass der ESC Träume erfüllt und Klein-Katie sich voll ausleben kann mit und in ihrer Operetten-Nummer voller Quieckser und Fiepser. „Atemberaubend“, fand Peter Urban den Auftritt. Wahrscheinlich hat der Mann aber auch einfach nur starke Höhenangst.

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Der Beweis, dass der ESC doch noch nicht so progressiv ist, wie man dachte

Wir stellen fest: Portugal hat scheinbar das progressivste ESC-Publikum der vergangenen Jahre. Nach Salvador Sobrals Sieg 2017 und dem ebenfalls hübsch anzuhörenden Synth-Pop Cláudia Pascoals 2018, schickten die Iberer mit Conan Osíris‘ „Telemóveis“ dieses Jahr Arca-inspirierten, Frank-Ocean-like dekonstruierten Electronica mit Fado- und Vaudeville-Anleihen ins Rennen. Dazu tanzte der extravagant gekleidete Sänger und Künstler Contemporary und Ballett, was anscheinend in zu vielen Ländern für zu viele offene Kinnladen und keine Anrufe sorgte.

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Ein Problem, vor dem Bilal Hassani übrigens nicht steht, ist der Franzose doch schon fürs Finale gesetzt. In seiner Heimat wird der Sohn marokkanischer Eltern mit Morddrohungen und offenem Hass konfrontiert. Der Grund hierfür: Er lebt ein offen queeres, gendersprengendes Leben. Das macht ihn beinahe automatisch zum Titel-Aspiranten in der großen Gay-Community des ESC. Seinem Song „Roi“ fehlt jedoch das Divenhafte, um den Conchita-Wurst-Weg zum Olymp erklimmen zu können.

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Absurditätenkabinett mit Außenseiterchancen

Hatari aus Island scheinen gerne Fetischpartys im Berghain zu feiern – und die Musik dazu direkt selbst mitzuliefern. „War das 1 Joke?“, fragt da selbst der ewig junge Bratan Peter Urban. Sheesh, kein Plan, aber hey, Rammstein: Falls ihr noch einen Support-Act für Eure Stadiontour sucht, ruft mal ganz fix in Island an.

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Ist Peter Urban schon reif fürs große Finale?

Hmm, noch nicht ganz. Peter, der Große läuft langsam heiß, wie ein guter Transistorverstärker. Es brauchte einige Allgemeinplätze („Die polnischen Ernteköniginnen, mit einem Mix aus Folk und Rock in ihren Trachten vor einer LED-Wand – das ist ESC!“) und modische Fehleinschätzungen („Belgiens Eliot sieht etwas unglücklich aus, weil seine Mutter ihm eine zu große Jacke gekauft hat.“ – Das nennt man Oversize-Look, Peter. Google it.), bevor er auf Betriebstemperatur kam und die Karriere der 16-jährigen weißrussischen Sängerin Zena mit nur drei kurzen Sätzen vernichtete. Zu ihrem Jägermeister-Cola-klebrigen, hypersexualisierten Festzelt-Auftritt in weißen Straßenstrich-Stiefeln und lila Augen-Make-Up äußerte sich Big Pete ganz undiplomatisch: „Manche dieser Farben taten weh, da wurde alles aufgefahren, was die Bühnentechnik hergibt. Das kann schonmal vom Singen ablenken. Und das hörte man auch.“ Boom, Mic Drop, #UrbanLove. Das zweite Halbfinale, es kann eigentlich nur besser werden.

Diese Acts haben es ins Finale des ESC 2019 geschafft:

  • Griechenland
  • Weißrussland
  • Serbien
  • Zypern
  • Estland
  • Tschechische Republik
  • Australien
  • Island
  • San Marino
  • Slowenien
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